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Robin Philpot | ||||||||||||||||||||||
Ruanda 1994 - die inszenierte Tragödie | ||||||||||||||||||||||
Kapitel
15: Nehmen Sie sich in Acht vor Afrika! Dem
Kongo an die Gurgel
Amerikanische Herrschaft
die einzige Herrschaft, von der man sich nie erholt. Ich
meine, die niemand ohne Narben übersteht. Aimé Césaire, Discouse on
colonialism Frankreich, unser hartnäckigster
Feind. Benjamin Franklin, 1747 Eines Freitagabends im November 1996, um
genau zu sein am 8., verfolgten Jean und Aline Chrétien
in ihrem Landhaus am Lake Harrington nördlich von Ottawa
die CNN-Nachrichtensendung. Die pausenlos gezeigten
Bilder von leidenden Menschen in Goma im Osten von Zaire
waren so aufrüttelnd, dass der Premierminister
beschloss, Kanada solle eine multinationale Armee
aufstellen und anführen, um die ruandischen Flüchtlinge
zu beschützen, deren Lager erbarmungslos bombardiert
wurden. Statt sein wohlverdientes
premierministerliches Nickerchen zu halten, teilte der
Premierminister diese Idee seinen engsten Beratern mit,
seiner Frau Aline und seinem Neffen Raymond Chrétien,
damals kanadischer Botschafter in Washington und gerade
zum UNO-Sonderbotschafter in der afrikanischen Region der
Großen Seen bestellt. Sodann griff er zum Telefon, um
einige mittlere Mächte in der Größenordnung Kanadas
von dieser Idee zu begeistern, ehe er an Washington
herantrat. Er konnte die Präsidenten von Brasilien und
Argentinien für die Idee gewinnen, sich an der geplanten
Armee unter kanadischer Führung zu beteiligen. Mit
diesen an seiner Seite rief er Clinton an, um ihn zur
Unterstützung der kanadischen Initiative zu bewegen. Die
Arbeit dieser Woche endete glücklich mit einer
Resolution des UN Sicherheitsrates am Donnerstag 14.
November, mit der eine multinationale Armee mit 10.000
Soldaten unter Führung des kanadischen Generals Maurice
Baril aufgestellt wurde. Diese sofort einzusetzende Armee
sollte den 1.300.000 ruandischen Flüchtlingen die
Rückkehr in ihre Heimat ermöglichen. Große Überraschung! Bereits am nächsten
Tag begannen tausende ruandische Flüchtlinge unter den
Kameras aus aller Welt die Grenze von Kongo nach Ruanda
zu überschreiten. Zwei Wochen später kehrte eine andere
große Gruppe aus Tansania zurück. Am 12. Dezember
informierte der UN Sonderbotschafter Raymond Chrétien
den UN-Sicherheitsrat, dass der Einsatz der
multinationalen Armee nicht mehr notwendig sei, da sich
das Flüchtlingsproblem von selbst regle. Sobald
die Resolution des UN Sicherheitsrates angepasst worden
war, aktivierte Kigali die Rebellen in Ostzaire, die
darauf hin die Flüchtlingslager angriffen. Die Milizen
flohen und befreiten bei dieser Gelegenheit die
Flüchtlinge, damit diese nachhause zurückkehrten,
teilte Raymond Chrétien dem Pressekorps der UNO mit. Zur
gleichen Zeit erklärte General Maurice Baril,
Befehlshaber der multinationalen Armee: Ich muss
jetzt meiner Regierung empfehlen, die Mission zu
beenden. Ziel erreicht! Applaus bitte! So will es die richtige und
angemessene Geschichte haben, aber die Wirklichkeit
sah anders aus. 132 General Baril war ein
verdammter Lügner, als er sagte, es gäbe kein
Flüchtlingsproblem mehr im Kongo und die multinationale
Armee könne abziehen, sagte mir ein Mitarbeiter
einer größeren NGO. Er ist ein Mörder! Der
Menschenrechtsarbeiter aus Montreal, der nicht genannt
werden wollte, war zu dieser Zeit im Einsatz in Kigali
und Goma und war an der Grenze zwischen Kongo und Ruanda
stationiert, als die Flüchtlinge zur Rückkehr nach
Ruanda gezwungen wurden. Als die Stadt Goma fiel,
teilten die Truppen das Flüchtlingslager in zwei
Teile, fuhr er fort. Etwa 300.000 bis 400.000
Menschen flüchteten nach Westen in die Wälder, zwischen
250.000 und 300.000 flohen in Richtung Ruanda. Jeder
wusste, dass es so war. Satellitenaufnahmen zeigten es
deutlich. Diese Aufnahmen wurden an alle
Hilfsorganisationen geschickt und an General Baril. Er
hatte die gleichen Fotos wie wir. Ein anderer Augenzeuge beschrieb den
Ablauf der Ereignisse genau gleich. Die französische
Tageszeitung Libération veröffentlichte seine
Angaben am 10. März 1997. Können wir General
Baril glauben, wenn er Mitte Dezember erklärte, dass es
in Zaire keine Flüchtlinge mehr gebe? Alles in allem
hatte er nur einen halben Tag im Fahrzeug eines Offiziers
der Tutsi-Rebellenarmee verbracht und nicht einen
Flüchtling gesehen. Seine Erklärung, die den Einsatz
der internationalen Truppe beendete, verursachte den Tod
von Tausenden Flüchtlingen. Es ist ausgeschlossen, dass
er von deren Anwesenheit nichts mitbekommen hat. 133 Sechs Jahre später gibt Botschafter
Raymond Chrétien in einem Interview in der kanadischen
Botschaft in Paris zu, es habe nur den Anschein gehabt,
