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Robin Philpot | ||||||||||||||||||||||
Ruanda 1994 - die inszenierte Tragödie | ||||||||||||||||||||||
Kapitel 4: Pfadfinder im
Dienste Ihrer Majestät
Es ist schwer, die ruandische
Tragödie zu verstehen, wenn man nur auf einen kurzen
Aufenthalt im Land und auf Informanten angewiesen ist,
die für spezielle Interessen arbeiten. Georges-Henri Lévesque, 1. Februar 1995 43 Vor Oktober 1990 war keine einzige
Menschenrechtsorganisation in Ruanda. Nach der Invasion
sprossen sie hervor wie die Pilze, sagte Faustin
Twagiramungu, Premierminister von Ruanda 1994 - 1995 und
Präsidentschaftskandidat im Jahr 2003. Was die
internationalen NGOs betraf, hatten wir wirklich keine
Ahnung, was sie eigentlich wollten. Ich traf sie alle,
weil ich eine politische Partei leitete, die in
Opposition zur Regierung Habyarimana stand. 44
Siege können Zungen lösen und Leute
unvorsichtig machen. Wir wissen heute, dass die RPF 36
geheime Zellen in Ruanda betrieb, als sie am 1. Oktober
1990 einmarschierte, und dass diese Zellen in Verbindung
mit Menschenrechtsgruppen arbeiteten. 45 Die
nach 1990 geschaffenen Gruppen wurden finanziell und
politisch von den großen europäischen und
nordamerikanischen Menschenrechtsorganisationen
unterstützt, etwa von Human Rights Watch/Africa in New
York (später Africa Watch), Fédération internationale
des droits de lHomme in Paris, International Centre
for Human Rights and Democratic Development in Montreal
(jetzt Rights and Democracy), African Rights in London,
und verschiedenen anderen. 1990 1994 boten diese
Gruppierungen der einmarschierenden RPF-Invasionsarmee
eine Fassade der
Ehrbarkeit. Der ehemalige Premierminister Faustin
Twagiramungu behauptet, dass die internationalen
Menschenrechtsgruppen bereits außerordentlich einseitig
waren, noch ehe sie in Ruanda eintrafen. Sie alle
standen in enger Verbindung mit der von der RPF
dominierten Tutsi-Diaspora. Gilbert Ngijol ist noch
nachdrücklicher. Der politische Attachee des
Sonderbotschafters des UNO-Generalsekretärs bleibt
dabei, dass finanzielle Unterstützung für die
ruandischen Menschenrechtsgruppen ein Weg war, der
RPF-Armee Mittel zukommen zu lassen. Obwohl viele Menschenrechtserklärungen
und Berichte während des Kriegs herausgegeben worden
sind, sticht eine besondere Kommission hervor aufgrund
ihres verheerenden Einflusses auf den Verlauf des Krieges
und aufgrund ihrer Verlogenheit. Dieser Bericht wurde im
März 1993 von drei der oben genannten
Menschenrechtsgruppen und einer afrikanischen
Organisation herausgebracht. Bereits der Titel dieses
Berichts lässt dessen Einseitigkeit erkennen:
Bericht der Internationalen Untersuchungskommission
über Menschenrechtsverletzungen in Ruanda seit 1.
Oktober 1990. 46 Durch die Einschränkung der Untersuchung
auf Rechtsverletzungen nach dem 1. Oktober 1990 vermied
die Kommission in genehmer Weise, das schwerste
Verbrechen gemäß internationalem Recht zu untersuchen,
nämlich das Verbrechen gegen den Frieden und die
nationale Souveränität, begangen durch die
einmarschierende RPF-Armee. Eine derartige Beliebigkeit
stellt den gesamten Bericht bloß. Man wundert sich, wie
sogenannte internationale Menschenrechtsexperten ihren
Namen für einen derartigen Bericht hergeben konnten,
ohne sich aufgrund ihrer professionellen Reputation
verpflichtet zu fühlen, die naheliegendste Frage zu
stellen: wer hat den Krieg begonnen? Im September 1994 zeigten zwei der
Autoren, William Schabas und André Paradis, in einer
Antwort auf meinen Artikel in der Montrealer Tageszeitung
La Presse, in dem ich den Bericht kritisierte, wie
wertlos die Tätigkeit dieser Kommission war. 47
Dieses Datum wurde gewählt, so schrieben
sie, weil dies das Datum ist, das von den
ruandischen Menschenrechtsorganisationen, welche die
Kommission beauftragt haben, gewählt worden ist. 48
Man weiß jetzt, dass die Gruppen, die
für diese Kommission zuständig waren, entweder direkt
von der RPF gegründet oder von dieser infiltriert waren.
