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Robin Philpot | ||||||||||||||||||||||
Ruanda 1994 - die inszenierte Tragödie | ||||||||||||||||||||||
Kapitel
7: Wie geht´s dem Reich?
Wir müssen in ihre Schulen gehen, um
zu lernen, wie man gewinnt, auch wenn man im Unrecht ist.
Cheik Hamidou Kane, Ambiguous
Adventure Das Verhalten der Vereinigten Staaten von
Amerika im UN-Sicherheitsrat zwischen 6. April und Mitte
Juli 1994 veranlasste den früheren UNO-Generalsekretär
Boutros-Ghali zu der Äußerung, die Amerikaner seien zu
100% verantwortlich für den Völkermord in Ruanda. In
einem Interview, das er mir im November 2002 gab, fügte
Herr Boutros-Ghali hinzu: Verantwortlich waren die
Amerikaner, die von England unterstützt wurden. Die
anderen Mitgliedsländer waren zu passiv. Heute kann man
wahrhaft sagen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika
einseitig handeln. Sie sind eine Supermacht. Es muss aber
erwähnt werden, dass die anderen Mächte aufgegeben und
resigniert haben. In seinem 1999 erschienen Buch Unvanquished:
A US-UN Saga (Unbesiegt: eine US-UN Saga), war
Boutros Boutros-Ghali eindeutig: Die Anstrengungen
der Vereinigten Staaten von Amerika, die Entsendung einer
UNO Streitmacht nach Ruanda zu verhindern, waren mit der
entschlossenen Unterstützung durch das Vereinigte
Königreich erfolgreich. 81
Der ehemalige UNO Generalsekretär
tendiert dazu, den zwei am häufigsten für die
Opposition der Vereinigten Staaten von Amerika gegen eine
UNO-Aktion angegebenen Gründen Glauben zu schenken. Der
erste ist das Fiasko in Somalia, in dem 18 Soldaten ums
Leben kamen. Der zweite ist, dass der Präsidenten in
einer im Mai 1994 mitten in der Ruandakrise erlassenen
Verordnung strikte Bedingungen für die Teilnahme der
Vereinigten Staaten von Amerika an UN Friedensmissionen
festlegte. Nichtsdestoweniger wies Boutros-Ghali darauf
hin, dass Madeleine Albright systematisch jegliche Art
von militärischer Intervention in Ruanda blockierte,
auch eine solche ohne die Teilnahme der Vereinigten
Staaten von Amerika. Solange die Protokolle der
Clinton-Regierung nicht zu bekommen waren, erschienen
beide Gründe für die amerikanische Opposition gegen
eine UNO Aktion plausibel. Der Schwall erschreckender
Fernsehbilder machte es schwer, etwas anderes zu glauben
als die Propaganda der RPF. Die Vertreter der RPF und
ihre Verbündeten hatten es geschafft, die meisten
westlichen Medien für sich zu vereinnahmen. 82 Colonel Luc Marchals Beobachtungen
betreffend die Natur der RPF-Propaganda sind besonders
aufschlussreich. In einem Brief an einen anderen Belgier,
Alain de Brouwer schrieb er: Ich stimme völlig
überein mit Ihrer Analyse über die Verwicklung der RPF
sowohl vor als auch nach der Tragödie. Ich bin schon
deswegen gänzlich überzeugt, weil auch ich auf ihre
gerissene Propaganda in den Verhandlungen in Arusha
hereingefallen bin. Erst als ich in Kigali war, wurde die
Kluft zwischen dem, was gesagt wurde und dem, was
wirklich geschah unübersehbar. In der Tat ist die
RPF-Bewegung totalitär und vernichtet absolut alles, was
ihr im Weg steht. 83 Ein weiteres verlässliches Zeichen, dass
es in Ruanda um mehr als das offen sichtbare ging, war
der virulent antifranzösische Ton amerikanischer
Massenmedien während der Krise. Zum Beispiel brachte am
17. Mai 1994 Village Voice einen langen Artikel
Ruandas Beziehung zu Frankreich, in dem
Frankreich beschuldigt wurde, sich zurückzulehnen und
zuzusehen, wie seine ruandischen Freunde die Tutsis
massakrierten. Tatsächlich waren die Vereinigten Staaten
von Amerika genau in diesem Zeitpunkt bemüht, mit allen
zur Verfügung stehenden Mitteln Frankreich daran zu
hindern, eine internationale Truppe aufzustellen, die das
Morden einstellen und die Tutsi- wie
Hutu-Zivilbevölkerung hätte schützen können. Für
genaue Beobachter waren auch Verhalten und Erklärungen
internationaler Menschenrechts-NGOs verdächtig und
wiesen auf eine politische Strategie auf höchster Ebene
hin. Einige britische Organisationen begannen sich
lautstark gegen eine Intervention der Vereinten Nationen
zu äußern und behaupteten, nur ein Sieg der
Invasionstruppen könne den Massenmord beenden. Für
Menschenrechtsgruppen war eine derartige Position
überraschend, da es um geopolitische Positionierung ging
und nicht um Humanität. Rückblickend fragt man sich, ob
allen diesen Gruppierungen gestattet sein soll, sich so
freizügig des Etiketts
Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) zu
bedienen. Zur gleichen Zeit im Mai 1994 rief der Economist,
dessen Beziehungen zu Außenpolitikern in Washington und
London unerreicht sind, nach einem klaren Sieg der RPF.
