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"Vielleicht stehen wir nicht vor dem Great Reset, sondern an der Schwelle zum Great Awakening?" (aus einer Leserzuschrift)

     
  Aus dem Archiv: über den alltäglichen israelischen Terror gegen die Menschen in Gaza  
     
  „Es geht in erster Linie um Bestrafung ...”

Oded Na’aman / Aussagen von Veteranen der israelischen Armee über Gaza und die okkupierten Territorien von Breaking the Silence (Das Schweigen brechen)

 

„Es gibt kein Land auf der Erde, welches tolerieren würde, dass Raketen von außerhalb seiner Grenzen auf seine Bürger herabregnen,“ sagte Präsident Barack Obama vergangene Woche in einer Pressekonferenz. Er bediente sich dieser allgemeinen Wahrnehmung, um die Operation "Säule der Verteidigung" zu rechtfertigen, Israels jüngste militärische Kampagne im Gazastreifen. Er unterstellt, wenn er die Situation auf diese Weise beschreibt, wie viele andere, dass Gaza eine politische Einheit außerhalb und unabhängig von Israel ist. Das ist nicht der Fall. Es stimmt, dass Israel sich offiziell im August 2005 aus dem Gazastreifen zurückgezogen hat, seine Bodentruppen abzog und die israelischen Siedlungen dort evakuierte. Aber abgesehen von der Abwesenheit einer ständig stationierten Militärpräsenz hat Israel über Gaza von diesem Zeitpunkt bis heute eine drückende Kontrolle ausgeübt.

Die Aussagen von israelischen Armeeveteranen legen die Wahrheit dieses „Abzugs“ bloß. Immerhin führte Israel 2006 die Operation Summer Rains (Sommerregen) und Autum Clouds (Herbstwolken) und 2008 Hot Winter (Heißer Winter) und Cast Lead (Gegossenes Blei) durch – alle in Verbindung mit Bodeninvasionen. In einer Aussage spricht ein Veteran von einer „Operation eines Bataillons“ in Gaza, die fünf Monate lang dauerte, wo den Soldaten befohlen wurde zu schießen, „um Terroristen herauszuziehen,” so dass sie „ein paar töten konnten.“

Israelische Marineblockaden halten die Bewohner Gazas vom Fischen ab, einer Hauptquelle der Nahrungsversorgung im Gazastreifen. Luftblockaden unterbinden die Bewegungsfreiheit. Israel lässt kein Baumaterial in das Gebiet, verbietet Exporte in die West Bank und Israel und verhindert (mit Ausnahme von humanitären Notsituationen) die Bewegung zwischen dem Gazastreifen und der West Bank. Es kontrolliert die palästinensische Wirtschaft, indem es regelmäßig Importsteuern zurückhält. Seine Einschränkungen haben die Erweiterung und den Ausbau der elenden Kanalisation beeinträchtigt, was das Leben in Gaza innerhalb eines Jahrzehnts untragbar machen könnte. Die Blockierung der Meerwasserentsalzung hat die Wasserversorgung zu einem Gesundheitsrisiko gemacht. Wiederholt hat Israel kleine Kraftwerke in Gaza zerstört und damit sicher gestellt, dass der Streifen weiterhin auf die Versorgung mit Elektrizität aus Israel angewiesen ist. Tägliche Stromausfälle sind die Norm seit einigen Jahren. Die israelische Präsenz ist allerorts zu spüren, militärisch und anderweitig.

Indem sie sich auf faktische Missverständnisse stützen, verheimlichen politische Führer - absichtlich oder nicht - Information, die wesentlich ist für unser Verständnis der Ereignisse. Unter den Menschen, die am besten geeignet sind, diese Missverständnisse zurechtzurücken, sind diejenigen, von denen verlangt wurde, die Politik eines Staates zu exekutieren – in diesem Fall israelische Soldaten selbst, eine zuverlässige Quelle von Information über die Aktionen ihrer Regierung. Ich bin ein Veteran der israelischen Armee und ich weiß, dass unsere Erfahrungen aus ersten Hand die Annahme widerlegen, die von vielen einschließlich Präsident Obama akzeptiert wird, dass Gaza eine unabhängige politische Einheit ist, die zur Gänze außerhalb Israels existiert. Wenn Gaza sich außerhalb von Israel befindet, wie kommt es dann, dass wir dort stationiert waren? Wenn Gaza mit Israel nichts zu tun hat, wie kommt es dann, dass wir es kontrollieren? Oded Na’aman 

