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  Britannien veranstaltet ein finanzielles Dünkirchen

Eric S. Margolis

Das neulich eingelegte Veto des britischen Premierministers David Cameron gegen eine stärkere europäische Währungsunion sollte niemanden überrascht haben, der sich in der britischen Geschichte auskennt.

Unter dem Beifall des mächtigen anti Europa-Flügels seiner konservativen Partei durchkreuzte Cameron intensive Bemühungen, eine supereuropäische Finanzautorität zu schaffen, um die Auflösung der umkämpften gemeinsamen Währung der EU, des Euro, zu verhindern, was die Zukunft der Union gefährdet.

Premierminister Cameron folgte damit Britanniens fünf Jahrhunderte alter Tradition, die Entstehung eines vereinten Europa unter einer dominierenden Macht zu verhindern. Die Aufrechterhaltung eines aufgeteilten Europas wurde von der britischen herrschenden Klasse als lebenswichtig betrachtet für die Aufrechterhaltung der kommerziellen und militärischen Macht ihrer Nation.

Britanniens oft xenophobe Konservative haben lange gewarnt, dass eine engere Mitgliedschaft in der Europäischen Union den einzigartigen Charakter ihrer Nation verwässern, ihr Selbstverständnis von Macht und Wichtigkeit untergraben und ihre Handlungsfreiheit einschränken würde.

Sie würde auch die berühmte "besondere Beziehung" mit Washington gefährden, die den Vereinigten Staaten von Amerika wichtige militärische Basen in Britannien zur Verfügung stellt und einen loyalen Alliierten, der gerne zu Diensten steht.

Die Achse Vereinigte Staaten von Amerika/Vereinigtes Königreich vermittelt ein Gefühl von Macht und Wichtigkeit, wenn auch ein übertriebenes. Außerdem fangen für viele Briten "die ‚Kameltreiber' noch immer in Calais an".

Camerons Veto bediente auch ein weniger offenkundiges, aber vielleicht noch stärkeres Gefühl: Britanniens fortbestehenden historischen Antagonismus gegenüber dem modernen Deutschland. Oder, wie die alte imperialistische Ikone Churchill garstig bemerkte: "Deutsche hast du etweder zu deinen Füßen oder an deiner Kehle."

Während sich die Eurokrise dahinzieht wird zunehmend klar, dass sich Britanniens alter Feind Deutschland schnell zur europäischen Führungsmacht entwickelt. Britannien könnte zu Deutschlands Füßen enden.

Ein großer Teil Europas ist bereits auf den Knien und fleht die Eiserne Kanzlerin Angela Merkel an, es zu retten. Sie wartet darauf, dass die Anleihenmärkte die EU-Politiker ausreichend erschrecken, damit sie wirklich ihre verschwenderischen Ausgaben beschneiden.

"Zucht und Ordnung", dieses teutonische Lieblingsmotto, ist Europas neuer Marschbefehl aus Berlin. Strenge deutsche Finanzpolitiker bellten Europas widerspenstigen Politikern Instruktionen zu wie alte deutsche Feldwebel.

Europa braucht dringend deutsche Finanzdisziplin und -ordnung. Das brauchen auch die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich. Es stimmt natürlich, dass die Briten es nicht aushalten, von den überwältigenden Deutschen wie renitente Eingeborene in den Kolonien behandelt zu werden.

Britanniens wild antideutsche Boulevardpresse, angeführt vom germanophoben Murdoch-Clan, hat gegen die Deutschen gekläfft und ständig den Zweiten Weltkrieg hervorgekramt.

"Das liest diesen abscheulichen Hunnen die Leviten," gratulieren viele Briten sich selbst.

Camerons Veto könnte jedoch Britannien isoliert in der kalten Nordsee belassen, mit immer weniger Einfluss und Geschäft in Europa, mit der Aussicht, einen Merry Old England-Themenpark für übergewichtige amerikanische Touristen zu spielen.

Das arme alte Britannien kann Berichten zufolge nicht einmal seine Atomwaffen abschießen, ohne dass die Vereinigten Staaten von Amerika zuerst den Schlüssel umgedreht haben.

Britanniens üble Laune zeigte auch etwas, was mehr Anlass zu Sorgen gibt. Finanzgeschäfte - Geldverleih und Papieraustausch - macht jetzt 10% von Britanniens Wirtschaft aus. London ist schon lange eine Wildwest-Stadt für unregulierte Finanzfreibeuter und dubiose Akteure, um nicht zu sagen eines der führenden Steuerparadiese der Welt für die obszön Reichen und Zwielichtigen.

In den Vereinigten Staaten von Amerika ist das Finanzwesen jetzt der größte Wirtschaftsbereich und macht über 20% des Bruttoinlandsprodukts aus. Die Produktion ist auf nur 12% des BIP geschrumpft.

Die City of London war starr vor Schreck, sie könnte unter ernsthafte europäische - schlimmer, deutsche! - Finanzregulierung fallen und tatsächlich einige Steuern auf ihre unproduktiven Aktivitäten zahlen müssen. Die Geldverleiher zeigten also ihre Macht, indem sie Cameron drängten, Europa aufzugeben, selbst wenn das gegen Britanniens nationale Interessen ist.

Wall Street ließ bereits die Muskeln spielen, indem sie die Strafverfolgung der Betrüger und Spieler vereitelte, die das Finanzdesaster 2008 herbeigeführt hatten, Höchststeuersätze von 15% für millionenschwere Hedgefonds-Manager verteidigte, Bemühungen abblockte, Amerikas Banken auf eine sichere Größe zurechtzustutzen oder Ermittlungen gegen die ruchlosen Goldman Sachs durchzuführen.

Britanniens Tories (Konservative) würden ihr leckes Boot eher an die finanziell untergehenden Vereinigten Staaten von Amerika anzurren als mit der EU daran zu arbeiten, eine lebensfähige Union aufzubauen.

Sie bleiben lieber weiter dabei, sich auf den gekünstelten Ruhm Churchills zu berufen - dessen unermüdliche antideutsche Kreuzfahrerei in zwei Weltkriegen zum Zusammenbruch des britischen Reiches geführt hat - anstatt sich den dringenden Problemen der Gegenwart zu stellen.

Ein heller Lichtstrahl in all diesem: je mehr der überbewertete Euro sinkt, desto besser wird es der europäischen Exportindustrie gehen. Deutschland hat schon von dieser Absenkung profitiert. Wenn Frankreich und Italien sich dranhängen können und Ausgaben einsparen, werden auch sie profitieren und letztendlich prosperieren.

 
     
  erschienen am 16. Dezember 2011 auf > www.ericmargolis.com > Artikel auf HUFFINGTON POST  
  Archiv > Artikel von Eric Margolis auf antikrieg.com  
 
   
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