dass das Flüchtlingsproblem im Kongo gelöst sei, als
sein Mandat im Dezember 1996 endete. Ein kleiner Teil des Problems war
gelöst. Es war die Spitze des humanitären Eisbergs,
aber ein großer Teil des Problems blieb ungelöst. Viele
Flüchtlinge gingen in die Wälder und wurden
wahrscheinlich seither getötet. Eine Million Menschen
tot! Über das ist nur wenig gesagt worden. Aber es gab
internationale Übereinstimmung darüber, dass 500.000
Flüchtlinge nach Ruanda zurückgekehrt seien. Daraufhin
gab es keinen politischen Willen mehr, die multinationale
Streitmacht einzusetzen. 134 Obwohl man Raymond Chrétien zugute halten
könnte, dass er so offen über das Scheitern seiner
Mission spricht, ist das doch zu wenig und kommt viel zu
spät. Darüber hinaus ist seine Ausrede betreffend die
internationale Übereinstimmung nicht
stichhältig, weil diese so genannte Übereinstimmung
total manipuliert war. Léon Kengo Wa Dondo war
Ministerpräsident von Zaire zwischen 1994 und 1997. Laut
ihm stellte die Volkszählung in Zaire 1995 fest,
dass sich 1.300.000 ruandische Flüchtlinge in Zaire
aufhielten. Nur eine sehr kleine Anzahl von ihnen kehrte
im November 1996 nach Ruanda zurück. Die Idee, die
Anwesenheit der ruandischen Flüchtlinge, die des
Genozids beschuldigt waren in Zaire auszunutzen, um die
militärische Intervention seitens Uganda, Burundi und
Ruanda zu rechtfertigen und diese Invasion dann in einen
scheinbaren Bürgerkrieg in Zaire umzuwandeln, war sehr
wohl im vorhinein geplant. 135 Nach den Berichten von Augenzeugen - es
war alles vorbereitet, um die Rückkehr der Flüchtlinge
zu filmen und rund um die Welt zu verbreiten
sollte die Rückkehr der Flüchtlinge den Tatsachen
entsprechend als Zurückweisung oder
gewaltsame Repatriierung bezeichnet werden.
Hier die geplante Inszenierung: Die Flüchtlinge
wurden befreit vom Joch der mörderischen Hutu-Milizen
und kehrten glücklich in ihre Heimatorte in Ruanda
zurück. Gewaltsame Repatriierung ist durch die
Genfer Flüchtlingskonvention 1951 ausdrücklich
verboten. Alle an der Operation im November 1996
beteiligten Länder waren Mitglieder dieser Konvention. 136
Aber wer schert sich schon um die Einhaltung von
Gesetzen? Die Reporter wurden an der Grenze zwischen
Ruanda und Zaire aufgestellt, ehe die Flüchtlinge zur
Rückkehr gezwungen wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt
hatten sie sehr wenig Bewegungsfreiheit Reporter
wurden auch daran gehindert, in die Nähe von Goma zu
kommen, als diese Stadt einige Wochen davor besetzt
worden war aber jetzt bekamen sie alle
Möglichkeiten, die gesamte Operation zu beobachten und
zu filmen. Ihre völlige Freiheit, über die Operation zu
berichten, stand in Widerspruch zu den Einschränkungen
ihrer Bewegungsfreiheit vor und nach der Operation.
Offensichtlich benutzten wir die Medien,
erinnerte sich Raymond Chrétien an seine Mission im
Auftrag der Vereinten Nationen 1996 in
Zentralafrika. Christiane Amanpour von CNN war
schon vor deren Beginn besonders gut über die Operation
informiert, beobachtete der Menschenrechtsarbeiter
an der Grenze. Offensichtlich hatte sie Zugang zu
privilegierter Information. Die weniger glamourösen
Aspekte der Operation interessierten sie nicht. Ihre
Arbeit war schlicht und einfach unehrlich. Er wies
auf Fälle von Flüchtlingen hin, die von der RPF-Armee
gefoltert worden waren, sowie auf die Tatsache, dass die
RPF jeden daran hinderte, innerhalb von 25 km auf der
ruandischen Seite der Grenze den Flüchtlingen Wasser zu
geben. Das Ziel war die Dehydrierung und Tötung aller
Flüchtlinge mit Cholera. Es überrascht nicht, dass das einseitige
Verhalten Christiane Amanpours von CNN den Anwesenden
aufgefallen ist. Kurz nach diesen Ereignissen heiratete
Frau Amanpour Jamie Rubin, Madeleine Albrights
Tausendsassa und Presseattaché. Jamie Rubin ist der
Mann, der das sogenannte Genozid-Fax seinem Schwager
Philip Gourevitch zukommen ließ. Die Vertreter der
richtigen und angemessenen Geschichte
beziehen sich unweigerlich auf das sehr unheimliche
akazu oder kleine Haus, wenn sie
Habyarimanas Familie und Umgebung beschreiben, die
angeblich für alles, was in Ruanda geschah,
verantwortlich waren. Man hat allerdings den Eindruck,
dass die Vereinigten Staaten von Amerika den
akazus dieser Erde noch einiges beibringen
könnten, etwa wie man Ereignisse inszeniert und dank
familiärer Beziehungen nicht erwischt wird. Genau zu dem Zeitpunkt, an dem die
traurige Flüchtlingsoperation über die Bühne ging,
traf der französische Journalist Jean Daniel den
Staatssekretär im Außenministerium der Vereinigten
Staaten von Amerika John Kornblum in seinem Büro in
Washington. Sein Bericht über diese Treffen ist
haarsträubend. Frankreich? Wir wollen uns mit
Frankreich vertragen. Chirac? Ein Mann mit gutem Willen.