Ein wichtiger Auftraggeber, die Association rwandaise
pour la défense des droits de lHomme, wurde
ausgerechnet am 30. September 1990 gegründet, dem Tag
vor der Invasion Ruandas durch die RPF. Ihr
Gründungsvorsitzender war Alphonse-Marie Nkubito,
welcher der Kommission während ihres Besuchs in Ruanda
1993 zugeteilt war. Nkubito wurde Justizminister in der
Regierung, die unmittelbar nach dem Sieg der RPF im Juli
1994 bestellt wurde. Es besteht kein Zweifel daran, dass
die RPF, Aggressor in einem mörderischen Krieg in
Ruanda, die treibende Kraft hinter der Kommission
bildete. Selbst wenn die geheimen Verbindungen
zwischen der Kommission und der RPF außer Acht gelassen
werden, stinkt der Bericht nach betrügerischer
Absprache, da er kaum von der RPF begangene Verbrechen
erwähnt. Obwohl die Ermittler der Kommission zwei Wochen
in Ruanda verbrachten, waren sie nur zwei Stunden lang im
von der RPF besetzten Territorium. William Schabas
schrieb in einem wichtigtuerischen Artikel, dass die
Kommission nur deswegen dorthin ging, um unsere
Unparteilichkeit zu demonstrieren. 49
Während die Regierung Habyarimana der Kommission
völlige Bewegungsfreiheit bei ihren Untersuchungen gab,
gestattete die RPF Mitgliedern der Kommission die
Befragung von Zeugen nur im Beisein von bewaffneten
Offizieren und Soldaten der RPF. Aufgrund dieser
Einschränkungen und der kurzen Zeit, die für die
Untersuchung von Rechtsverletzungen durch die RPF zur
Verfügung stand, hätte die Kommission sich weigern
müssen, den Bericht zu veröffentlichen, ehe sie die von
der RPF kontrollierten Gebiete gleich lange und unter den
gleichen Bedingungen untersuchen hätte können wie das
von der Regierung kontrollierte Territorium. Die
Kommission zog es jedoch vor, eine selektive,
eingeschränkte und einseitige Untersuchung abzusegnen,
die schon an sich ungerecht war. Dieser Bericht ist ein Schwindel aufgrund
des gewählten Zeitraums. Er ist ein Schwindel aufgrund
des betrügerischen Einverständnisses zwischen
Kommission und RPF. Er ist auch ein Schwindel aufgrund
der selbst gesetzten Grenzen für den Aufgabenbereich der
Kommission. Schabas und Paradis behaupteten, dass ihre
Kommission in der Tat nicht auf die Identität des
Aggressors eingegangen ist, da sich das Internationale
Recht mit dieser Frage nicht befasst. 50
Juristische Haarspalter mögen sich daran erfreuen, am
Internationalen Recht herumzudeuteln, aber der gesunde
Menschenverstand legt nahe, das schwerste aller
Verbrechen zu untersuchen, wenn das Leben von Millionen
Menschen auf dem Spiel steht. Obwohl die Autoren behaupten, gelernte
Juristen zu sein, die in der Tradition von Nürnberg
stehen, haben sie sich darauf eingelassen, den Bereich
ihrer Tätigkeit in einer Weise einzuengen, die sich
niemand beim ersten internationalen
Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg 1945 hätte träumen
lassen. Das Nürnberger Tribunal behandelte als erstes
und am vordringlichsten das schwerste Verbrechen
das Verbrechen gegen den Frieden: die Planung,
Vorbereitung, Entfesselung und Durchführung eines
Aggressionskrieges. Erst danach untersuchte es, wie der
Krieg geführt wurde. Schabas und Paradis irren sich auch
hinsichtlich der Beziehung zwischen dem Recht auf
Selbstbestimmung und anderen Menschenrechten. Die
Weltkonferenz der Vereinten Nationen im Juni 1993 in Wien
bestätigte wieder den Geist von Nürnberg. Die Wiener
Deklaration und das Aktionsprogramm legen fest, dass die
Verweigerung des Rechts auf Selbstbestimmung eine