Kurzfristig würde wahrscheinlich ein rascher Sieg
der RPF den noch lebenden Tutsis Hoffnung auf Frieden und
Überleben bringen. 84 Alles ist so
einfach und offenkundig zu verstehen. Warum hat es so
viel Aufregung und Händeringen über die langsame
Reaktion der internationalen
Staatengemeinschaft auf den Horror in Ruanda
gegeben? Die Politikmacher in Washington und London
verfolgten eine einfache Vorwärtsstrategie. Warum
sollten sie eine militärische Intervention der Vereinten
Nationen zulassen, die anderen und besonders Frankreich
die Initiative überlassen würde? Das würde nur dazu
führen, dass unsere Boys in der RPF davon
abgehalten würden, ganz und gar die Macht zu
übernehmen. Wir brauchen ihnen nur helfen, den Krieg zu
gewinnen und sie werden uns für immer verpflichtet sein.
Sie garantieren uns Zugang in die gesamte Region und
werden sie für die kommenden Jahre stabil halten. Sie
müssen nur schnell gewinnen. Werden viele Menschen
getötet werden? Sicher, aber nicht zu viele. Diese Politik war bereits im Februar 1994
eingeführt worden, als das gleiche angloamerikanische
Tandem gegen eine Verstärkung der UN-Militärmission
UNAMIR aufgetreten war, die Ende März 1994 noch immer
weit unterbesetzt war. UNAMIR erreichte eine Stärke von
maximal 2.500, obwohl die ruandische Regierung und die
RPF-Invasoren sich geeinigt hatten, dass mindestens 4.500
Mann gebraucht wurden. Zwei Wochen, nachdem Präsident
Habyarimanas Flugzeug abgeschossen worden war, als der
Krieg am schlimmsten wütete und viele Zivilpersonen
getötet wurden, drängten diese beiden ständigen
Mitglieder des UN-Sicherheitsrats mit der Unterstützung
Belgiens die UNO, die UNAMIR Truppe auf 270 Soldaten, den
Stand vom 21. April 1994 zu reduzieren. Seit August 2001 sind ehemals geheime
interne Aufzeichnungen der Clintonregierung aufgrund
einer Freedom of Information Act-Anfrage durch das
unabhängige National Security Archive der
Öffentlichkeit zugänglich. 85 Diese
Memoranden, Telegramme, Arbeitspapiere, Berichte und
Anweisungen bestätigen die schlimmsten Befürchtungen
darüber, wie eine Supermacht eine Außenpolitik
entwickelt und betreibt, in der ihre eigenen Interessen
Vorrang haben über Leben und Frieden eines Landes,
seiner Menschen und ganzer Regionen von Afrika. Sie zu
lesen macht einen noch zynischer gegenüber den hohlen
Entschuldigungen der Außenministerin der Vereinigten
Staaten von Amerika Madeleine Albright im Dezember 1997
und Präsiden Clintons im März 1998. Die Regierung war sich der Größenordnung
der Tragödie, die sich abspielen würde, voll bewusst.