Wir mögen ihn. Aber: (1) keine Frage, ob Boutros-Ghali
bleiben soll; (2) keine Frage, ob Mobutu an der Macht
bleiben soll ... reden wir weiter in sechs Monaten. Wir
werden sehen, ob ich falsch liege. Nehmen Sie sich in
Acht vor Afrika: Frankreich ist auf dem falschen Dampfer.
Der starke Mann sitzt in Uganda, nicht in Kinshasa.
137 Nach seinen eigenen Worten verließ Jean
Daniel dieses Treffen sprachlos über die zynische
Detaillierung der kommenden Ereignisse und die Arroganz
der verwendeten Sprache. Die antifranzösische Offensive der
Vereinigten Staaten von Amerika im französischsprachigen
Afrika liegt der Zerstörung von Flüchtlingslagern im
Osten von Zaire zugrunde und erklärt, warum die
kurzlebige internationale Streitmacht unter kanadischer
Führung, welche die Flüchtlinge beschützen sollte, so
schnell wieder nach Hause geschickt wurde. Wer hat die Flüchtlingslager Sake
und Mugunga in der Nähe von Goma bombardiert?
fragt der ehemalige Premierminister Kengo Wa Dondo,
obwohl er wenig Zweifel daran lässt, dass seiner Meinung
nach die Vereinigten Staaten von Amerika direkt beteiligt
waren. Augenzeugenberichte über die Einnahme der Stadt
Goma am 1. November 1996 unterstreichen die rasche
Durchführung der Operation, die mit schwerem
militärischem Gerät erfolgte, die gleichzeitigen
Angriffe von mehreren Seiten und Raketen, die von
Kanonenbooten am Lake Kivu abgefeuert wurden. Die Truppen
der Armee von Zaire gerieten in Panik. Ein anderer Zeuge
berichtet von der Landung schwerer amerikanischer
Frachtflugzeuge in Kigali Nacht für Nacht in den letzten
beiden Wochen des Oktober 1996. Offenbar wurden die
Waffen in das Kriegsgebiet im Osten Zaires geliefert. Viele Quellen weisen auf Elitetruppen der
Vereinigten Staaten von Amerika, darunter Afroamerikaner,
die im Osten Zaires eingesetzt worden sind. Laut der
französischen Tageszeitung Le Monde behaupten
französische Geheimdienstquellen, dass amerikanische
Soldaten heimlich in dieser Region von Zaire begraben
worden sind. 138 Marie Béatrice Umutesi schrieb einen
bewegenden Bericht über ihr Leben als Flüchtling,
zuerst in Ruanda und dann in Zaire, in einem Buch mit dem
vielsagenden Titel Fuir ou mourir au Zaïre (Fliehen
oder in Zaire sterben). Sie zeigt deutlich, dass die
Operation organisiert war und dass die Flüchtlinge
gesetzwidrig zur Rückkehr gezwungen wurden. Gegen Ende
Oktober 1996 waren die Bedingungen im großen
Flüchtlingslager Mugunga unerträglich geworden. Die
Anzahl der Bewohner hatte sich verdreifacht und RPF-Armee
und die mit dieser alliierten zairischen Rebellen
näherten sich bedrohlich dem Lager. Einige Tage vor der Zerstörung des
Lagers Mugunga kam eine amerikanische Militärmission in
das Lager. Über Megaphone forderten sie die Flüchtlinge
auf, ihre Anwesenheit im Lager zu nützen, um nach Ruanda
zurückzukehren. Danach würde es zu spät sein. Nach
dieser Aktion setzte eine massive Rückkehrbewegung der
Flüchtlinge ein. Der einzige nicht blockierte Ausgang
aus dem Lager war der eine nach Ruanda führende ...
Nachdem nur mehr die Alternative geblieben war, entweder
nach Ruanda zurückzukehren oder von den bewaffneten
Rebellen getötet zu werden, die das Lager umstellt
hatten, entschlossen sich viele Menschen zur
Rückkehr. 139 Diese Beobachtungen sprechen Bände. Nicht
weniger aufschlussreich ist die unnachgiebige Haltung der
Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber Bemühungen
Frankreichs und der Europäischen Union, Ende Oktober und
Anfang November 1996 eine multinationale Streitmacht für
Zaire aufzustellen. Vom 4. bis 8. November entsprachen
die Schlagzeilen im Wesentlichen der Schlagzeile in Le
Monde: La France a du mal à convaincre lONU
de lurgence dune intervention au
Zaïre. 140 (Frankreich kann die UNO
nicht überzeugen, dass eine Intervention in Zaire
dringend nötig ist). Die richtige und angemessene
Geschichte will uns den Bären aufbinden, dass im
Gegensatz zu Frankreich der kanadische Premierminister
Jean Chrétien die UNO leicht zu einer Intervention
überzeugen konnte. Das machte er sogar ganz locker von
einem Erholungsaufenthalt in seinem Haus am Harrington
Lake aus. Wer das glaubt wird selig! Wenn es Jean Chrétien so leicht gelang,
die UNO zu mobilisieren, dann einfach deshalb, weil
Washington das von ihm wollte, um Frankreich
auszumanövrieren. Natürlich machte der kanadische
Premierminister mit. Eine Sendung des kanadischen
Rundfunks CBC am 18. November 1997 kommt genau zum selben
Punkt: die Operation war von Washington so inszeniert,
dass der Eindruck entstand, es handle sich um eine
Initiative Kanadas. Zu sagen, er konnte erfolgreich
die UNO mobilisieren ist eine krasse Übertreibung.