Verletzung der Menschenrechte darstellt. Den Menschen
steht das Recht zu, sich selbst gegen alle Formen fremder
Herrschaft und Okkupation zur Wehr zu setzen. Die
Menschenrechte sind weder beschränkt auf zivile und
politische, noch auf wirtschaftliche und soziale Rechte
getrennt voneinander. Sie beinhalten das volle Recht auf
Selbstbestimmung, nationale Souveränität und
Unabhängigkeit, welches das Recht einschließt, nicht
zum Ziel fremder Aggression zu werden wie Ruanda im
Oktober 1990. 51 Um die Schwere des Verbrechens zu
ermessen, das die Kommission einfach ignoriert hat, ist
es besonders aufschlussreich, sich den Richterspruch in
Nürnberg anzusehen. Richter Norman Birkett vom
Nürnberger Tribunal schrieb: Die
Beschuldigungen in der Anklage, dass die Angeklagten
aggressive Kriege geplant und durchgeführt haben, sind
die Anschuldigungen von größtem Gewicht. (...) Einen
Aggressionskrieg zu beginnen ist daher nicht nur ein
internationales Verbrechen; es ist das schwerste
internationale Verbrechen, das sich von den anderen
Kriegsverbrechen darin unterscheidet, dass es alles Übel
des Ganzen in sich beinhaltet. Die Kommission lag auch darin falsch, dass
sie die Afrikanische Charta der Menschen- und
Völkerrechte ignorierte, die die Unterzeichnerstaaten
verpflichtet, die nationale Souveränität anderer
Unterzeichnerstaaten zu schützen, und die verbietet, das
Territorium eines Landes durch subversive Elemente oder
Flüchtlinge zu benützen, um in ein anderes Land
einzumarschieren. Die Mitglieder der Afrikanischen Charta
müssen verhindern, dass subversive oder terroristische
Aktivitäten von ihrem Gebiet aus gestartet werden.
Bereits durch ihren Namen proklamiert die Afrikanische
Charta der Menschen- und Völkerrechte, dass individuelle
und kollektive Rechte untrennbar verbunden sind und
lässt die Bedenken derer erkennen, welche die Charta
entworfen haben, wie zum Beispiel Léopold Sédar
Senghor, um den Frieden zwischen den Ländern Afrikas zu
erhalten, deren Grenzen von den europäischen
Kolonialisten festgelegt worden waren. Hätte sich die
Kommission an die Afrikanische Charta gehalten, wäre sie
nicht umhin gekommen, die Invasion Ruandas durch Truppen
aus Uganda im Oktober 1990 zu untersuchen. Die Kommission hätte ihren Bericht mit
einer formellen Erklärung betreffend dessen zahlreiche
und ernsthafte Unzulänglichkeiten herausgeben können.
Sie beschloss allerdings im Gegenteil, den Bericht in
einer groß aufgezogenen Medien- und Werbekampagne zu
veröffentlichen, in der Bandbreite, Glaubwürdigkeit und
Ansehen der Kommission und ihrer Mitglieder gerühmt
wurden. Eine Lobbying-Kampagne folgte. Alle
ausländischen Botschaften und Ministerien wurden
aufgerufen, ebenso die größeren europäischen und
nordamerikanischen Geberorganisationen. Die
internationale Reaktion war rasch und verheerend. Belgien
rief seinen Botschafter aus Kigali zurück. Innerhalb von
Monaten stellte Kanada unter Berufung auf den Bericht 20
Millionen Dollar Unterstützung an die ruandische
Nationaluniversität in Butare ein. Der Bericht wurde zum
Vorwand für ein Waffenembargo gegen Ruanda, während die
RPF-Invasorenarmee keine Probleme hatte, alle
erforderlichen Waffen zu bekommen. Ab März 1993 bildete
der Bericht der Kommission den Hintergrund aller
internationalen Konferenzen, die direkt oder indirekt mit
der Regierung Habyarimana zu tun hatten. Das geheime Einverständnis zwischen
Mitgliedern der Kommission und RPF steht eindeutig fest.