[Die folgenden Aussagen von israelischen Veteranen wurden ausgewählt aus 145 Aussagen, die von der Nichtregierungsorganisation Breaking the Silence gesammelt und veröffentlicht wurden in „Our Harsh Logic: Israeli Soldiers’ Testimonies From the Occupied Territories, 2000-2010“ („Unsere harte Logik: Aussagen israelischer Soldaten aus den besetzten Gebieten 2000-2010“). Die in dem Buch repräsentieren jede Division in der israelischen Armee und alle Orte in der West Bank und im Gazastreifen.]  

 

1. Hauszerstörung

 

Einheit: Kfir-Brigade

Ort: Bezirk Nablus

Jahr: 2009

Was hat dich bei dem Dienst in den Territorien am meisten erschüttert?

Die Durchsuchungen, die wir in Hares durchgeführt haben. Sie sagten, es sind 60 Häuser, die durchsucht werden müssen. Ich dachte, dass einige Informationen vom Geheimdienst vorliegen müssten. So versuchte ich, das vor mir selbst zu rechtfertigen.

Ihr gingt hinaus als Patrouille?

Es war eine Bataillonsoperation. Sie verteilten sich über das ganze Dorf, übernahmen die Schule, zerschlugen die Schlösser zu den Klassenzimmern. Eines wurde benutzt als Verhörraum für Shin Bet (israelischer Inlandsgeheimdienst), eines für Gefangene, eines als Raum, in dem die Soldaten sich ausruhen konnten. Wir gingen von Haus zu Haus, hämmerten um zwei Uhr morgens an die Haustür. Die Familien halb tot vor Angst, die Mädchen machen sich vor Angst in die Hose. Wir gehen in das Haus und stellen alles auf den Kopf.

Wie sieht der Ablauf aus?

Die Familie wird in einem Raum versammelt, du stellst eine Wache dazu, sagst der Wache, sie soll mit dem Gewehr auf sie zielen und dann durchsuchst du den Rest des Hauses. Wir bekamen einen weiteren Befehl, nach dem jeder, der nach 1980 geboren ... jeder im Alter von sechzehn bis neunundzwanzig, egal wer, bring ihn gefesselt und mit verbundenen Augen. Sie schrien alte Leute an, einer von ihnen hatte einen epileptischen Anfall aber sie schrien ihn weiterhin an. Von jedem Haus, in das wir gingen, brachten wir jeden zwischen 16 und 29 zur Schule. Sie saßen gefesselt in der Schule.

Sagten sie euch den Zweck von dem allen?

Um Waffen zu finden. Aber wir fanden keine Waffen. Sie beschlagnahmten Küchenmesser. Es wurde auch gestohlen. Einer stahl 20 Schekel. Kameraden gingen in die Häuser und sahen sich um nach Sachen, die sie stehlen konnten. Es war ein sehr armes Dorf. Sie sagten: „So ein Mist, da gibt´s nichts zu stehlen.“

Das wurde gesagt in einem Gespräch unter den Soldaten?

Ja. Es taugte ihnen, das Elend zu beobachten, die Kerle waren glücklich, wenn sie darüber sprachen. Es gab einen, der die Soldaten anschrie. Sie wussten, dass er psychisch krank war, aber einer der Soldaten beschloss, dass er ihn auf jeden Fall niederschlagen werde, so schlugen sie ihn alle. Sie schlugen ihn auf den Kopf mit einem Gewehrkolben, er blutete, dann brachten sie ihn zur Schule mit all den anderen. Dort war ein Stoß von vom Bataillonskommandanten unterschriebenen Haftbefehlen, gebrauchsfertig, nur ein Teil war ausgespart. Dort trugen sie den Namen der Person und den Grund für die Verhaftung ein. Es waren Menschen dort mit Plastikhandschellen, die wirklich fest angezogen waren. Ich konnte mit den Menschen dort sprechen. Einer von ihnen war nach Israel gebracht worden, um für einen Siedler zu arbeiten, und nach zwei Monaten zahlte ihm dieser nichts und übergab ihn der Polizei.

Alle diese Menschen kamen aus diesem einen Dorf?