Erfolgreich vernichtete er allerdings die Hoffnungen, die
in eine wirkliche internationale Intervention gesetzt
worden waren zu einem Zeitpunkt, da diese für den
Ausgang der Flüchtlingskrise ausschlaggebend gewesen
wäre. Aus dem selben Grund wurden Raymond
Chrétien zum Sondergesandten des UNO-Generalsekretärs
und Maurice Baril zum Kommandanten der tot geborenen
multinationalen Truppe. Dieser Hintergrund hilft uns
auch, ihr Verhalten zu begreifen. Jean Chrétien, Raymond
Chrétien und Maurice Baril waren wenig mehr als
Handlanger in einer groß angelegten Initiative der
Vereinigten Staaten von Amerika, die die Entmachtung
Mobutus in Zaire und die Verdrängung Frankreichs als
dominierende Macht in diesem Land zum Ziel hatte.
Darüber hinaus wurde Maurice Baril für geleistete
Dienste genauer gesagt für nicht geleistete
Dienste einige Monate später zum Generalstabschef
der kanadischen Armee befördert und 2003 zum
UNO-Gesandten für Kongo bestellt. Gegen Ende Oktober 1996 forderten Emma
Bonino, EU-Kommissarin für Menschenrechte und Aldo
Ajello, EU-Sonderbotschafter in der Region der Großen
Seen in Afrika verzweifelt die Einrichtung einer
multinationalen Eingreiftruppe unter Führung
Frankreichs, Belgiens und Südafrikas. Jeder ihrer Rufe
wurde von den Vereinigten Staaten von Amerika schroff
zurückgewiesen. Ich sehe keinen Nutzen in einer
militärischen Intervention in Zaire, reagierte der
Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika in Ruanda
Robert Gribbin. 141 Raymond Chrétien bestätigt, dass er zum
UNO-Sonderbotschafter ernannt wurde, um die Vereinigten
Staaten von Amerika zufrieden zu stellen. Als
Boutros Boutros-Ghali mich bestellte, wollte er jemanden
haben, der mit der Amerikanern arbeiten konnte.
Raymond Chrétien fügte hinzu, dass er darauf
bestand, dass alle anderen internationalen Vertreter
abgezogen werden sollten. Ich wollte nicht, dass Frau
Emma Bonino oder sonst jemand dort herumgeschaftelte,
während ich mein Mandat ausübte. 142
Anders gesagt wollte Raymond Chrétien nicht, dass
irgendwelche anderen offiziellen Vertreter wie etwa die
der EU den Eindruck erweckten, sie hätten bei der
Lösung des Problems mitzureden. Frankreich war auf diese
Weise wirkungsvoll kaltgestellt worden, da seine Stimme
durch die Europäische Union gehört worden wäre. Genau die gleiche Rolle spielte Maurice
Baril als Kommandant der tot geborenen Streitmacht. So
beschreibt die Québecer Tageszeitung Le Soleil
den Handel, welcher der Ernennung Barils zum Kommandanten
vorausgegangen ist. Vertreter von Regierung und
Armee der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanadas
trafen sich im Weißen Haus, um die internationale Truppe
zu diskutieren, aber Washington hatte noch immer Bedenken
hinsichtlich des Oberbefehls der Truppe und hatte
keinerlei Absicht, dessen Bestellung den Vereinten
Nationen zu überlassen. Das Prinzip eines kanadischen
Oberbefehls entsprach den amerikanischen Wünschen, dass
Frankreich nur eine Nebenrolle in der einzurichtenden
internationalen Streitmacht spielen würde. 143
Der ehemalige Premierminister von Zaire
Kengo weist darauf hin, das die Resolution des
UN-Sicherheitsrats vom 14. November 1996 die Entsendung
einer multinationalen Streitmacht forderte, um den
Flüchtlingen zu ermöglichen, friedlich, sicher
und in Würde in ihr Land zurückkehren zu können.
Diese Streitmacht bestand hauptsächlich aus
amerikanischen, kanadischen und britischen Truppen und
einem kleinen französischen Kontingent. Paul
Kagame wollte allerdings nie, dass die Flüchtlinge
friedlich, sicher und in Würde nach Ruanda
zurückkehrten, insistiert Kengo. Er wollte,
dass sie nach Ruanda als Nachzügler zurückkehrten,
einer nach dem andern, abhängig von seiner Gnade. Die
internationale Staatengemeinschaft ließ ihn tun, was er
wollte. Der friedliche und sichere Korridor wurde
nie eingerichtet, und es ist auch leicht zu verstehen,
warum nicht. Wenn die Flüchtlinge sicher,
friedlich und in Würde zurückgekommen wären,
wären sie in der Lage gewesen, die Rückgabe ihres
Besitzes zu verlangen, aber vor allem hätten sie freie
demokratische Wahlen fordern können. Sie wären auch in
einer Position gewesen, einen Sitz an einem
internationalen Verhandlungstisch zu verlangen, der eine
nationale Versöhnung in Ruanda nach sechs Jahren Krieg
zustande bringen hätte sollen. Das hätte auch zum
zweiten Punkt von Raymond Chrétiens UNO-Mandat gepasst,
dem Auftrag, eine internationale Konferenz zu
organisieren. Demokratische Wahlen eine Stimme
pro Bürger hätten das RPF-Regime und Paul Kagame
nicht überlebt. Vom ersten Augenblick an, als die RPF am
1. Oktober 1990 in Ruanda einmarschierte, wusste jeder,
dass die RPF, die zu über 90 % aus Tutsis bestand,
niemals Wahlen in Ruanda gewinnen würde, wo die Tutsis
nur 15 % der Bevölkerung ausmachten. Außerdem hätte
nationale Versöhnung auch das Ende der Jagd auf
Genozidäre in Zaire bedeutet und dadurch den
wichtigsten Vorwand für die Rechtfertigung der
militärischen Interventionen in Zaire durch die Armeen
Ugandas, Burundis und Ruandas mit Unterstützung der
Vereinigten Staaten von Amerika zunichte gemacht. Wie könnte aber die Politik, die Jean
Daniel im November 1996 so klar und zynisch dargelegt
worden war Frankreich ist auf dem falschen
Dampfer, keine Frage, ob Mobutu bleibt, der starke Mann
sitzt in Uganda, nicht in Kinshasa weiter
betrieben werden, wenn Paul Kagame abgewählt würde und
es keine Genozidäre mehr gäbe, denen man
die Armeen hinterher schicken kann. Der ehemalige Premierminister Kengo
untertrieb, als er sagte Paul Kagame wollte nie,
dass die Flüchtlinge friedlich, sicher und in Würde
nach Ruanda zurückkehrten, und die internationale
Staatengemeinschaft ließ ihn tun, was er wollte.
