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  Angriff auf Schafe

Yossi Gurvitz  

 

Im Zuge der Kampagne des stillschweigenden Terrorismus gegen die Palästinenser greifen israelische Soldaten Schafe mit Blendgranaten an.

An einem Tag im September ging Walid Said Muhammad ´Id, ein Bewohner von Burin – ein Dorf, das dummerweise von Siedlungen und Außenposten umgeben ist und dessen Bewohner infolge dessen häufig von Siedlern angegriffen werden – mit seinem Sohn seine Schafherde hüten. Ihre Weide liegt in der Nähe eines der umliegenden Außenposten, Har Bracha B.

Etwa eine Stunde, nachdem die beiden auf die Weide gekommen waren, sahen sie drei Soldaten von dem Außenposten auf sie zukommen. Ja, der Außenposten – so illegal er auch sein mag – wird vom Staat beschützt. Das gehört zwar so zum Leben, dass wir es normalerweise übersehen, aber es soll von Zeit zu Zeit erwähnt werden. Stellen Sie sich vor, eine Bande von Gesetzlosen reisst das Land anderer Menschen an sich, und statt die Gesetzlosen zu vertreiben, eilen die Behörden herbei, um sie zu beschützen, obwohl sie offen sagen, dass die Anwesenheit der Gesetzlosen illegal ist.

Die Soldaten befahlen ´Id, seine Schafe von der Weide zu entfernen, und er seinerseits informierte sie, dass er dieses Grundstück gepachtet habe und dass es in Zone B gelegen ist und nicht in Zone C, und er weigerte sich abzuziehen. Die Soldaten wiederholten ihre Forderung und ´Id wiederholte seine Weigerung. Daraufhin telefonierten die Soldaten einige Zeit mit ihren Handys. Endlich kehrten sie zurück zum Außenposten.

Und dann kamen die anderen Soldaten. Die beiden Soldatentrupps gingen aneinander vorbei und die Soldaten der zweiten Gruppe zogen Blendgranaten heraus, ohne ein Wort zu sagen. Das sind kleine Explosivkörper, die einen Blitz und lauten Lärm erzeugen und darauf abzielen, Panik hervorzurufen und Demonstrationen aufzulösen. Die Soldaten warfen ungefähr zehn Blendgranaten in die Schafherde, und die Schafe stürzten zu Tode erschrocken in alle Richtungen davon. Daraufhin zogen die Soldaten ab.

´Id hat keine Übertretung begangen. Hätte er eine begangen, und wäre es auch nur die Spur einer Übertretung gewesen, hätten ihn die Soldaten verhaftet. Immerhin sind sie niemandem gegenüber verantwortlich.  

Die Soldaten hatten kein Argument, das sie gegen ihn vorbringen konnten, nicht einmal irgendeinen dubiosen Sicherheitsvorwand. So gingen sie also geradewegs zum Terrorismus über: sie setzten Gewalt gegen seine Herde ein und zerstreuten sie. Du hast die „Chuzpe“, angesichts eines bewaffneten jüdischen Mannes auf deinen Rechten zu bestehen? Wir werden es dir schon zeigen.

Wenn es eine Hölle gibt, und in seinen niederen Anwandlungen denkt der Unterfertigte, dass es vielleicht eine geben sollte, dann sollte diese einen speziellen Bereich haben für diejenigen, die die Hilflosen misshandeln: für die, die ein Baby, ein Kind, einen gefesselten Menschen, ein verschrecktes Tier misshandeln, die nicht imstande sind zu verstehen, was mit ihnen geschieht oder warum es geschieht, um dagegen zu protestieren oder sich zu verteidigen. Hier haben wir das Modell 2013 der israelischen Armee: die stärkste Armee im Mittleren Osten - wenn es darum geht, Schafe zu terrorisieren, auf jeden Fall. Was kommt als nächstes? Tränengas gegen Kühe? Ziegen zerstreuen mit „Skunk“, dem patentierten Stinkflüssigkeit verspritzenden Vehikel der israelischen Armee? Gummigeschosse gegen Hirtenhunde? Eine nächtliche Razzia gegen Hühnerställe voller verschreckt herumflatternder Vögel? Kuscheltiere in Verwaltungshaft?