Ja.

Gab es noch etwas in dieser Nacht, an das du dich erinnerst?

Eine unbedeutende Angelegenheit, aber es nervte mich – ein Haus, das sie gerade zerstört hatten. Sie haben einen Hund für die Suche nach Waffen, aber sie brachten ihn nicht her, sie demolierten einfach das Haus. Die Mutter sah von der Seite zu und weinte. Ihre Kinder saßen  bei ihr und streichelten sie.

Wie meinst du das, sie demolierten einfach das Haus?

Sie zertrümmerten die Böden, warfen Sofas um, warfen Pflanzen und Bilder, drehten Betten um, zerschmetterten die Klos, die Ziegel. Da waren noch andere Dinge – der Ausdruck auf den Gesichtern der Menschen, wenn du in ihr Haus gehst. Und nach all dem wurden sie stundenlang gefesselt und mit verbundenen Augen in der Schule belassen. Der Befehl, sie freizulassen, kam um vier Uhr nachmittags. Es waren also mehr als zwölf Stunden. Da gab es Verhörbeamte von den Geheimdiensten, die sie einen nach dem anderen verhörten. 

Gab es in dem Gebiet einen terroristischen Angriff?

Nein. Wir fanden nicht einmal Waffen. Der Brigadekommandant behauptete, dass Shin Bet einige Informationen bekommen habe, dass es da einen Haufen Burschen gibt, die Steine werfen.

 

2. Seeblockade

 

Einheit: Marine

Ort: Gazastreifen

Jahr: 2008

Es geht meistens um Bestrafung. Ich hasse das: „Sie haben uns dies angetan, also werden wir ihnen das antun.“ Wissen Sie, was eine Seeblockade für die Menschen in Gaza bedeutet? Es gibt ein paar Tage nichts zu essen. Wenn es zum Beispiel in Netanya eine Attacke gibt, dann verhängen sie eine viertägige Seeblockade über den gesamten Streifen. Kein seetüchtiges Schiff kann auslaufen. Ein Dabur-Patrouillenboot ist am Eingang zum Hafen stationiert, und wenn sie versuchen hinauszukommen, schießen die Soldaten binnen Sekunden auf den Bug und setzen sogar Angriffshelikopter ein, um sie zu erschrecken. Wir unternahmen viele Einsätze mit Angriffshelikoptern – diese schießen nicht viel, weil sie das lieber uns überlassen, aber sie erschrecken die Menschen, sie kreisen über ihren Köpfen. Plötzlich ist eine Cobra gerade über dir, wirbelt die Luft hoch und wirft alles herum.

Und wie häufig waren die Blockaden?

Sehr häufig. Es konnten in einem Monat drei sein, dann wieder drei Monate lang keine. Je nachdem.

Wie lange dauert die Blockade, einen Tag, zwei Tage, drei Tage, vier oder noch mehr?

Ich kann mich an keine erinnern, die länger als vier Tage dauerte. Hätte es länger gedauert, dann wären sie dort gestorben, und ich denke, die israelische Armee weiß das. Siebzig Prozent von Gaza leben vom Fischfang – sie haben keine andere Möglichkeit. Es gibt ganze Familien, die einige Tage lang nichts essen wegen der Blockade. Sie essen Brot und Wasser.

 

3. Schießen, um zu töten

 

Einheit: Pionierkorps

Ort: Rafah

Jahr: 2006 

Während der Operationen in Gaza schoss man bei allen, die auf der Straße waren, auf den Rumpf. Bei einem Einsatz im Philadelphi-Korridor schoss man bei jedem, der in der Nacht unterwegs war, auf den Rumpf.

Wie oft fanden diese Einsätze statt?

Täglich. Im Philadelphi-Korridor jeden Tag.

Wenn du auf der Suche bist nach Tunnels, wie schaffen es die Menschen auszuweichen – ich meine, die leben doch in dem Gebiet.

Es ist so: du bringst eine Kraft hinauf in den dritten oder vierten Stock eines Gebäudes. Eine andere Gruppe führt die Durchsuchung darunter durch. Sie wissen, dass Menschen versuchen werden, sie anzugreifen, während sie die Durchsuchung betreiben. Daher platzieren sie die Kraft weit oben, damit die auf jeden schießen kann, der sich unten auf der Straße bewegt.

