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  Leben in der Blase: Leben im Siedlerstaat Israel

Ed Kinane

Meiner jüdisch-christlichen Wurzeln eingedenk wollte ich schon lange „Das Heilige Land” besuchen. Mit dem von den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützten Angriff Israels gegen Gaza im vergangenen Winter rückte die Erfüllung dieses Wunsches näher. Mitte Mai beteiligte ich mich an einer Delegation, die nach Israel und der West Bank der von Israel besetzten palästinensischen Territorien fuhr. Insgesamt einen Monat verbrachte ich in diesen verspannten und militarisierten Gebieten.

Am meisten überraschte mich auf dieser Tour, wie sehr ich mich zuhause fühlte – nicht in der West Bank, sondern in Israel. Außer den Aufschriften in Hebräisch schien oft alles so „amerikanisch“ zu sein, als befänden wir uns im 51. Bundesstaat. Zum Beispiel kleiden sich sogar in den arabischen Stadtteilen israelischer Städte viele nicht-arabische Israelis mit einer Schamlosigkeit, die zwar mein männlich-westliches Auge erfreute, die aber mit Sicherheit die einheimische Moslembevölkerung beleidigt, unter der sie leben. 

Aber dieses heimatliche Gefühl reichte tiefer, als der erste Eindruck vermuten ließ. Es waren die Einstellungen. Die politisch nicht engagierten Israelis, die ich traf, erinnerten mich an viele Menschen zuhause in den Vereinigten Staaten von Amerika. Es waren nette, gastfreundliche, englischsprechende Leute, die – wie auch in den USA – in dem Zustand leben, den ich als die „Blase“ bezeichne. Während sie unsere Hirne kolonisiert und nationalisiert, wird die Blase gesponnen von unseren Regierungen und Massenmedien. Sie schränkt unsere Horizonte ein, erstickt unsere abweichenden Meinungen, unterdrückt die Stimmen der Sprachlosen. Durch Ablenkung und Trivialisierung schützt uns die Blase vor den Leiden anderer.  

Die politisch nicht aktiven jüdischen Israelis, die ich traf, schienen vergessen zu haben – oder schnell zu rationalisieren – wie räuberisch ihr Militär und die israelischen Siedler, die es beschützt, in den okkupierten Territorien vorgehen. Den großen Diebstahl autochthonen palästinensischen Landes, finanziert mit ihren Steuergeldern (und mit US$ 3 Milliarden jährlich von unseren Steuergeldern) betrachteten sie als gegeben. Nachdem sie Jahrhunderte lang das heute als Israel bezeichnete Gebiet bewohnt hatten, wurden Palästinenser in den letzten Jahrzehnten entweder ins Exil gestoßen oder mit Gewalt in die abgeschlossenen Reservationen und „Bantustans“ von Gaza und West Bank verdrängt. 

Die Angst, die einige Israelis vor Palästinensern haben entspricht der Angst, die einige weiße Amerikaner vor Menschen mit anderer Hautfarbe haben. Diese Israelis waren auch gleich bereit, die Schuld den Opfern zuzuschieben und vor dem „anderen“ zu schaudern.

Mein Eindruck ist, dass diese guten Leute wenig Ahnung davon hatten, wie Israel Palästina wirtschaftlich abgewürgt hat. Oder dass der (weit publizierte) palästinensische Terrorismus gegen Israelis einen kleinen Bruchteil des (unzureichend publizierten) episodischen Terrorismus der israelischen Luftwaffe und der täglichen systematischen Gewalt ausmacht, die die israelische „Verteidigungs“armee gegen die Palästinenser ausübt. (Eine israelische Frau bezeichnete die anhaltenden Luftangriffe gegen Gaza, die 900 Zivilisten töteten, als einen „Zwischenfall.“)

Diese anderen Siedlerstaaten

Auf das, was ich in Israel/Palästina sah, war ich dank meiner Kenntnisse dessen vorbereitet, was europäische Siedler den Menschen in den Gebieten angetan haben, aus denen dann die Vereinigten Staaten von Amerika wurden. Auch die fünf oder sechs Wochen, die ich in den frühen 1980er Jahren in Südafrika verbracht hatte, waren eine gute Einführung. Auch dort war ich erstaunt, wie zuhause ich mich fühlte. Das weiße Südafrika war auch ein 51. Bundesstaat – der damals von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika voll unterstützt wurde.

In Johannesburg, dem wirtschaftlichen und Regierungszentrum, lebten viele Mitglieder der wohlhabenden weißen Minderheit in abgeschlossenen Wohngebieten, während die Schwarzen per Gesetz im düsteren ausgedehnten Ghetto Soweto wohnten – dessen wenige nach außen führende Straßen von der südafrikanischen „Verteidigungs“armee kontrolliert wurden.

Das Südafrika, das ich kennengelernt habe, war per Gesetz und physisch aufgeteilt nach Volkszugehörigkeit und Hautfarbe. “Aufgeteilt”, wobei von der völlig ungleichen Aufteilung von Reichtum, Macht und Möglichkeiten noch keine Rede ist.