Wäre nicht richtiger zu sagen: als selbsternannte
Führer der internationalen Staatengemeinschaft wiesen
die Vereinigten Staaten von Amerika mit der
Unterstützung durch Kanada und das Vereinigte
Königreich Paul Kagame an, in Zaire einzumarschieren,
die Flüchtlingslager anzugreifen und zu bombardieren und
einige Flüchtlinge zur Rückkehr nach Ruanda zwingen?
Paul Kagame gehorchte natürlich bereitwillig. Es soll
noch einmal daran erinnert werden, dass die Vereinigten
Staaten von Amerika, Kanada und das Vereinigte
Königreich 90% der 10.000 Soldaten der berüchtigten tot
geborenen multinationalen Truppe hätten stellen sollen,
die die Macht gehabt hätte, die Leben hunderttausender
ruandischer Flüchtlinge und Menschen im Kongo zu retten.
Zu oft treten in größeren humanitären
Krisen sogenannte Menschenrechtsexperten auf, die aus
schwer verständlichen Gründen alles in ihrer Macht
stehende unternehmen, um dafür zu sorgen, dass die
größtmögliche Anzahl von Menschen um ihr Leben
gebracht wird. Der allgegenwärtige belgische Senator
Alain Destexhe, ein ehemaliger Generalsekretär von
Ärzte ohne Grenzen, ist ein perfektes Beispiel. Destexhe
kämpfte hart gegen den Einsatz einer multinationalen
Truppe im Osten Zaires. Die Wortwahl in seinem Artikel
vom 14. November 1994 ist umwerfend, überhaupt wo sie
von einem Arzt und einer Organisation kommt, deren
Gründer Bernard Kouchner schon bald den Nobelpreis
bekommen sollte. Der humanitäre Destexhe schrieb in Le
Monde, dass die Flüchtlinge nie nach Ruanda
zurückkehren würden, es sei denn sie werden
gezwungen oder durch Hunger getrieben. Seine
Forderung nach zwangsweiser Rückkehr untermauerte er mit
manchmal ist eine schmerzhafte politische Lösung
einer Politik des Mitgefühls vorzuziehen. Philip Gourevitch, der ebenfalls die
schmerzhafte politische Lösung vorzog,
schaffte es, die Bombardierung der Flüchtlingslager und
die zwangsweise Rückkehr als humanitäre
Militäroperation hinzustellen, da die Flüchtlinge
seiner Meinung nach im Grunde genommen
Genozidäre seien. Er beschreibt das Leben im
Flüchtlingslager als eine Art Paradies in Afrika und
spielt die Tragödie der Flüchtlinge herunter, von denen
die meisten jetzt wahrscheinlich tot sind: Leben in
einem Flüchtlingslager war kein schlechtes
wirtschaftliches Angebot für einen Ruander (...) Nahrung
war nicht nur gratis, sondern auch reichlich; die Quoten
für Unterernährung in den Lagern waren viel niedriger
als irgendwo sonst in der Region, in der Tat gleich
niedrig wie in Westeuropa. Die medizinische Versorgung
entsprach auch dem Stand in Zentralafrika (...) Die
Geburtenrate erreichte fast die Grenze des menschlich
möglichen. 144 Kurz gesagt, sie
vermehrten sich wie Kaninchen! Die Dämonisierung der Hutu-Flüchtlinge
spielte die zentrale Rolle in dem Plan der Vereinigten
Staaten von Amerika, Mobutu die Macht in Kinshasa zu
entreißen. Am 5. Mai 1998 veranstaltete in Washington
das Congress-Komitee für internationale Beziehungen
Hearings, um herauszufinden, warum die Clinton-Regierung
so wenig unternommen hatte, um die Massaker 1994 in
Ruanda und später im Kongo zu verhindern. Weder
Außenministerium noch Kriegsministerium erschienen zu
den Anhörungen, obwohl sie formell geladen worden waren.
Nur der Stabschef von USAID Richard McCall sagte aus. Als
er gefragt wurde, warum die Vereinigten Staaten von
Amerika nicht auf Verhandlungen zwischen Hutu-Rebellen
und Paul Kagames Regierung in Kigali gedrängt hatten,
antwortete McCall ärgerlich: Das sind keine
´Rebellen´ ... das sind Genozidäre. Mit denen zu
verhandeln wäre total widerwärtig. Ich würde in die
Luft gehen, wenn mir jemand einen solchen Vorschlag
machte. 145 Von 1995 an, erinnert sich der ehemalige
Premierminister Kengo Wa Dondo, erhielt die Regierung von
Zaire Botschaften aus Washington, in denen gefordert
wurde, Mobutu solle seinen Rücktritt ankündigen.
