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  Der Goldstone-Bericht lässt Israel nicht los

Craig Nelson

Aus Israels Sicht der Dinge sollte der UNO-Bericht, der seine Armee beschuldigt, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei seinem Angriff auf den Gazastreifen im vergangenen Winter begangen zu haben, wohl den Untertitel „Der Bericht, der nicht verschwinden will“ tragen.

Nach dem Erscheinen des Goldstone-Berichts im September bezeichnete der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu diesen als „Zerrbild“, „Farce“ und „Perversion“. Er sagte, eine Bestätigung dieses Berichts, der nach dem ehemaligen südafrikanischen Richter Richard Goldstone benannt ist, der das Untersuchungsteam geleitet hat, durch die UNO würde der Weltorganisation, dem Krieg gegen den Terrorismus, und – man staune und schaudere – dem Friedensprozess einen tödlichen Stoß versetzen.

Herr Netanyahu prägte sogar den Begriff „Goldstone-Effekt”, ein „Synonym für den Versuch, Israel das Recht auf Selbstverteidigung abzusprechen,” wie er sagte.

Als das noch nicht ausreichte, den Bericht zu diskreditieren, ging der israelische Premierminister noch einen Schritt weiter und erklärte im vergangenen Monat einer Zuhörerschaft von internationalen Reportern in Jerusalem, die „drei wichtigsten Herausforderungen“, mit denen Israel konfrontiert ist, seien das Nuklearprogramm des Iran, die gegen israelische Zivilisten gerichteten Raketen und Goldstone. 

Dennoch will der Bericht noch immer nicht verschwinden. In Israels letztem Versuch, sein erklärtes Ziel zu erreichen, den Bericht langsam im Gewirr der byzantinischen UN-Bürokratie abzumurksen, wurde von der israelischen Regierung erwartet, den UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in dieser Woche – vielleicht gestern Abend – zu informieren, dass die internen Untersuchungen der 22 Tage dauernden Militäroperationen der israelischen Armee ausreichend wären. 

Das UN-Untersuchungsteam unter der Leitung Herrn Goldstones, der auch ehemaliger Chefankläger der internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda war, fordert, dass Israel eine unabhängige Untersuchung seiner Militäraktionen während der Operation Vergossenes Blei durchführt und „angemessene Schritte unternimmt, um Gerechtigkeit für die Opfer und Verantwortung für die Täter herbeizuführen.“ Eine solche Untersuchung war laut Berichten vom israelischen Verteidigungsminister Ehud Barak und dem Generalstabschef der israelischen Armee Lt.Gen. Gabi Ashkenazi gefordert worden.

Anfang dieser Woche ließ ein anderer israelischer Spitzenpolitiker durchblicken, welche Absichten seine Regierung nach der Besprechung mit Herrn Ban in New York hegte.

„Wir haben genug untersucht,” sagte Yuli Edelstein, der Minister für Information und Angelegenheiten der Diaspora der Zeitung The Jewish Week. „Ich bin nicht sicher, dass dabei etwas herauskommt. Es ist nicht nötig.“

Die UNO-Generalversammlung hat Israel und Hamas, die den Gazastreifen beherrscht, eine Frist bis zum 3. Februar gesetzt, um zu den Untersuchungsergebnissen des Goldstone-Teams Stellung zu nehmen. Eine Debatte in der UNO-Generalversammlung ist für zwei Tage danach angesetzt.

Sollten keine wie der Goldstone-Bericht es nennt „unabhängigen“ und „in gutem Glauben erstellten“ Untersuchungen „seitens beider Parteien“ eintreffen, „könnten die Untersuchungsergebnisse an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag für weitere Schritte übergeben werden.“ 

Besonders für Israel könnten darob zwei seiner größten Befürchtungen wahr werden: Vorladungen und Anklageschriften gegen Politiker und Generale, und deren Verhaftung aufgrund internationaler Haftbefehle, wenn sie ins Ausland reisen.

Am Mittwoch gaben auch Vertreter der Hamas der UNO ihre Absichten bekannt. Sie ließen Associated Press eine Kopie des Berichts zukommen, den sie der Weltorganisation zu überreichen beabsichtigten. Dieser besagt, dass Hamas-Kämpfer auf keine Zivilisten zielten, als sie Raketen auf israelische Städte im Grenzbereich zum Gazastreifen feuerten. Gerade wie Israel anscheinend vorzugehen beabsichtigt weist auch Hamas die Forderung der Weltorganisation nach einer unabhängigen Untersuchung zurück.