Am 11. April, fünf Tage nachdem das Flugzeug des
Präsidenten abgeschossen worden war und Prudence
Bushnell Warren Christopher besonders auf bevorstehende
weit verbreitete Gewaltausbrüche hingewiesen
hatte, warnt ein Pentagon-Memorandum an den
Unterstaatssekretär für Verteidigung Frank Wisner, dass
wenn die beiden Seiten nicht überzeugt werden
können, zum Friedensprozess zurückzukehren, es zu einem
massiven (hunderttausende Tote) Blutbad wird ... Darüber
hinaus werden Millionen Flüchtlinge in die benachbarten
Länder Uganda, Tansania und Zaire flüchten. Obwohl sie wussten, dass es zu Massakern
kommen und Millionen in andere Länder flüchten würden,
unternahmen die Vereinigten Staaten von Amerika alles, um
die Vereinten Nationen zum Rückzug ihrer UNAMIR-Truppen
zu zwingen. Das war das Wichtigste. Ein Telegramm des
Außenministeriums vom 15. April erteilte diesbezüglich
besondere Anweisungen an die Botschaft der Vereinigten
Staaten von Amerika bei der UNO (USUN) und Botschafterin
Madeleine Albright. USUN wird angewiesen, die
Mitglieder des UN-Sicherheitsrats zu informieren, dass
die Vereinigten Staaten von Amerika der Ansicht sind,
dass es die vordringlichste Aufgabe des
UN-Sicherheitsrats ist, den Generalsekretär anzuweisen,
einen geordneten Rückzug aller UNAMIR-Kräfte aus Ruanda
in die Wege zu leiten ... 86 Die
Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika wird auch
angewiesen, sie solle dafür sorgen, dass der Rückzug
ohne Diskussionen und ohne neuerliche Resolution des
UN-Sicherheitsrats abgewickelt wird. Nicht für wichtig
erachtet wurde der Abschluss eines Waffenstillstands, der
genau zu diesem Zeitpunkt von Vertretern der ruandischen
Streitkräfte angeboten
wurde. In dieser Zeit stellten sich amerikanische
Diplomaten der RPF als offizielle Boten zur Verfügung,
die ihre Forderungen an die ruandische Regierung und
Armee überbrachte. Die Berichte über Besprechungen
zwischen Diplomaten und Vertretern der ruandischen
Regierung enthüllen die imperialistische Natur der
Beziehung zwischen den Amerikanern und ihren ruandischen
Kontrahenten. Ihnen zufolge handelte es sich um die
Ausgabe von Befehlen, nicht Beratungen. Wenn die
Vertreter von Regierung und Armee Ruandas versuchten, die
von den Amerikanern überbrachten Forderungen in Hinblick
auf einen Waffenstillstand zu erfüllen, wurde ihnen
gelegentlich gesagt, sie sollten darüber mit Dallaire
sprechen. Wie wir allerdings wissen, hatte Dallaire
jeglichen Einfluss in Ruanda, sofern er je über solchen
verfügte, mit dem bevorstehenden Abzug aller seiner
Truppen verloren. Die Dokumente zeigen auch, dass die
Vereinigten Staaten von Amerika einen Sieg der RPF
unterstützten, den diese schnell erreichen sollte,
obwohl man wusste, dass die RPF bestenfalls nur eine
kleine Minderheit der Bevölkerung Ruandas
repräsentierte. Des Weiteren versichert ein Dokument der
Defense Intelligence Agency, dass die Streitkräfte der
ruandischen Regierung keinerlei Absicht hatten, die
Tutsis auszurotten, eine Aussage, die in deutlichem
Widerspruch zur richtigen und angemessenen Geschichte
steht, die seither propagiert wird. In diesem Zeitraum vermied die
Clinton-Administration in zynischer Weise die Verwendung
des Wortes Genozid. Obwohl sich darüber
diskutieren lässt, ob zu recht, benutzten Papst Johannes
Paul II, UN Generalsekretär Boutros-Ghali und viele
andere das Wort Genozid, um die Vorkommnisse Ende April
1994 in Ruanda zu beschreiben. Washington auf der anderen
Seite vermied es peinlich genau, bis zum 10. Juni dieses
Wort zu gebrauchen. Hätten die Vereinigten Staaten von
Amerika gleichzeitig mit den anderen über Genozid
gesprochen, wären sie verpflichtet gewesen, eine
militärische Intervention der UNO in Ruanda zu
unterstützen. Das hätte natürlich den Sieg der RPF
verhindert und Washingtons Strategie ruiniert. Zum
Beispiel warnte ein Papier des Pentagons vom 1. Mai 1994
betreffend Ruanda Regierungsvertreter, den Begriff
Genozid zu gebrauchen. Geben Sie acht!