Wie im vorhergehenden Kapitel behandelt wurde, benutzte
die RPF die Enthüllungen der Kommission, um
ihre größere Strafaktion im Norden Ruandas
im Februar 1993 zu rechtfertigen. Ein RPF-Anführer hatte
bereits am 26. Dezember 1992 in einem Brief an die
pro-RPF-Zeitung Isibo angekündigt, die
Invasionsarmee werde auf das Erscheinen des Berichts
warten, bevor sie weiter vormarschiere und den
Waffenstillstand breche, der seit Juli 1992 gehalten
habe. 52 Die Ergebnisse des Berichts waren
für die RPF offensichtlich eine ausgemachte
Sache.
Abgesehen von den Unzulänglichkeiten des
Berichts und der inakzeptablen Beziehung zwischen der RPF
und Mitgliedern der Kommission hinterlässt die ganze
Sache einen schlechten Geschmack. Sie stinkt nach
Kolonialismus. Eine Kommission, zusammengesetzt
hauptsächlich aus Amerikanern, Kanadiern und Franzosen
verbringt zwei Wochen in einem afrikanischen Land und
gibt einen Monat später einen Bericht heraus, der zum
Evangelium der westlichen Außenpolitik wird. Sechs von
zehn Mitgliedern dieser Kommission gaben zu, dass sie vor
ihrem Aufenthalt in diesem Land im Januar 1993 keine
Ahnung von Ruanda hatten. Keiner sprach die nationale
Sprache Ruandas. In jeder anderen Situation würde von
Kandidaten für eine dermaßen maßgebliche Kommission,
die weder über Erfahrung noch Wissen über das Land
verfügen, das sie untersuchen sollen erwartet, dass sie
ihre Teilnahme ablehnen, um sich nicht der Missbilligung
ihrer Kollegen und der Öffentlichkeit auszusetzen. Die
Mitglieder dieser Kommission hatten derlei Skrupel nicht.
Vielleicht, weil es um entlegene Gebiete in Afrika ging?
Einige taten sogar groß mit ihrem Unwissen über
Zentralafrika, indem sie sagten, sie hätten Ruanda auf
der Karte suchen müssen, bevor sie ins Flugzeug stiegen.
Wie noch zu behandeln sein wird, zog die Gewohnheit, sich
vor dem Aufbruch zu einer Mission in diesen Kontinent
kaum vorhandener Kenntnisse über Afrika zu brüsten,
sich paradoxerweise als Konstante Jahrhunderte lang durch
die populäre Literatur. Auf diese Weise wird der Abgrund
hervorgehoben, der Europa von Afrika trennt. Für gewisse Mitglieder der Kommission
scheint diese Mission ein Jux gewesen zu sein. Zum
Beispiel beschrieb sich William Schabas in einer
makaberen Schilderung einer Graböffnungsszene in
Nordruanda als Humphrey Bogart, alias Bill,
offensichtlich ein Hinweis auf den Abenteurer, den Bogart
1951 in dem Film The African Queen gespielt hat. Man stelle sich das Aufjaulen vor, wenn
eine internationale Kommission afrikanischer Juristen,
die noch nie in Kanada waren und weder Englisch noch
Französisch sprächen, die Lebensbedingungen von
Ureinwohnern Kanadas untersuchen wollte. Oder wenn diese
Kommission in die Vereinigten Staaten von Amerika käme,
um die Verhältnisse von Afroamerikanern in den
Gefängnissen oder die Behandlung von Muslims in diesem
Staat seit dem 11. September 2001 zu untersuchen. Man
kann davon ausgehen, dass dieser Kommission nicht einmal
gestattet würde, den Flughafen in Afrika zu verlassen. Der Bericht dieser Kommission über die
Menschenrechtssituation in Ruanda wurde zum Grundpfeiler,
auf dem die richtige und angemessene
Geschichte errichtet wurde. Jedes Buch über Ruanda
bezieht sich darauf. Jeder Film und Fernsehreport zitiert
ihn, um die genozidalen Absichten der Hutus in Ruanda zu
beweisen. Die Mitglieder der Kommission wurden zur
wichtigsten Informationsquelle in ihren jeweiligen
Ländern, gefragt von den Medien und Außenministerien.