Wieviel wurde da geschossen?

Endlos.

Sagen wir, ich bin dort, ich bin im dritten Stock. Schieße ich auf jeden, den ich sehe?

Ja.

Aber es ist in Gaza, es ist eine Straße, es ist der am dichtesten besiedelte Ort der Welt.

Nein, nein. Ich rede vom Philadelphi-Korridor.

Das ist also ein ländliches Gebiet?

Nicht wirklich, da ist eine Straße, es ist wie die Vorstädte, nicht das Zentrum. Bei den Einsätzen in den anderen Wohnvierteln von Gaza ist es das Gleiche. Schießen bei den nächtlichen Operationen – schießen.

Gibt es da eine Art Ankündigung, wo man den Menschen sagt, sie sollen in den Häusern bleiben?

Nein.

Sie schießen tatsächlich Menschen?

Sie schießen auf jeden, der auf der Straße geht. Es endete immer mit: „Wir töteten heute sechs Terroristen.“ Jeder, den du auf der Straße erschießt ist „ein Terrorist.“

Ist es das, was sie in den Einsatzbesprechungen sagen?

Das Ziel ist es, Terroristen zu töten.

Wie lauten die Einsatzregeln?

Erschieß jeden, der in der Nacht unterwegs ist, schieß, um zu töten.

Auch während des Tages?

Sie redeten darüber in den Einsatzbesprechungen: schau bei allen, die bei Tag unterwegs sind, ob da etwas verdächtig ist. Aber schon ein Spazierstock konnte etwas verdächtiges sein.

 

4. Operation Eliminierung

 

Einheit: Sonderkommando

Ort: Gazastreifen

Jahr:2000

Das war eine Periode zu Beginn der Intifada, als sie Menschen ermordeten, indem sie Helikopterraketen benutzten.

Das war am Anfang der zweiten Intifada? 

Ja. Aber es war ein großes Durcheinander, weil es Fehler gab und andere Menschen getötet wurden, sie sagten uns daher, dass wir jetzt eine Grundeliminierungsoperation durchführen würden.

Benutzten sie diesen Begriff? „Grundeliminierungsoperation?“

Ich kann mich nicht erinnern. Aber wir wussten, dass das die erste der Intifada sein würde. Das war sehr wichtig für die Kommandanten und wir begannen mit der Ausbildung dafür. Der Plan war, einen Terroristen auf seinem Weg nach Rafah abzufangen, ihn mitten auf der Straße zu stellen und zu eliminieren.

Nicht ihn zu verhaften?

Nein, direkte Eliminierung. Gezielt. Aber diese Operation wurde abgesagt, und ein paar Tage später sagten sie uns, dass wir eine Verhaftungsoperation durchführen würden. Ich erinnere mich an die Enttäuschung. Wir sollten den Kerl verhaften, anstatt etwas Bahnbrechendes zu tun, was die Bedingungen verändern würde. So war also die Operation geplant ...

Jedenfalls warteten wir im APC (armoured personnel carrier – gepanzerter Mannschaftstransporter), bei uns sitzen Shin Bet-Agenten, un wir können die neuesten Meldungen vom Geheimdienst hören. Es war erstaunlich, wie „er sitzt in seinem Haus und trinkt Kaffee, er geht die Stiege hinunter, grüßt den Nachbarn“ – und solches Zeug. „Er geht wieder hinauf, kommt wieder herunter, sagt dies und das, öffnet jetzt den Laderaun, lässt einen Freund einsteigen“ – wirklich detaillierte Angaben. Er fuhr nicht selbst, jemand anderer lenkte das Fahrzeug, und sie sagten uns, dass seine Waffe sich im Laderaum befand. Wir wussten also, dass er die Waffe nicht bei sich hatte, was die Verhaftung erleichtern würde. Zumindest ließ meine Anspannung nach, da ich wusste, dass sie auf ihn schießen würden, wenn er loslief, um an seine Waffe zu kommen.  

Wo saß der Shin Bet-Agent?

Bei mir im APC. Wir standen in Verbindung mit dem Kommando und sie sagten uns, er würde in fünf Minuten eintreffen, in vier Minuten, in einer Minute. Und dann gab es eine Änderung in den Befehlen, anscheinend vom Brigadekommandanten: Operation Eliminierung. Eine Minute davor. Sie hatten uns darauf nicht vorbereitet. Noch eine Minute und es ist eine Eliminierungsoperation. 