Die Rechtsabteilung war beunruhigt wegen dieser Sache
gestern eine Bewertung als Genozid könnte die US
Regierung dazu verpflichten, ´etwas zu
unternehmen´. Andere deklassifizierte Dokumente zeigen,
wie die Clinton-Regierung ihre Position zu adjustieren
begann, als sie erkannte, dass Menschrechts-NGOs, die
seit 1993 Genozid-Alarm geschlagen hatten, zum Vorteil
der Vereinigten Staaten von Amerika benutzt werden
konnten. Kurz vor einer Sitzung der UNO
Menschenrechtskommission waren die ersten Änderungen
erkennbar. Schritt für Schritt wurde danach dieses Wort
zum Leitmotiv der Politik der Vereinigten Staaten von
Amerika in Ruanda. Nachdem die US-Administration auf
einen schnellen Sieg der RPF setzte, wurde der vermehrte
Einsatz des Begriffs Genozid, der fälschlich
die Situation so darstellte, als hasste und mordete die
Hutu-Mehrheit die unschuldige Tutsi-Minderheit, zur
besten Möglichkeit, das Image der RPF zu verbessern und
die internationale öffentliche Meinung zum Glauben zu
bringen, dass nur die von Hutus dominierten Streitkräfte
der Regierung Ruandas dieses furchtbaren Verbrechens
schuldig seien. Die selben deklassifizierten Dokumente
belegen, dass die Clinton-Regierung diese Strategie
einschlug, obwohl sie im Besitz verlässlicher Berichte
und Informationen über massive Mordaktionen und
Gewalttaten war, die von der Ruandischen Patriotischen
Front RPF begangen wurden. Ein Sprecher des Außenministers Warren
Christopher benutzte den Ausdruck Akte des
Genozids zum ersten Mal am 10. Juni 1994, nachdem
es die Vereinigten Staaten von Amerika geschafft hatten,
ein militärisches Embargo gegen Ruanda zu verhängen.
Die RPF auf der anderen Seite hatte keinerlei
Schwierigkeiten, Waffen, Munition und Soldaten durch
Uganda nach Ruanda zu bringen. Obwohl die Vereinigten
Staaten von Amerika am 17. Mai widerwillig der
Aufstellung einer zweiten UNO-Eingreiftruppe von ca.
5.500 Mann für Ruanda unter dem Namen UNAMIR II
zustimmten, verzögerten sie deren Einsatz, bis der Krieg
vorbei war. Die Vereinigten Staaten von Amerika
stimmten letztlich einer Resolution des UN
Sicherheitsrats betreffend die französische Opération
Turquoise zu, die am 22. Juni 1994 zum Einsatz kam.
Diese Operation sollte eine sichere humanitäre
Zone für zwei Monate einrichten. Zu diesem
Zeitpunkt hatte der Begriff Genozid bereits
den Segen der Clinton-Administration. Es war daher
einfach, diesen französischen Einsatz als einen Versuch
Frankreichs hinzustellen, seine genozidären
Freunde zu beschützen. Seither haben die
englischsprachigen Medien diese Operation freudig als
Unterstützung der französischen Kolonialisten für den
Genozid hingestellt, obwohl sie in Wirklichkeit vielen
Menschen in Ruanda das Leben gerettet hat. Der Abschuss des Flugzeugs am 6. April
löste die Tragödie in Ruanda aus, aber die RPF hatte
sich schon viel früher darauf vorbereitet, den Krieg
wieder aufzunehmen. Laut RPF standen 4.000 ihrer
bewaffneten Kämpfer in Kigali, obwohl gemäß dem
Arusha-Vertrag alle Waffen in diesem Gebiet von der
UNAMIR eingesammelt und aufbewahrt sein sollten. Schon
bevor Präsident Habyarimanas Flugzeug abgeschossen
worden war, hatten RPF-Einheiten ihren Vormarsch in
Richtung Kigali aufgenommen. In der Hauptstadt
positionierte die RPF ihre Truppen für die Aufnahme der
Kampfhandlungen in der Nacht des 6. April und unternahmen
um 3 Uhr Nachmittag am nächsten Tag ihren ersten Angriff
auf die ruandische Armee. Die RPF hat eindeutig den
Friedensvertrag von Arusha gebrochen und den Krieg wieder
aufgenommen. Diese deklassifizierten Dokumente helfen
auch, Romeo Dallaires Verhalten während und nach der
Tragödie in Ruanda zu verstehen. Seine Bestellung zum
Befehlshaber der UN-Mission hatte bereits geholfen, die
Rolle Frankreichs in diesem Teil Afrikas zu reduzieren.