Reporter brauchten keine Ruander mehr, um zu erklären,
was in ihrem Land vor sich ging. Die neuen einheimischen
Experten mit zweiwöchiger Erfahrung konnten jetzt alles
einfach erklären ... und vereinfachend. Einige der Autoren dieses Berichts ließen
sofort nach der Ermordung von Präsident Habyarimana und
besonders nach der Machtübernahme durch die RPF im Juli
1994 jegliche Zurückhaltung und Versuche, neutral zu
erscheinen fallen. Eine seriöse Kommission sollte von
ihren Mitgliedern eine gewisse Zurückhaltung oder
Neutralität ungeachtet des Kriegsausgangs verlangt
haben. Ein Mitglied der Kommission, Jean Carbonare,
begann bereits im Juli 1994 direkt für die RPF zu
arbeiten. William Schabas reiste zwischen Kanada und
Kigali hin und her und arbeitete mehr oder weniger als
RPF-Presseagent. Er trieb beachtliche kanadischen
Entwicklungshilfegelder für die RPF auf und rühmte sich
immer wieder, der Verfasser der Genozid-Gesetze dieses
Landes zu sein. Ruanda wurde zu einem Trittbrett für
seine internationale Karriere. Alison Des Forges hat sich als oberste
Expertin in allen größeren Verfahren in Arusha
präsentiert, welche die Ruander besser versteht als
diese sich selbst. Alison Des Forges führt sich
auf, als wäre sie Ruandas Honorarkonsul, ärgerte
sich der ehemalige Premierminister Faustin Twagiramungu.
Als ich sie 1992 das erste Mal traf, war es
offensichtlich, dass sie sehr wenig über Ruanda wusste,
obwohl sie ihre Diplomarbeit über Ruanda geschrieben
hatte. Anhänger der richtigen und
angemessenen Geschichte heben Frau Des Forges
gewaltiges Wissen hervor und ihre selbstlose Aufopferung.
Sie vergessen geflissentlich zu erwähnen, dass sie 1990
und 1992 beim Außenministerium der Vereinigten Staaten
von Amerika angestellt war und dass sie die 1990er Jahre
hindurch enge Beziehungen zum Nationalen Sicherheitsrat
der Vereinigten Staaten von Amerika und zum Pentagon
unterhalten hat. 53 Mit dem Eifer eines Javert, der Jean
Valjean in Les Misérables jagt, haben Alison Des
Forges und William Schabas ruandische Hutus in der ganzen
Welt verfolgt. Weitere Mitglieder der Kommission wie
Éric Gillet und Philippe Dahinden wurden zu
Sachverständigen der Anklage in einer Reihe von
Verfahren einschließlich solcher am internationalen
Strafgerichtshof für Ruanda in Arusha. Zehn Jahre nach der Kommission können
wichtige Lehren über diese und ihren Einfluss auf die
Entwicklung in Ruanda gezogen werden. Menschenrechte
bilden die inoffizielle Religion und unangefochtene
Außenpolitik der westlichen Länder und vor allem der
Vereinigten Staaten von Amerika. Wie bei Umwelt,
Demokratie und Mutterschaft ist jeder für
Menschenrechte. Wer könnte nur daran denken, gegen diese
zu sein? Derartige Einhelligkeit ist immer gefährlich.
Wenn auch nur der leiseste Zweifel am Bekenntnis zu
diesen Werten erhoben wird, verwandelt sich die
Einhelligkeit in Intoleranz und ruft einen geradezu
religiösen Eifer hervor, der sich über die Tatsachen
hinwegsetzt. Ab dieser Stufe weichen die normalen Regeln,
nach denen die internationalen Beziehungen ablaufen, der
Denkungsart eines Lynchmobs oder der Inquisition.