Warum sagst du „anscheinend vom Brigadekommandanten“?

Ich glaube, es war der Brigadekommandant. Im Rückblick erscheint die ganze Angelegenheit als politisches Spiel des Befehlshabers, der versucht, Pluspunkte dafür zu kriegen, dass er die erste Eliminierungsoperation durchführt, und auch der Brigadekommandant versucht es ... jeder wollte es, jeder war scharf darauf. Das Auto kommt an, aber es läuft nicht nach Plan: ihr Auto hält dort, und ein anderes Auto steht davor, hier. Soweit ich mich erinnere, mussten wir schießen, er war drei Meter weit weg. Wir mussten schießen. Nachdem sie die Autos anhielten, feuerte ich über das Sichtgerät und das Gewehrfeuer machte einen Wahnsinnigen Lärm, einfach verrückt. Und gerade als wir zu schießen begannen, begann das Auto in diese Richtung zu beschleunigen.

Das Auto davor?

Nein, das Auto des Terroristen – offenbar wurde das Bein des Fahrers mit dem Gaspedal verklemmt, als sie auf ihn schossen und sie begannen zu flüchten. Das Gewehrfeuer nahm zu und der Kommandant neben mir schreit „Halt, halt, Feuer einstellen,“ aber sie hören nicht auf, zu schießen. Unsere Leute steigen aus und beginnen zu laufen, weg vom Jeep und vom gepanzerten Fahrzeug, feuern ein paar Schüsse ab und ziehen sich zurück. Ein paar Minuten lang schwirrten irrsinnig Kugeln herum. “Halt, halt, Feuer einstellen,“ und dann hören sie auf. Sie feuerten Dutzende, wenn nicht hunderte Kugeln in das vordere Auto. 

Sagst du das, weil du das hinterher überprüft hast?

Weil wir die Körper heraustrugen. Es waren drei Menschen in diesem Auto. Nichts passierte der Person auf dem Rücksitz. Er stieg aus, blickte um sich, ungefähr so, hob seine Hände in die Luft. Aber die beiden Körper auf den Vordersitzen waren in Stücke zerhackt ...

Danach zählte ich, wieviele Kugeln ich übrig hatte – ich hatte zehn Schuss abgegeben. Die ganze Sache war erschreckend – mehr und mehr und mehr Lärm. Alles dauerte etwa eineinhalb Sekunden lang. Und dann zogen sie die Körper heraus, trugen die Körper. Wir gingen zu einer Einsatznachbesprechung. Ich werde nie vergessen, wie sie die Körper auf den Stützpunkt herausbrachten. Wir standen zwei Meter entfernt in einem Halbkreis, die Körper waren bedeckt mit Fliegen, und wir hatten die Nachbesprechung. Etwa so: „Großartige Arbeit, ein Erfolg. Jemand schoss auf das falsche Auto, und wir werden später über den Rest reden, wenn wir in der Kaserne sind.“ Ich befand mich in einem totalen Schockzustand von all den Kugeln, vom irrsinnigen Lärm. Wir sahen es auf dem Video, es war alles dokumentiert auf Video für die Nachbesprechung. Ich sah all die Dinge, von denen ich euch erzählte, die laufenden Menschen, die Minute Gewehrfeuer, ich weiß nicht, ob es zwanzig Sekunden waren oder eine Minute, aber es waren hunderte Kugeln und es war klar, dass die Menschen getötet worden waren, aber das Schießen ging weiter und die Soldaten rannten los vom gepanzerten Wagen. Was ich sah, war ein Haufen blutrünstiger Kerle, die eine irrsinnige Anzahl Kugeln verschossen, noch dazu auf das falsche Auto. Das Video war einfach schrecklich, und dann stand der Kommandant der Einheit auf. Ich bin mir sicher, dass wir noch eine Menge von ihm hören werden. 

Was meinst du damit?

Dass er eines Tages befehlshabender Offizier einer Region sein wird oder Chef des Generalstabs. Er sagte: „Die Operation wurde nicht perfekt ausgeführt, aber die Mission wurde erreicht und wir bekamen Anrufe vom Generalstabschef, vom Verteidigungsminister, vom Premierminister“ – jeder war glücklich, es ist gut für die Einheit, und die Operation war gerade, Sie wissen, ein „großartiger Job.“ Die Nachbesprechung war nur eine Vertuschung. 