Als 1994 Paris dabei war, nach der Resolution des UN
Sicherheitsrats mit der Opération Turquoise zu beginnen,
äußerte sich General Dallaire öffentlich gegen diese
Operation, indem er sagte, er sei für die Anwesenheit
französisch sprechender Truppen, aber nicht
französischer Truppen. Im August 1994 sprach sich
Dallaire gegen eine Verlängerung des Mandats der
Opération Turquoise in Ruanda aus. Er drohte auch mit
seinem Rücktritt für den Fall, dass die UNAMIR-Truppen
unter französisches Kommando gestellt würden. 87 In einem Gespräch mit einem UNO-Vertreter
im gleichen Zeitraum erklärte Roméo Dallaire:
Wenn sie hier landen, um der Regierung ihre
verdammten Waffen zu liefern, lasse ich ihre Flugzeuge
abschießen. 88 Wenn ein Befehlshaber
einer friedenserhaltenden Mission im Auftrag des UN
Sicherheitsrats es wagt, ein ständiges Mitglied des UN
Sicherheitsrates auf diese Art zu bedrohen, dann ist er
sich sicher, auf Freunde auf höchster Ebene, etwa unter
anderen ständigen Mitgliedern des UN Sicherheitsrats
zählen zu können. Überrascht es wirklich, dass
Frankreich versucht hat, Dallaire als Befehlshaber der
UNO-Mission
loszuwerden? Gilbert Ngijol, Jacques-Roger Booh-Boohs
Assistent nimmt sich kein Blatt vor den Mund:
Dallaire stand der RPF sehr nahe. Er mischte sich
nicht nur in militärische, sondern in alle politischen
Angelegenheiten ein, die unter Booh-Boohs Verantwortung
als politischer Vertreter des UNO-Generalsekretärs
fielen. Indem er sich darauf berief, dass er alle Memos
mit Booh-Booh mit unterzeichnen müsse, stellte Dallaire
sicher, dass er Einblick in den gesamten Schriftverkehr
des politischen Bevollmächtigten bekam. In der Nacht des 6. April 1994 war General
Dallaire bei einer Gruppe ruandischer Offiziere
eingeladen, um die nächsten Schritte nach dem Tod des
Präsidenten und des Generalstabschefs der ruandischen
Armee Colonel Déogratias Nsabimana zu beraten, der sich
auch im Flugzeug befunden hatte. Es wurde darüber
geredet, ob die Premierministerin Agathe Uwilingiyimana
eine Rundfunkansprache an die Bevölkerung halten solle.
Madame Uwilingiyimana gehörte der oppositionellen
MDR-Partei an und viele waren gegen diesen Vorschlag, da
sie als unerbittliche Gegnerin des Präsidenten
Habyarimana gesehen wurde, der gerade getötet worden
war. Ihr Auftritt im nationalen Rundfunk würde als
Provokation gesehen werden und die Lage verschlimmern.
Dessen ungeachtet brachten UNAMIR-Soldaten unter
Dallaires Befehl Premierministerin Agathe Uwilingiyimana
in das Rundfunkgebäude, um zu den Menschen in Ruanda zu
sprechen. Sie wurde im Laufe dieser Aktion
ermordet. Wer gab Roméo Dallaire das Recht,
politische und verfassungsrechtlich relevante
Entscheidungen dieser Art zu treffen, in denen es um die
Zukunft Ruandas ging? War er zum Experten für die
Verfassung Ruandas geworden? Handelte er auf eigene Faust
oder führte er Befehle aus? Als Roméo Dallaire am 7.
