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  Die Nachrichten des Reichs

 

„Herr Obama und seine nationalen Sicherheitsberater haben alles getan, um Alliierte zu versichern und Kritiker zu beruhigen, darunter viele Republikaner, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Verpflichtungen im Persischen Golf nicht aufgeben werden, wenn sie den Krieg gegen den Irak herunterfahren und sich darauf vorbereiten, das Gleiche Ende 2014 in Afghanistan zu tun.“ 

Ich pflücke einen Absatz aus der New York Times und für einen Augenblick bin ich ganz gefangen von Alfred, Lord Tennyson und schaudere ganz verwirrt bis in die tiefsten Zonen meiner Gefühle. Hier hab ich dich, ganz und gar, kleiner Absatz. Wenn ich gar verstehen könnte, was du bist, überhaupt und alles in allem, dann sollte ich verstehen, was Reich ist, und Hybris ... und vielleicht sogar, weil so gar nichts davon vorkommt – Demokratie.

Der Absatz enthält das sorgfältige Blabla der Ausschließung, das die einzige Sprache ist, in der die geopolitischen Mächte zu kommunizieren in der Lage sind.

Der Absatz, einer von vielen, die zur Untersuchung herausgepickt und unter das Mikroskop der Empörung gelegt werden hätten können, kommt aus einem gerade vor Halloween veröffentlichten Artikel und ist von Tom Shanker und Steven Lee Myers, die uns informieren, dass obwohl die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Truppen mit Jahresende aus dem Irak abziehen werden, der Krieg in der Region alles andere als vorbei ist: Das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika wird Truppen in Kuwait konzentrieren, mehr Kriegsschiffe in die Region senden und die militärische Allianz mit den sechs Nationen festigen, die das Gulf Cooperation Council bilden (darunter Saudiarabien und Bahrain), um „eine neue Sicherheitsarchitektur“ im Golf zu entwickeln und seinen „Nach-Irak-Fußabdruck“ einzurichten.  

Oder in den Worten von Außenministerin Hillary Clinton: „Wir werden eine robuste weiterführende Präsenz in der Region beibehalten.“ Und das, erklärt sie, „stellt unser weiteres Engagement für den Irak und die Zukunft dieser Region sicher,“ auf die wir deshalb schauen, weil sie „so vielversprechend ist“ – oh Gott, ich mach mich an – „und befreit werden soll von Einmischung von außen, um weitergehen zu können auf ihrem Weg zur Demokratie.“  

Was uns als erstes ins Auge fällt, ist, dass uns die „Neuigkeit“ unter dem Deckmantel der objektiven Berichterstattung als gegebene Tatsache präsentiert wird: Unsere obersten Führer haben die folgenden Pläne, in deren oberflächliche Einzelheiten sie uns netterweise Einblick gewähren.

Kein Widerspruch ist erkennbar in einer Berichterstattung, die dem nationalen Kriegsgetrommle entspringt, kein Hinweis auf eine steigende nationale Ablehnung des Krieges oder unser enormes nationales militärisches Versagen das letzte Jahrzehnt hindurch, das die von der New York Times dargelegten Pläne nur fortsetzen. Da gibt es keinen Hinweis nicht einmal auf offenkundige Widersprüche oder Scheinheiligkeiten, wie etwa die Tatsache, dass unsere Präsenz in der Golfregion wohl genau die „Einmischung von außen“ ist, von der laut Clinton die Region befreit werden sollte.  

Und ganz gewiss ist nicht die leiseste Respektlosigkeit zu finden: keine Bemerkung zum Beispiel, dass wir in dieser ölreichen Region Interessen haben, die über eine tiefgehende Liebe für die Menschen und ihre demokratischen Erwartungen hinaus gehen, oder dass unsere Partner im Gulf Cooperation Council Autokraten sind, die abweichende Meinungen und – ahem – Demokratie brutal unterdrücken.

Statt dessen liest sich die Geschichte wie ineinander verzahnte richtig platzierte Propagandablöcke, und verbreitet nicht so sehr Neuigkeiten, als sie viel mehr die Planer des Sicherheitsstaates vor Fragen und Herausforderungen schützt. Das sind die Nachrichten des Reichs.

Man beachte, dass wenn die Geschichte Kritiker zur Kenntnis nimmt, diese Kritiker Republikaner sind, also fanatische Anhänger des Reichs im Gegensatz zu gemäßigten, was dann als einzige logische Frage betreffend unseren Nach-Irak-Fußabdruck zulässt, ob es überhaupt ein „Nach-Irak“ geben soll. „... amerikanische Militäroffiziere und Diplomaten, aber auch Vertreter verschiedener Länder in der Region machen sich Sorgen, dass der Rückzug Instabilität oder schlimmeres hinterlassen könnte.“

So viel sollte klar sein: Krieg ist einfach. Verstanden?

Und der Krieg könnte sich in mehrere Richtungen entwickeln. Wenn es zu einem „Sicherheitskollaps“ kommt, könnten unsere Soldaten rasch wieder in das Land zurückkehren, das wir schon zerstört haben. Die selben Truppen könnten auch für „eine militärische Konfrontation mit dem Iran“ zur Verfügung stehen.  

Das vielleicht vielsagendste Zitat in dem Artikel in der New York Times stammte vom Außenminister von Bahrain, Sheikh Khalid bin Ahmed-al-Khalifa. Nachdem die Vereinigten Staaten von Amerika aus dem Irak draußen sind, ist eine regionale Allianz notwendig, sagte er: „Jetzt ist das Spiel ein anderes.“

Ja, schon …

Das einzige, was an dieser Äußerung falsch ist, ist dass es kein Spiel ist: weder unsere achteinhalb Jahre im Irak, noch unser Jahrzehnt in Afghanistan, noch unser möglicher Überfall auf den Iran. Unschuldige Menschen sind getötet worden und werden sterben in erschreckender Anzahl, Gifte werden verbreitet, Leben werden vernichtet werden. Die Folgen können nicht unter Kontrolle gebracht werden. Sie bluten jetzt und werden weiter bluten in die Zukunft. Den Artikel in der New York Times berührt das alles nicht, er hat den Tiefgang eines Sportberichts. 

Gibt es eine Demokratie auf einer der beiden Seiten der Raketen, Kriegsschiffe oder Truppeneinsätze? Plötzlich bin ich zurück auf dem Gehsteig mit der Occupy-Bewegung, die zu guter Letzt aufgestanden ist in dieser Zeit der passiven Bürgerschaft, um sich gegen die eingebettete Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit zu stellen, die mit der Herrschaft der Konzerne und deren unterwürfigen Medien einhergehen.

Bürger erheben sich gegen die Anmaßungen des Reichs. Es sind noch wenige – zur Zeit – aber ihr Geist könnte sich als unwiderstehlich erweisen. 

 
     
  Robert Koehlers Artikel erscheinen auf COMMONWONDERS.COM, HUFFINGTON POST und vielen weiteren Websites und Zeitungen  
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