Das heißt?

Das heißt, dass niemand innehielt, um zu sagen: „Drei unschuldige Menschen sind gestorben.“ Vielleicht gab es für diesen Fahrer keine andere Möglichkeit, aber wer waren die andern?

Wer waren sie tatsächlich?

Damals hatte ich einen Freund, der eine Ausbildung bei Shin Bet machte, und er erzählte mir über die Witze, die herumgingen, dass der Terrorist ein Niemand war. Wahrscheinlich war er an einer Schießerei beteiligt und die beiden anderen hatten gar nichts getan. Was mich schockierte, war, dass am Tag nach der Operation die Zeitungen berichteten, dass „eine geheime Einheit vier Terroristen getötet hat,“ und es gab eine ganze Geschichte über jeden einzelnen, woher er kam, woran er beteiligt war, die Operationen, die er durchgeführt hatte. Ich aber weiß, dass sie bei Shin Bet Witze darüber machen, wie wir einen Niemand getötet haben und dass die beiden anderen gar nichts damit zu tun hatten, auch in der Nachbesprechung erwähnten sie das nicht einmal.

Wer hielt die Nachbesprechung ab?

Der Kommandant der Einheit. Das erste, was ich zu hören erwartete, war, dass etwas schlimmes passiert ist, dass wir die Operation zur Eliminierung einer Person durchführten und letztlich vier eliminierten. Ich erwartete, dass er sagen würde: „Ich möchte wissen, wer auf das erste Auto geschossen hat. Ich möchte wissen, warum A, B, C es eilig hatten, sich an der großen Schießerei zu beteiligen.“ Aber das passierte nicht, und ich begriff, dass es ihnen einfach egal war. Diese Leute tun, was sie tun. Sie kümmern sich nicht darum.

Sprachen die Kameraden darüber?

Ja. Es gab zwei, mit denen ich reden konnte. Einer von ihnen war wirklich geschockt, aber das hielt ihn nicht davon ab weiterzumachen. Es hielt auch mich nicht ab. Ich verstand erst, nachdem ich das Militär hinter mir hatte. Nein, sogar als ich noch in der Armee war, begriff ich, dass etwas wirklich schlimmes geschehen war. Aber die Shin Bet-Agenten waren so glücklich wie Kinder in einem Ferienlager.

Was heißt das?

Sie klopften sich auf die Schultern und umarmten sich. Wirklich zufrieden mit sich. Sie nahmen an der Nachbesprechung nicht teil, sie hatten daran kein Interesse. Aber was war der politische Aspekt dieser Operation? Wie kommt es, dass keiner meiner Kommandanten, kein einziger davon, eingestand, dass die Operation daneben gegangen war? Und so schlimm daneben gegangen war mit der Schießerei auf dem ganzen Platz, dass die Männer, die im Lastwagen saßen, von Kugelsplittern getroffen wurden. Es ist ein Wunder, dass wir uns nicht gegenseitig umgebracht haben.

 

5. Ihre Glieder waren über die Wand verschmiert

 

Einheit: Givati Brigade

Ort: Gazastreifen

Jahr: 2008 

Eine Kompanie erzählte mir, dass sie eine Operation durchführte, bei der eine Frau gesprengt und über die ganze Wand verschmiert wurde. Sie klopften länger an ihre Türe und es gab keine Antwort, so dass sie beschlossen, diese mit Sprengstoff zu öffnen. Sie brachten diese an der Tür an und genau in diesem Moment kam die Frau, um zu öffnen. Dann kamen die Kinder herunter und sahen sie. Ich hörte davon nach der Operation beim Abendessen. Einer sagte, dass es lustig war, dass die Kinder ihre Mutter auf die Wand geschmiert sahen und alle brachen in Gelächter aus. Ein anderes Mal wurde ich von meinem Trupp angeschrien, als ich ging, um den Gefangenen etwas Wasser aus unserer Feldflasche zu geben. Sie sagten „bist du verrückt?“ Ich konnte nicht sehen, was ihr Problem war, daher sagten sie „du weißt schon, Keime.“ In Nahal Oz gab es einen Vorfall mit Kindern, die von ihren Eltern geschickt worden waren, um zu versuchen nach Israel zu kommen, um Nahrung zu finden, weil ihre Familien hungerten. Es waren vierzehn oder fünfzehn Jahre alte Buben, denke ich. Ich erinnere mich an einen von ihnen, der mit verbundenen Augen da saß, und da kam einer und schlug ihn, hier.

