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  „Gesetzestreue” Israelis, „widerspenstige” Palästinenser

U.S.-Journalisten sympathisieren mit israelischen Kolonisatoren  

Julie Hollar

Der Vorstoss der Administration Obama, die Errichtung illegaler Kolonien in der West Bank durch Israel einzufrieren, hat die Frage der Besiedlung zurück in den Blickpunkt der Berichterstattung in den Medien gebracht.  

Am 27. Juli veröffentlichte Time einen ziemlich langen Artikel von Nina Burleigh über israelische Siedlungen unter der Schlagzeile „Zwei Ansichten über das Land.“ Ansicht Nummer eins kommt aus Israel: Die Familie Katz, sehr normale, freundliche Leute, mit denen sich die Leser identifizieren können (sie kommen sogar aus New York!) „betrachten sich selbst als gesetzestreue Bürger” und betreiben ernste und aufrechte Dinge wie „ein kleines Gemeindeblatt herauszugeben und an Bürgerprojekten teilzunehmen. Sharon treibt Geld für Wohltätigkeitsprogramme auf, indem sie Tanz- und Theatershows organisiert.“ Da gibt es ein Foto der lächelnden Familie und ein Foto von Siedlern, die mit ihren Kindern in einem Schwimmbad spielen. Sie „glauben nicht, dass ihre Stadt ein Hindernis für den Frieden darstellt.“

Diese Siedler der großen Kolonie Efrat wurden irgendwie den militanteren Siedlern gegenüber gestellt, die in den kleinen Vorposten leben – die „legalen” den „illegalen“ Siedlungen, laut der israelischen Regierung. Diese Unterscheidung wird von der UNO nicht getroffen, gemäß der die Siedlungen „keinerlei legale Berechtigung haben und ein ernsthaftes Hindernis für die Erreichung eines umfassenden, gerechten und anhaltenden Friedens im Nahen Osten darstellen“ (Resolution 446 des UN-Sicherheitsrats vom 22.03.1979). Ein Grundprinzip des Internationalen Rechts verbietet es einer Okkupationsmacht, das okkupierte Land zu kolonisieren (Vierte Genfer Konvention, Artikel 49).

Für Burleigh allerdings unterscheiden sich die beiden Arten „wesentlich” – und doch „beschimpfen die Palästinenser sie gleichermaßen.“ In der Tat ist das so ungefähr alles, was Palästinenser in diesem Artikel taten: „beschimpfen“, „hassen“, „verachten“ und sich den Israelis gegenüber generell „ablehnend“ zu verhalten. Ein einziger Palästinenser wurde zitiert (und eine israelische Menschenrechtsgruppe, die gegen die Siedlungen kämpft). Die Überschrift gewichtete die „Zwei Ansichten über das Land” gleich, von einer ausgeglichenen Behandlung konnte dann aber keine Rede sein.

In Hinblick auf politische Optionen und Strategien, so beobachtete Burleigh, würde es politisch schwierig werden, „gesetzestreue Bürger wie Sharon Katz herauszufordern.“ (Man beachte, dass „gesetzestreu“ ursprünglich von der Familie Katz als Selbstcharakterisierung angegeben worden war, und dann von der Reporterin als eigene Beurteilung übernommen wird.)

Der letzte Absatz betonte noch einmal die Normalität der Familie Katz:

Wenn sie rund um ihren Küchentisch sitzt, die Plastikspielsachen der Enkel auf der Terrasse hinter den Schiebetüren aus Glas herumliegend, sieht die Familie Katz nicht militant aus oder klingt so. Tatsächlich klingt ihre Version der nationalen Erzählung für amerikanische Ohren ziemlich vertraut.

Sharon Katz hatte das letzte Wort: „Israel sollte keinen Hügel räumen! Wie fing es denn mit den Siedlungen im amerikanischen Westen an? Mit einer Blockhütte. Als wir dieses Land kauften, waren es felsige Hügel. Sehen Sie, wie es heute ausschaut.“

Politische Realitäten und Optionen werden zu einem nicht unbedeutenden Ausmaß durch das öffentliche Verständnis beeinflusst, das wiederum durch die Medien beeinflusst wird. Vielleicht hätte sich die politische Situation im amerikanischen Westen ganz anders entwickelt, wenn die amerikanischen Ureinwohner in den Medien als sympathische Individuen und nicht als gesichtslose Masse (oft als abstoßend und voller Hass hingestellt) beschrieben worden wären. U.S.-Medienberichte, die die israelischen Siedler als sehr „gesetzestreue” Menschen darstellen, mit denen der Leser sich identifizieren kann, im Gegensatz zu den weitgehend unsichtbaren, aber eindeutig hasserfüllten Palästinensern, verschleiern die Illegalität der Siedlungen und tragen zu der unlösbaren politischen Situation bei, über die der Artikel in der Time die Hände ringt.  

Ein Bericht im Christian Science Monitor (9.8.2009) über junge israelische Siedler, die „hippiemäßige“ Musikfestivals organisierten, in denen es um „gute Stimmung“ und Umweltbewusstsein ging, bestätigte, dass dieser Ausflug in den Universalismus „sie nicht verständnisvoller für die Hoffnungen ihrer palästinensischen Nachbarn auf Unabhängigkeit gemacht hat“ – hatte aber nichts zu sagen über die Hoffnungen der Palästinenser, wieder zu dem Land zu kommen, das sich die Siedler gegen das Gesetz angeeignet haben. (An einer Stelle in diesem Artikel wurden die Siedlungen als „nicht autorisiert“ bezeichnet, was aber nicht näher ausgeführt wurde.) Zum Schluss lernen die Leser die Perspektive eines Siedlers kennen, der gut drauf ist: 

„Es macht Spaß, wenn du in eine Siedlung [in der West Bank] kommst und du hörst Bob Marley,“ sagt Judelmann. „Das ist Musik, die eine Suche nach Freiheit, Heiligkeit, Rechtschaffenheit und Erlösung ausdrückt. Ist das alles nicht das, was Israel ausmacht?“ 

In U.S.-Massenmedien kann man sehr freundliche Beschreibungen sogar der radikalsten Siedler finden. Zum Beispiel in diesem Bericht der Washington Post (15.10.2008) von der West Bank von Linda Gradstein:    

Avi Ben Yakof ist ein sanft sprechender jüdischer Siedler, der es liebt, mit seinen kleinen Kindern in ihrem rot gedeckten Haus in den Hügeln über Nablus tief innerhalb der West Bank zu spielen. Aber wenn die Rede auf seine palästinensischen Nachbarn kommt, verhärtet sich sein Ton.

„Sie werden nicht meine Nachbarn sein, wenn ich tue, was ich tun muss, und das ist, sie auf ihr Land zurück bringen,” sagte er. „Wir wollen sie hier nicht haben. Die Lösung ist, sie zu vertreiben.“

Ben Yakov wollte nicht sagen, ob er selbst an einer Reihe von vor kurzem erfolgten Angriffen auf das nahe gelegene palästinensische Dorf Asire Al-Qibiliyya teilgenommen hat. Aber er sagte, die Gewalt sei gerechtfertigt durch das Versagen der israelischen Armee, Leben und Eigentum der Siedler in der West Bank zu schützen.

Gradstein beschrieb Ben Yakovs Gefühle als „Frustration“ und die Übergriffe der Siedler als „Ausdruck einer tief empfundenen Angst.“  Ethnische Säuberung kann kaum auf eine freundlichere Beurteilung hoffen. 

 
     
  erschienen im Oktober 2009 auf > http://www.fair.org > http://www.fair.org/index.php?page=3923  
     
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