Diese Botschaften lauteten im Wesentlichen etwa so:
Wenn Präsident Mobutu selbst seinen Rücktritt
ankündigt, versprachen die Vereinigten Staaten von
Amerika ihm alle Ehren, die einem Ex-Staatsoberhaupt
zustehen. Wenn nicht, würde seine Leiche durch die
Straßen Kinshasas geschliffen. Als im April 1997
offenkundig wurde, dass Mobutu sich dem Ultimatum aus
Washington nicht beugen würde, schrieb Präsident
Clinton selbst an Mobutu und drohte, die
Rebellen unter der Führung von
Laurent-Désiré Kabila und die Ruander die Macht in
Kinshasa übernehmen zu lassen. Mobutu weigerte sich noch
immer zu gehorchen und wurde entsprechend dem Plan am 17.
Mai 1997 entfernt. 146 Der zweite Teil des zynischen Plans, den
der Staatssekretär Kornblum Jean Daniel im November 1996
enthüllt hatte, war die Entfernung von Boutros
Boutros-Ghali aus dem Amt des UNO-Generalsekretärs. Am
19. November 1996, während die Flüchtlingskrise tobte,
legte in New York die Botschafterin der Vereinigten
Staaten von Amerika bei den Vereinten Nationen Madeleine
Albright ihr Veto ein gegen die Wiederbestellung von
Boutros-Ghali, des Mannes, den sie gerne als
Frenchie bezeichnete. 147 So
beschrieb der ehemalige UNO-Generalsekretär das
Verhalten der Vereinigten Staaten von Amerika: Sie
wollten keinen, der ihre Entscheidungen in Frage stellte.
Sie wollten alles, und das möglichst sofort! Sie wissen,
wenn Leute Macht haben ... Ich habe mein Leben lang mit
absoluten Herrschern gearbeitet. Diese können keine
Diskussion akzeptieren, sie ertragen nicht einmal den
leisesten Hauch von Widerspruch. Ich will das! Und das
ist alles. Was? Du willst darüber diskutieren? Ich bin
der Gott der Götter und ich will haben was ich will. Und
du sagst, du möchtest noch eine Weile darüber
nachdenken? 148 Washington bot Boutros Boutros-Ghali die
selben Ehren an, die es Mobutu angeboten hatte. Er würde
von Präsident Clinton im Weißen Haus empfangen werden,
Ehrendoktorate von amerikanischen Universitäten
verliehen bekommen und noch mehr, er müsse aber
freiwillig zurücktreten. Boutros-Ghali erwiderte darauf,
er nehme keine Trinkgelder.
Unter Präsident Juvénal Habyarimana
hatte das Vereinigte Königreich keine diplomatische
Vertretung in Kigali. Im Jahr 2002 war Londons
Botschafter in Ruanda der wichtigste Diplomat im Land
laut dem ehemaligen ruandischen Premierminister und
Präsidentschaftskandidaten 2003 Twagiramungu. Raymond Chrétien kehrte zwanzig Jahre
nach seinem Einsatz als kanadischer Botschafter in der
Region als UNO-Sonderbotschafter zurück nach Ruanda. Er
bemerkte, eine der wichtigsten Änderungen in Kigali sei
gewesen, dass Französisch von Englisch abgelöst worden
war und seine Verhandlungen mit der ruandischen Regierung
in englischer Sprache geführt wurden. Bereits im Januar
1996 hatte Ruanda Englisch als Amtssprache gemeinsam mit
Kinyarwanda und Französisch eingeführt. Daran kann man
auch erkennen, wem die neue Regierung gefallen
wollte. Vor, während und nach der Tragödie in
Ruanda 1994 und deren Fortsetzung im Kongo verkündeten
die Medien in den englischsprachigen Ländern lautstark
die Schuld Frankreichs und stellten eine unheimliche
French Connection her, in dem sie in
unehrlicher Weise grausige Bilder verwendeten,
sensationsträchtige Schlagzeilen in Verbindung mit
Anspielungen und direkten Beschuldigungen. Mit seinen
imperialistischen Motiven, geheimen Aktionen und
grundsätzlich faschistischen Zielen wurde Frankreich zum
Aufseher eines genozidalen Staates gemacht. Am
schlimmsten war, dass Frankreich weiterhin die
bilateralen Verträge einhielt, die es mit Ruanda
abgeschlossen hatte. Im Namen der edlen und gerechten
Werte wie Menschenrechte und Antikolonialismus musste
alles unternommen werden, um Frankreich aus Ruanda, und
weil´s in einem ging, aus Zentralafrika
hinauszubekommen. Gewisse NGOs mit bereits bekannter
zweifelhafter Überparteilichkeit mischten sich in das
Getümmel und ließen ihre eigenen Attacken gegen das
mörderische Frankreich vom Stapel. Wenn französische
Regierungsvertreter oder Journalisten es je wagten,
öffentlich über die Existenz einer aus dem englischen
Sprachraum gesteuerten Verschwörung und einer durch
Tutsi-Rebellen ausgeführten Offensive zu sprechen,
wurden sie lächerlich gemacht. Es war, als wäre
Frankreich das einzige Land, das ein angestammtes
Interesse an diesem Teil der Erde hatte, der angeblich
für niemanden sonst interessant war. Die ganze Zeit über, da Frankreich ein
schlechtes Image verpasst bekam, war es kein Geheimnis,
dass die Vereinigten Staaten von Amerika nach dem
Niedergang der Sowjetunion eine größere Offensive im
französisch sprechenden Teil Afrikas durchführten.