Auf die Beine.

Und schüttete Öl auf ihn, das Zeug, das wir zum Waffenreinigen hernehmen.

 

6. Wir schossen auf Fischer

 

Einheit: Marine

Ort: Gazastreifen

Jahr: 2007

Es gibt einen Bereich an der Grenze zu Gaza, der der Kontrolle der Marine untersteht. Sogar nachdem Israel sich aus dem Streifen zurückgezogen hat, änderte sich nichts im Bereich des Meeres. Ich erinnere mich, dass in der Nähe von Zone K, die Israel von Gaza trennt, Kinder im Alter von vier oder sechs Jahren waren, die frühmorgens aufstanden um zu fischen, in den Zonen, die verboten waren. Sie gingen dorthin, weil die anderen Zonen mit Fischern überfüllt waren. Die Kinder versuchten immer die Grenze zu überschreiten, und jeden Morgen schossen wir in ihre Richtung, um ihnen Angst zu machen. Es kam so weit, dass wir auf die Füße der Kinder schossen, wo sie am Strand standen oder auf die mit Surfbrettern. Wir hatten Druze Polizeibeamte an Bord, die sie in Arabisch anschrien. Wir sahen, wie die armen Kinder weinten.

Was meinst du mit „schossen in ihre Richtung”?

Es beginnt mit Schüssen in die Luft, dann geht es über zu knapp vorbeischießen, und in extremen Fällen kommt es dazu, dass man auf ihre Beine schießt.

Auf welche Entfernung?

Fünf- oder sechshundert Meter, mit einem schweren Maschinengewehr der Marke Rafael geht alles automatisch.

Worauf zielt ihr? 

Es geht um die Perspektive. Auf dem Bildschirm ist ein Messskala für die Höhe und eine für die Entfernung, und du stellst mit dem Cursor ein, wohin die Kugel gehen soll. Es eliminiert den Effekt der Wellen und trifft, wohin es soll, es ist präzis.

Du zielst einen Meter neben das Surfboard?

Eher fünf oder sechs Meter. Ich habe von Fällen gehört, wo sie tatsächlich Surfboards trafen, aber ich habe keine gesehen. Da gab es andere Dinge, die mich plagten, diese Sache mit palästinensischen Fischernetzen. Diese Netze kosten um die viertausend Schekel, was für sie so viel ist wie eine Million Dollar. Wenn sie zu oft nicht taten, was wir sagten, versenkten wir ihre Netze. Sie lassen ihre Netze etwa sechs Stunden lang im Wasser. Das Dabur Patrouillenboot kommt und schneidet ihre Netze ab.

Warum?

Als Strafe.

Wofür?

Weil sie nicht taten, was wir sagten. Sagen wir ein Boot treibt in eine Zone, die verboten ist, da kommt dann so ein Dabur, umkreist es, schießt in die Luft und fährt zurück. Nach einer Stunde kommt das Boot wieder und auch das Dabur kommt. Beim dritten Mal beginnt das Dabur, auf die Netze zu schießen, auf das Boot und schießt dann, um das Boot zu versenken.

Liegt die verbotene Zone nahe bei Israel?

Da gibt es eine Zone in der Nähe Israels und eine weitere entlang der israelisch-ägyptischen Grenze – Israels Seegrenze reicht zwölf Meilen weit hinaus, die von Gaza nur drei Meilen. Sie haben nur diese drei Meilen bekommen, und zwar aus einem Grund, nämlich dass Israel ihr Gas haben will, und es gibt eine Bohrinsel etwa dreieinhalb Meilen vor dem Gazastreifen, die den Palästinensern gehören sollte, außer dass sie uns gehört ... das Sonderkommando der Marine ist für die Sicherheit der Bohrinsel zuständig. Wenn ein Vogel zu nahe an die Zone kommt, schießen sie ihn. Es gibt ein irrsinniges Aufgebot an Sicherheit für dieses Ding. Einmal fischten Ägypter mit Netzen außerhalb der Dreimeilenzone, und wir behandelten sie. Ein totales Desaster.