„Die bewaffneten palästinensischen Gruppen haben wiederholt bestätigt, dass sie das Internationale Humanitäre Recht einhalten, indem sie in verschiedenen Medien bekanntgegeben haben, dass sie beabsichtigten, militärische Ziele zu treffen und zu vermeiden, Zivilisten zu treffen,“ sagte der Bericht der Hamas, indem er Verluste auf „ungenaues“ Feuern zurückführte.

Der Widerstand der Hamas gegen die UNO wird von einigen Palästinensern nicht gut aufgenommen. In der vergangenen Woche forderten elf palästinensische Menschenrechtsgruppen, dass beide, Hamas im Gazastreifen und die PLO in der WestBank die Beschuldigungen untersuchen sollten, die im Goldstone-Bericht angeführt werden. 

Die Gruppen ersuchten Ismail Haniyeh, den Hamas-Premierminister, und Mahmoud Abbas, den palästinensischen Präsidenten, Untersuchungen über das Verhalten verschiedener palästinensischer Kräfte während des Krieges in die Wege zu leiten.

Die lautstarke Forderung der Palästinenser nach mehr Taten im Bereich der Menschenrechte bringt Herrn Abbas in eine besonders schwierige Lage.

Im vergangenen Herbst ersuchte er den UNO-Menschenrechtsrat, eine Abstimmung zu verschieben, die im Falle einer entsprechenden Mehrheit die Ergebnisse des Goldstone-Berichts unmittelbar an den UN-Sicherheitsrat zur Einleitung weiterer Schritte weitergeleitet hätte.

Zur Erklärung dieser Vorgangsweise sagten Berater des palästinensischen Präsidenten, dass er das auf Drängen der Vereinigten Staaten von Amerika und Israels gemacht habe, die damit drohten, dass eine sofortige Abstimmung den Friedensprozess gefährden würde. Die Palästinenser sowohl in der WestBank als auch im Gazastreifen reagierten mit Empörung.

Die israelischen Medien legten diesen Monat noch ein Schäuflein nach, als sie berichteten, dass Herrn Abbas´ Ersuchen um eine Vertagung nach einem Treffen mit Yuval Diskin erfolgte, dem Chef von Shin Bet, dem israelischen Inlands-Geheimdienst.

Bei dem Treffen im Oktober warnte Herr Diskin den palästinensischen Präsidenten angeblich, dass für den Fall, dass er nicht eine Verlegung der Abstimmung verlange, Israel die WestBank in ein „zweites Gaza“ verwandeln würde, berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz. 

Ungeachtet des Drucks auf Herrn Abbas und Hamas ist es Israel, das unter der größten Belastung steht.

Die Operation Vergossenes Blei, die am 27. Dezember 2008 begann, war eine Woche Bombardierung aus der Luft durch israelische Kriegsflugzeuge gefolgt von zwei Wochen dauernden Angriffen zu Land und aus der Luft. Der Ansturm führte zur Tötung von 1.393 Palästinensern, einschließlich 290 Kindern, und zur Zerstörung von 3.535 Häusern. Dreizehn Israelis wurden in den Kämpfen getötet. Neun davon waren Soldaten, von denen vier durch „freundliches Feuer“ ums Leben gebracht wurden. 

Die Außenministerin der Vereinigten Staaten von Amerika Hillary Clinton bezeichnete den Bericht als „einseitig“. Michael Posner, Staatssekretär im Außenministerium der Vereinigten Staaten von Amerika für Menschenrechte und humanitäre Angelegenheiten beschrieb ihn als „äußerst mangelhaft“. Israelfreundliche Abgeordnete des Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika brachten Resolutionsentwürfe ein, die ihn ebenfalls verdammten.

Nachdem die Debatte in der kommenden Woche naht, werden die Paukenschläge lauter werden. Herr Edelstein, der israelische Minister für Information und Angelegenheiten der Diaspora sagte, er habe dem UNO-Generalsekretär in dieser Woche gesagt, dass der Bericht eine was er als „gefährlich“ bezeichnete Atmosphäre geschaffen habe, in der „Antisemiten jetzt eine Plattform für ihre Ansichten finden.“ 

Im Vergleich dazu fällt die Brandmarkung durch die israelische Botschafterin bei der UNO Gabriela Shaleva geradezu lahm aus.

Frau Shaleva griff zu Shakespeare und zitierte Macbeth. Eine Debatte über den Bericht im UN-Sicherheitsrat, sagte sie, wäre „voller Lärm und Empörung, die nichts bedeuten.“ 

 
     
  Erschienen am 29. Januar 2010 auf > The National Newspaper (Abu Dhabi) > http://www.thenational.ae/apps/pbcs.dll/article?AID=/20100129/FOREIGN/701289866/1002  
     
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