Sind wir nicht alles nette, vernünftige und
tolerante Menschen? Das Problem liegt bei diesen Leuten
da drüben. Wir werden sie steinigen und alles wird
wieder gut werden! Die Menschen in Quebec verstehen dieses
Problem. Anfang der 1990er waren auch sie zur Zielscheibe
einer internationalen Kampagne geworden, die nach einer
Reihe von Krisen viele ähnliche Züge aufwies (z.B. die
Meech Lake-Verfassungskrise, die hydroelektrische
Entwicklung in Oka und James Bay). Obwohl die Ankläger
keine Ahnung von Quebec hatten, behaupteten sie, die
Verteidiger der Ureinwohner und der Umwelt zu sein und
zögerten nicht, schwere Geschütze aufzufahren
einschließlich Beschuldigungen des Genozids, Rassismus
und grober Verletzungen der Menschenrechte, die alle
Eingang in die etablierten amerikanischen Medien fanden. Die RPF begriff das Wesen der
öffentlichen Meinung im Westen und besonders in den
Vereinigten Staaten von Amerika. Sie wusste, dass sie
leicht einige engstirnigen Fanatiker finden konnte, die
für sie den Ball in den Westen tragen würden. Die imperialistischen Strategen in
Nordamerika und Europa waren ohne Zweifel angetan von der
Veröffentlichung eines Berichts, der verheerende
Auswirkungen auf die Regierung Habyarimana hatte und die
RPF schonte. Immerhin hatten diese Mächte die
militärische Besetzung eines Teils von Ruanda
abgesegnet, als sie den verlogenen Friedensprozess
in Arusha vom Stapel ließen. Sie stülpten ein neues
wirtschaftliches Modell über das Land, das sogenannte
Struktur-Anpassungs-Programm, des weiteren auch ein neues
politisches System in einer Zeit, in der der Krieg tobte.
Diese neue Waffe, bereit gestellt von recht denkenden
Experten aus Europa und Nordamerika vervollständigte das
Arsenal, das zu ihrer Verfügung stand.
43 Le Devoir, Montréal, 1. Februar 1995.
Pater Georges-Henri Lévesque gründete die National
University of Rwanda. 44 Interview mit dem Autor, Brüssel, 23. November
2002. 45 Reed, William Cyrus, Exile, Reform and
the Rise of the RPF, in Journal of Modern African
Studies, Vol. 34, No. 3, 1996, s. 496 46 Die Verfasser des Berichts sind Jean
Carbonare, Agir ensemble pour les droits de lHomme,
Paris; Philippe Dahinden, Jurist und Journalist,
Lausanne; René Degni-Segui, Dekan der juridischen
Fakultät, Abidjan; Alison Des Forges, Africa Watch; Pol
Dodinval, M.D., Liège; Éric Gillet, FIDH, Brüssel;
Rein Odink, Jurist, Amsterdam; Halidou Ouedraogo,
Richter, Burkina Faso; André Paradis, Geschäftsführer
der Ligue des droits et libertés, Montreal, William
Schabas, Rechtsprofessor, Université du Québec à
Montréal. 47 Ed Broadbent et la crise
rwandaise : un rapport préparé avec
insouciance, La Presse, September 6, 1994,
s. B3. 48 La Presse, September 14, 1994,
s. B3. 49 Atrocities and the Law, A Canadian
lawyer puts his legal skills to work literally uncovering
and confirming evidence of human rights abuses in the
African country of Rwanda, von William A. Schabas, in
Canadian Lawyer, August/September 1993, s.
36. 50 La Presse, September 14, 1994, B3. 51 VIENNA DECLARATION AND PROGRAMME OF
ACTION, WORLD CONFERENCE ON HUMAN RIGHTS, Wien, 14.-25.
Juni 1993 52 Gasan, op. cit. s. 183. 53 Alison L. Des Forges curriculum
vitae, 1995. |
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