Was heißt das?

Sie waren in internationalen Gewässern, wir haben keine Hoheit dort, aber wir schossen auf sie.

Auf ägyptische Fischernetze?

Ja. Obwohl wir Frieden haben mit Ägypten.

 

Siehe auch im Archiv: > Oded Na'aman - Die Kontrollstelle

 
     
  erschienen am 25. November 2012 auf > TomDispatch.com > Artikel  
  Oded Na’aman ist Mitherausgeber von „Our Harsh Logic: Israeli Soldiers’ Testimonies from the Occupied Territories, 2000–2010” (Metropolitan Books, 2012). Er ist auch einer der Gründer von Breaking the Silence, einer israelischen Organisation, die sich dem Sammeln von Aussagen israelischer Soldaten widmet, und ein Mitglied des israelischen Oppositions-Netzwerks. Er diente in der israelischen Armee als First Sergeant und Crew Commander im Artilleriekorps von 2000 – 2003 und arbeitet zur Zeit an seiner Doktorarbeit in Philosophie an der Universität Harvard. Die Aussagen in diesem Artikel sind dem Buch „Our Harsh Logic“ entnommen und wurden bearbeitet und gekürzt.  
     
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  In den Sudelmedien wird so gut wie täglich über das allerwerteste Befinden des britischen Königshauses und dessen Verwandtschaft berichtet. Wer mit wem, wer gegen wen usw. sind die Fragen, die uns um die Ohren geschlagen werden.

Dass es sich hier um die höchste Instanz des Landes handelt, das fernab von rechtsstaatlichen Verhältnissen für Julian Assange - übrigens ein "Untertan" aus der ehemaligen Kolonie Australien - vor den Augen der ganzen Welt die Neuauflage des mittelalterlichen Hungerturms inszeniert, bleibt unerwähnt.

Dieser ungeheuerliche Bruch mit der zeitgemäßen Zivilisation beweist eindeutig, dass die sogenannte westliche "Kultur" mitsamt ihren "Werten" ("Menschenrechte", "Rechtsstaat" usw.) keinen Pfifferling wert ist, zumal deren "Hüter" zu diesen skandalösen Vorgängen schweigen.

Was der neue König dazu sagt? Ob er die Absicht hat, zum Auftakt seiner Regentschaft nicht Gnade vor Recht, sondern Recht vor Unrecht ergehen zu lassen?

Klaus Madersbacher, antikrieg.com

 
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  Jonathan Turley - Das Große Geld hinter dem Krieg: der militärisch-industrielle Komplex
  Jonathan Cook - Die vorgetäuschte Welt der Konzernmedien
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  Mark Danner - US-Folter: Stimmen von dunklen Orten
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  Die Politik der Europäischen Union gegenüber Syrien ist nicht nur scheinheilig, zynisch und menschenverachtend, sie ist ein Verbrechen gegen den Frieden. Das wird etwa durch einen durchgesickerten UNO-Bericht (>>> LINK) bestätigt (von dem Sie nicht viel hören werden ...), siehe auch den vor kurzem erschienenen Bericht der US-Abgeordneten Tulsi Gabbard (LINK) und das Interview mit dem niederländischen Pater Daniel Maes (LINK)! In dem Artikel "In Syrien hungert jeder Dritte (LINK)" finden Sie neuere Informationen. Der Bericht des Welternährungsprogramms der UNO (LINK) spricht Bände und kann daher dem breiten Medienpublikum wohl auch nicht zugemutet werden. Weitere Neuigkeiten über dieses Musterstück barbarischer Politik finden Sie >>> HIER.

Das ist die Politik der Europäischen Union, die offenbar von bestimmten Interessengruppen gelenkt wird und sich aufführt wie die Vereinigte Kolonialverwaltung der europäischen Ex-Kolonialmächte. Warum unsere politischen Vertreter nicht gegen diese kranke und abwegige, für keinen vernünftigen Menschen nachvollziehbare Politik auftreten, fragen Sie diese am besten selbst!

 
> Appell der syrischen Kirchenführer im Juni 2016 (!): Die Sanktionen der Europäischen Union gegen Syrien und die Syrer sind unverzüglich aufzuheben! (LINK) <
     
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