In Israel – und in den Vereinigten Staaten von Amerika – gleichen sich die Ungleichheiten, die beide das Ergebnis von ähnlichen Systemen der Apartheid sind. (Eine weitere Sache, die mich überrascht hat, sowohl in Israel als auch in Palästina, waren die Legionen von jungen männlichen und weiblichen israelischen Soldaten ... viele nebenbei mit automatischen Waffen ausgestattet.)

Die Vereinigten Staaten von Amerika, Südafrika, Israel: alle drei sind/waren expansionistische „Siedlerstaaten.“ Alle drei wurde bevölkert von landhungrigen jüdisch-christlichen Europäern. Diese Ausländer kamen an mit viel mehr Kapital und politischem und militärischem Rückhalt als die einheimischen Bewohner, deren Land sie begehrten – und auf Biegen und Brechen letztendlich in Besitz nahmen oder noch dabei sind zu beschlagnahmen. 

Unsere Delegation verbrachte eine Woche in der okkupierten West Bank. Wir passierten die Trennmauer, das Berliner-Mauer-mäßige Bollwerk, das Israel von seiner unglückseligen – aber sturen und sich wehrenden – Kolonie trennt. Von dieser Trennmauer, deren Höhe viermal die Größe eines Mannes beträgt, ist zu sagen, dass nur 20% davon auf der Grünen Linie verlaufen, der international anerkannten Grenze zwischen Israel und den okkupierten Territorien.

Die Israelis haben den überwiegenden Teil der Trennmauer weit innerhalb der West Bank oder auf bewohntes und bearbeitetes palästinensisches Land gebaut und sich auf diese Weise mehr palästinensisches Land angeeignet. Dieser Landraub gehört zu der Vorgangsweise „Tatsachen schaffen“, bevor ein „Friedensprozess“ die Israelis davon abhält, ihre (illegalen) Siedlungen in der West Bank weiter auszudehnen.

Die letzte Überraschung … oder so

In der West Bank war ich auch erstaunt – oder wäre erstaunt gewesen, hätte ich nicht davor schon Anna Baltzers „Witness in Palestine” (Zeugin in Palästina) gelesen – über all die militärischen Strassensperren. Als privilegierte Ausländer wurden wir von den israelischen Soldaten durchgewinkt. Aber die gleichen Soldaten konnten Palästinenser stundenlang warten lassen oder für die Vermarktung bestimmte palästinensische Produkte aufhalten, bis sie ungenießbar waren.

Wie die Trennmauer befinden sich die meisten Strassensperren nicht auf der Grünen Linie; sie sind über die gesamte West Bank verteilt. Sie würgen die Bewegungsmöglichkeiten der Palästinenser in persönlichen wie in wirtschaftlichen Angelegenheiten in ihrem eigenen Territorium ab. Sie fragmentieren die West Bank, untergraben ihre Wirtschaft, nehmen die Menschen an die Leine und schaffen Verbitterung.

Die Strassensperren scheinen daraufhin angelegt zu sein, das tägliche Elend anzuheizen. Vielleicht werden so mehr Palästinenser zusammenpacken und flüchten. Das Ziel: Die West Bank (in den Worten der alten zionistischen Zeitungsente) in „ein Land ohne Menschen für Menschen ohne Land“ zu verwandeln.

Als Möglichkeit, die mir einfällt, um die Okkupation begreiflich zu machen, nehme man die indigene Onondaga Nation hier in Onondaga County, N.Y., eine Nation, die weiße Siedler vor langer Zeit auf einen Bruchteil ihres ursprünglichen Territoriums reduziert haben. Um die Situation zu vergleichen, stelle man sich vor, dass eine 7,6 m hohe Mauer die Onondagas vom umliegenden von Weißen kontrollierten Gebiet trennt. Man stelle sich vor, dass die Onondagas riskierten, von Wachttürmen aus erschossen zu werden oder monatelang ohne Verfahren eingesperrt zu werden, wenn sie es irgendwie schafften, ohne Erlaubnis durch die Absperrung zu kommen. Man stelle sich weiter vor, dass innerhalb der Onondaga Nation zahlreiche militärische Strassensperren die Onondagas von ihren Nachbarn oder ihren Feldern trennten. Solch ein bizarres Szenario wäre ein Mikrokosmos dessen, wie es in der okkupierten West Bank zugeht.  

 
  erschienen am 3. August 2009 auf > www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/kinane/2009/08/02/life-in-the-bubble/  
     
  In den ersten beiden Wochen in Israel/Palästina reiste Ed mit einer Delegation der Christian Peacemaker Teams. Das Dutzend Delegierter traf sich mit jüdischen, christlichen und islamischen Friedens- und Gerechtigkeitsaktivisten in Jerusalem und in der West Bank (Bethlehem, Hebron, At-Tuwani). Ed reiste dann zwei weitere Wochen durch Israel. Die Delegation hat Gaza nicht besucht, das weiterhin von der israelischen Armee blockiert wird.

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Peace Newsletter des Syracuse Peace Council.

 
     
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