Das Ziel der Soldaten war es natürlich, ´Id zu terrorisieren; den stillschweigenden Terrorismus der Siedler zu ermöglichen, dessen Sinn es ist, einen weiteren Hektar zu vereinnahmen, eine weitere Ziege zu stehlen, indem die Palästinenser vergrault und dazu gebracht werden, an ihrem Land zu verzweifeln. Anders jedoch als in der gewohnten Art und Weise hatten die Soldaten es hier mit einem Mann zu tun, der konsequent für seine Rechte eintrat. Anstatt sich mit ihm zu beschäftigen, griffen sie seine Tiere an, die unschuldig jeglichen Verbrechens die Hilflosesten der Hilflosen waren. Sie hätten – wir sollten Sie daran erinnern – viel mehr machen können: sie hätten ihn verhaften und sich an ihm vergreifen können, obwohl er schuldlos war, wohl wissend, dass die Aussichten, jemals für ihre Handlungen bezahlen zu müssen, Null sind. Ich schätze, dass sie den Mut dafür nicht aufbringen konnten.  

Das ist nicht bloss Terrorismus, sondern verachtenswerte Feigheit, billiger Sadismus: das ist auch sehr schlechtes Soldatentum. Eine Armee, deren Soldaten sich daran gewöhnen, Herausforderungen in dieser Art zu begegnen, sollte nicht überrascht sein, wenn sie angesichts eines wirklichen Gegners gegen diesen auf einer Strasse losmarschieren und auf sieben davonlaufen wird. Kommandanten, die derartige Vorfälle nicht beachten, und eine Öffentlichkeit, die davon nichts wissen will, züchten nicht nur eine neue Generation von ungehobelten Halunken heran, die in das Zivilleben als ungehobelte Halunken zurückkehren werden: sie machen auch aus einer Armee eine Besatzungsmacht, ein zerbrochenes Werkzeug. Viele Israelis rühmen sich, keinerlei moralische Bedenken zu haben und nur anzuerkennen, was zielführend ist, und dass Moral „etwas für die Schwachen“ ist.

Das ist also ein Argument für die „Starken.” Besonders wenn sie ihre Stärke gegenüber Schafen beweisen müssen.

 
     
  erschienen am 31. Oktober 2013 auf > Yesh Din - Volunteers for Human Rights (Israel) > Artikel sowie auf +972magazine  
 
siehe dazu im Archiv:
> Jeremy Hammond - So einfach ist der israelisch-palästinensische Konflikt
> Oded Na'aman - Die Kontrollstelle
> Melkam Lidet - Die Realität in Palästina ist so krank, dass es jede Vorstellungskraft übersteigt
> Ran HaCohen - Wie es Hassan ergangen ist
> Ira Chernus - Israelische Soldatinnen brechen das Schweigen
> Ali Abunimah - Israel ist ein Versagerstaat
> M. Shahid Alam - Israel: ein scheiterndes Kolonialprojekt
> Rannie Amiri - Palästinas brennende Olivenhaine
> Kathleen Christison - Wir haben es euch gesagt!
> Jonathan Cook - Die dunkle Seite des Hochsicherheitsstaats Israel
> Larry Derfner - Rütteln am Käfig: Unser exklusives Recht auf Selbstverteidigung
> Yusuf Fernandez - Die Europäische Union und der Krieg gegen Gaza
> Chris Floyd - Unüberwindbare Distanz: Die Entscheidung zu töten
> Philip Giraldi - Netanyahus Kriegsverbrechen
> Neve Gordon - Und der Staat, ist der loyal?
> Julie Hollar - „Gesetzestreue” Israelis, „widerspenstige” Palästinenser
> Bernard Keane - Für illegale israelische Siedlungen spenden? Kein Problem.
> Ed Kinane - Leben in der Blase: Leben im Siedlerstaat Israel
> Craig Nelson - Der Goldstone-Bericht lässt Israel nicht los
> Paul Craig Roberts - Für die Palästinenser ist jeden Tag Kristallnacht
> Eric Walberg - BDS 2010: mächtiger als das Schwert
 
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