April das Angebot französischer Offiziere ausschlug, den
Abschuss von Präsident Habyarimanas Flugzeug zu
untersuchen und sagte, er habe die Angelegenheit schon
mit den Amerikanern besprochen, handelte er da auf eigene
Faust oder führte er Befehle aus? Wenn die Antwort in
diesen beiden Fällen ist, dass er Befehle ausführte,
von wem hat er diese bekommen? War es General Maurice
Baril, Chef der friedenserhaltenden Operationen und
Dallaires Vorgesetzter im UNO-Hauptquartier, der Dallaire
Anweisungen gab? Und wenn ja, wer gab Maurice Baril
Anweisungen, was zu tun war? Diese sehr wichtigen Fragen bleiben
unbeantwortet. Wann immer Roméo Dallaire offiziell in
Hearings oder vor Gerichten auftritt, wird der Inhalt
seiner Aussage dermaßen sorgfältig zensuriert, dass es
unmöglich ist, etwas über die wichtigen Details heraus
zu bekommen. General Dallaire wies alle meine Ersuchen
zurück, mir ein Interview zu geben. Nach Auskunft seines
Rechtsanwalts war er dabei, ein Buch über die
Angelegenheit zu schreiben, das im Herbst 2003 erscheinen
sollte. Meine schriftlichen Anfragen, diese Fragen
schriftlich zu beantworten, wurden einfach ignoriert. Im
Namen von Geschichte und Wahrheit muss er diese Fragen
beantworten. General Dallaire, haben Sie selbst
entschieden, dass Frau Agathe Uwilingiyimana am 7. April
1994 die Ansprache an die Bevölkerung Ruandas in Radio
Ruanda halten sollte? Wenn nicht, wer hat diese
Entscheidung getroffen? Dallaires Buch erschien im Herbst 2003 und
hat viele Preise bekommen, darunter den Canadas
Governor Generals Award. Allerdings sucht man
vergeblich eine Antwort auf diese Fragen. Dallaire
schweigt auch eisern über den Mord am 6. April
1994. Diese Fragen sind wichtig, die Antworten
sind allerdings eher von akademischer Bedeutung
angesichts der amerikanischen Entschlossenheit, die RPF
den entscheidenden Sieg erringen zu sehen. Wenn Roméo
Dallaire und Maurice Baril nicht das Gegenteil beweisen
können, kann davon ausgegangen werden, dass beide
Baril wie Dallaire einfach Handlanger waren, die
Entscheidungen ausgeführt haben, die auf höherer Ebene
aufgrund strategischer Überlegungen getroffen worden
sind, die Tag für Tag deutlicher sichtbar
werden. Roméo Dallaires unberechenbares Verhalten
in den Jahren nach seinem Einsatz in Ruanda rührt eher
von dem Druck her, über die tragischen Ereignisse in
Ruanda 1994 lügen zu müssen, als von einer Art
Kriegsneurose. Es sieht so aus, als hätte Roméo
Dallaire Schwierigkeiten damit, die Kunst des
Gewinnens, wenn du im Unrecht bist zu lernen, wie
Cheik Hamidou Kane in seinem klassischen Roman
Ambiguous Adventure schrieb. Es sieht auch so
aus, als hätte General Baril wenig Probleme mit der
Kunst des Gewinnens, wenn du im Unrecht bist. Er verhielt
sich in gleicher Weise in der Flüchtlingskrise in
Zaire/Kongo im November 1996 (siehe Kapitel 14). Für
seinen Dienst in Afrika und besonders in Ruanda belohnte
der kanadische Premierminister Jean Chrétien Maurice
Baril, indem er ihn am 24. September 1997 zum Chef des
Generalsstabs der kanadischen Armee ernannte.
81 Boutros Boutros-Ghali, Unvanquished:
A US-UN Saga, Random House, p. 138. 82 Einige bemerkenswerte Ausnahmen sollten
erwähnt werden. Africa International 83 Brief von Luc Marchal an Alain de
Brouwer, Juli 1998. Der Brief wird zitiert in einem
Dokument vom Oktober 2002 über die Internationale
démocrate chrétienne und den Krieg in Ruanda. Zur
Erinnerung: Luc Marchal traf den berühmten
"Jean-Pierre kurz nach seiner Ankunft in
Ruanda zu einer Zeit, in der er nach seinen eigenen
Worten noch immer "von ihrer (der RPF) gut gemachten
Propaganda beeindruckt war". 84 Rwanda: The Art of Death,
The Economist, May 28, 1994. 85 20. August 2001, William Ferrogiaro vom
National Security Archive veröffentlichte die Ddocumente
im Internet auf:
http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB53/. 86 Ibid. Dokument freigegeben am 18. November
1998. 87 Jacques Castonguay, Les Casques
bleus au Rwanda, Seiten 185 bis 190. 88 Gérard Prunier, The Rwanda Crisis.
History of a Genocide, Columbia, 1995, s. 287. |
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