Offizielle Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika
hielten damit auch nicht hinter dem Berg. Im März 1993
erklärte der Unterstaatssekretär im Außenministerium
im Senat, dass wir dafür sorgen müssen, dass wir
Zugang zu den gewaltigen natürlichen Ressourcen in
Afrika haben, einem Kontinent, der über 78% der
Chromreserven, 89% der Platinreserven und 59% der
Kobaltreserven der Erde verfügt. 149
Nach dem afro-amerikanischen Gipfel in Dakar im Mai 1995
äußerte Handelsminister Ron Brown folgende Kampfansage:
Amerika wird Afrikas traditionelle Partner
herausfordern, beginnend mit Frankreich. Wir werden
Afrika nicht länger den Europäern überlassen. 150
Und als Außenminister Warren Christopher Afrika im
Oktober 1996 besuchte, stellte er die politischen Ziele
der Vereinigten Staaten von Amerika in Afrika klar:
Die Zeit ist vorbei, in der Afrika in
Einflusssphären aufgeteilt werden konnte, in der fremde
Mächte ganze Gruppen von Ländern als für sich
reserviert betrachten konnten. Heute braucht Afrika die
Hilfe aller seiner Freunde an Stelle der exklusiven
Bevormundung durch einige
wenige. Auch für eine Großmacht, und sei es die
größte und einflussreichste auf der Welt, ist es kein
kleines Unterfangen, ein anderes Land dazu zu bringen,
langjährige Verbindungen zu anderen abzubrechen, eine
fast ein Jahrhundert lang gebrauchte Amtssprache
auszuwechseln, administrative, schulische und
militärische Strukturen, die seit der Unabhängigkeit
oder bereits davor entwickelt worden sind abzuschaffen
und damit zu beginnen, Geschäfte ganz anders zu
betreiben. In der Tat ist das eine große und schwere
Erschütterung, die sich auf alle Bereiche eines Landes
auswirkt, auf die Nachbarländer und ganze Gruppen von
Ländern. Eine derartige Erschütterung planten die
Vereinigten Staaten von Amerika und kündigten sie an
für Afrika. Die Warnung richtete sich auch an alle
französisch sprechenden Länder, die Mitglieder einer
Organisation waren, die aufgrund der Vision des
herausragenden afrikanischen Dichters und politischen
Führers Léopold Sédar Senghor gegründet worden
war. Die Offensive der Vereinigten Staaten von
Amerika gegen Frankreich in Afrika erklärt, warum eine
ungewöhnlich große Anzahl von Kanadiern in wichtige
Positionen in der zentralafrikanischen Krise berufen
worden sind. Roméo Dallaire, Maurice Baril, Louise
Arbour und Raymond Chrétien sind die bekanntesten.
Selten haben wir so viele in einer schweren
internationalen Krise gesehen. Viele kanadische
Nationalisten begründen das gerne damit, dass Kanada
keine koloniale Vergangenheit hat, mit Kanadas Erfahrung
in friedenserhaltenden Einsätzen oder seiner
gewichtigeren internationalen Rolle. Alle drei
Begründungen sind an den Haaren herbeigezogen. Das Image eines unschuldigen, von keiner
kolonialen Vergangenheit befleckten Kanada sollte
abgesehen davon, dass es unrichtig und überholt ist, in
die Märchenbücher verbannt sein spätestens nach dem,
was sich die kanadische Armee 1992 und 1993 in Somalia
geleistet hat. Was Friedenserhaltung betrifft, waren
außer Roméo Dallaire und Brent Beardsley keine
kanadischen Soldaten vor August 1994 in Ruanda, da Kanada
keine Truppen dorthin senden wollte. Diejenigen, die die
Idee von Kanadas gewichtigerer internationaler Rolle zu
vertreten versuchen, müssen spätestens seit dem 11.
September 2002 und den Possen des George W. Bush vor der
Türe bleiben. Die Vereinigten Staaten von Amerika, deren
Bürger merkwürdigerweise darauf stolz sind, nur eine
Sprache zu sprechen, benötigten dringend ein loyales
französisch sprechendes Land. In den 1960ern verfasste
James Minnifie eine scharfe Attacke gegen Kanada und
dessen Rolle als Fassade für das amerikanische Imperium
in seinem Buch Peacekeeper or Powdermonkey
(Friedenserhalter oder Puderaffe). Man füge noch ein
französisch sprechendes Furnier und ein tief liegendes
Misstrauen gegenüber Frankreich hinzu, und Washington
hatte genau den Wolf im Schafspelz, den es brauchte. Obwohl das Misstrauen gegen Frankreich im
englisch sprechenden Kanada fast 250 Jahre zurück
reicht, erreichte es neue Höhen unter der Regierung von
Pierre Trudeau, besonders als die
Unabhängigkeitsbewegung in Québec stärker wurde.
Misstrauen gegen Frankreich wurde tatsächlich zu einem
integralen Bestandteil von Kanadas Außenpolitik. Auf der
anderen Seite wissen Quebecer, die sich für ein starkes
französisch sprechendes Québec einsetzen, dass ihre
Zukunft unmittelbar mit dem internationalen Prestige von
Frankreich und der französisch sprechenden Welt
verbunden ist. Solide und vertrauensvolle Beziehungen mit
Frankreich sind daher von entscheidender Bedeutung.
Der Francophonie-Gipfel, den der
Präsident von Senegal Senghor in den früher 1960er
Jahren vorhergesehen hatte, wurde erst 1986 aufgrund
Ottawas hintergründiger Bedenken hinsichtlich der Motive
Frankreichs realisiert. Die Politiker in Ottawa sahen
Frankreich als feindliches und spalterisches Imperium,
das in Québec am Werk war. Die kanadische Regierung
ihrerseits behandelt Québec nicht viel anders als eine
große Stadtverwaltung. Eine ganze Generation von
Kanadiern, besonders in den Streitkräften, im
Außenministerium und im Justizapparat sind dahingehend
erzogen und ausgebildet worden, dass sie allem
misstrauen, was französisch ist. Um höhere Positionen
in den genannten Bereichen zu erreichen, wird von
Frankophonen erwartet, sich genau an die Linie zu halten,
nicht einmal, nicht zweimal, sondern ständig, wobei
Abweichungen sofort mit Verdächtigungen besonders
seitens der Medien geahndet werden. Louise Arbour, Raymond Chrétien, Maurice
Baril und Roméo Dallaire sind allesamt Produkte dieser
kanadischen Institutionen. Während sie ihre jeweiligen
Mandate ausübten, hat jeder erfolgreich Frankreich
provoziert, abgeblockt oder kaltgestellt. Jedes Mal, wenn
Frankreich eine Lösung für die Krise in Ruanda und die
Fortsetzung in Kongo zur Sprache brachte, waren die
Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte
Königreich dagegen. Und jedes Mal stand ein Kanadier in
der vordersten Linie und verrichtete die dreckige Arbeit.
Senghor sah die Gruppe von französisch
sprechenden Ländern als eine Möglichkeit, die
kulturelle und wirtschaftliche Beherrschung durch die
englisch sprechenden Länder hintanzuhalten,
hauptsächlich die Vereinigten Staaten von Amerika, deren
Entwicklung er in den 1960er Jahren vorhersah. Er hätte
sicher gesehen, dass mit jedem Rückschlag, den die
französisch sprechende Welt erleidet, die französisch
sprechenden Menschen auf der ganzen Welt, nicht nur in
Frankreich, Boden verlieren. Ungeachtet des äußeren Scheins und
Kanadas oberflächlicher Zweisprachigkeit, eingeführt um
die Unabhängigkeitsbewegung in Québec im Zaum zu
halten, hat Kanada immer mit Zähnen und Klauen gegen die
französische Sprache sowohl im Land als auch in der
Außenpolitik gekämpft. Wenn daher die Bilanz über die
kanadischen Erfolge bei der Zurückdrängung
der französischen Sprache gezogen wird, müssen auf
jeden Fall die Bemühungen des Landes in Zentralafrika
mit einbezogen werden, die mit dem Krieg in Ruanda Anfang
der 1990er Jahre begonnen haben.
132 Ein sehr gutes Beispiel für die
"richtige und angemessene Geschichte" findet
sich in The Toronto Star, November 15, 1996, p. A24. How
the PM stirred state heads. Middle powers backing
gave him key momentum to persuade US. 133 Libération, March 10, 1997, pp
2 to 6. 134 Interview mit Raymond Chrétien in
Paris, 22. November 2002. 135 Interview mit dem ehemaligen
Premierminister von Zaire, Léon Kengo Wa Dondo, 5.
December 2002. 136 Artikel 33: Verbot von
Ausweisung oder Zurücksendung (refoulement).
(1) Kein Mitgliedsstaat darf einen Flüchtling in welcher
Weise auch immer ausweisen oder an die Grenze von
Territorien zurücksenden (refouler), in
denen sein Leben oder seine Freiheit bedroht sind
aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität,
Mitgliedschaft bei einer besonderen sozialen Gruppe oder
politischen Ansicht. 137 Jean Daniel, Avec le temps. Carnets
1970-1998, Paris Grasset, 1998, p. 578. 138 Die Beteiligung der Vereinigten
Staaten von Amerika an militärischen Operationen im
Osten Zaires im November 1996, die den Beginn eines
anhaltenden mörderischen Krieges darstellen ist
weitgehend dokumentiert. Siehe Jacques Isnard, Des
conseillers américains auraient été tués
aux côtés des rebelles., Le Monde, March 29,
1997; Des conseillers américains ont
aidé à renverser le régime de M. Mobutu, Le
Monde, August 28, 1997. Siehe auch Wayne Madsen, Genocide
and Covert Operations in Africa, 1993-1999, Lewiston,
Edwin Mellen Press, 1999. Madsen weist auch auf den
Einsatz von Agenten der Vereinigten Staaten von Amerika
in Ruanda und im Osten Zaires hin, die auf Propaganda
spezialisiert sind. 139 Marie Béatrice Umutesi, Fuir ou
mourir au Zaïre. Le vécu dune réfugiée
rwandaise, preface by Catherine Newbury, Paris,
LHarmattan, 2000, p. 29. 140 Le Monde, November 8, 1996. 141 Le Monde, November 6, 1996, p. 5. 142 Interview mit Raymond Chrétien. 143 Ottawa maître duvre
au Zaïre, Jean Chrétien fustige
linertie de la communauté internationale,
and Le général Maurice Baril dirigerait une force
humanitaire de 10 000 soldats, with files from
CP, AFP, and AP, Le Soleil, November 13, 1996. 144 Gourevitch, op. cit. p. 269-270. 145 Wayne Madsen, op. cit. p. 221. 146 Interview mit Léon Kengo wa Dondo. 147 Roula MOUAFFAK, Boutros
Boutros-Ghali : itinéraire du
frenchie (Frenchies
plan), Magazine, Beirut, May 1, 1998, in Wayne
Madsen, op. cit., p. 238. 148 Interview mit Boutros Boutros-Ghali. 149 Erklärung vom 29. März 1993, zitiert
in Africa International, No. 299, s. 31. 150 Le Monde, May 9, 1995, p.8. |
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