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Abzug aus dem SahelFrankreich und Deutschland stehen vor dem Ende ihrer Militärpräsenz und ihres Einflusses im zentralen Sahel (Mali, Burkina Faso, Niger). Stärkeren Einfluss gewinnen Russland und die USA.German Foreign Policy
BERLIN/PARIS/NIAMEY (Eigener Bericht) Nach der Ankündigung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, die französischen Streitkräfte aus Niger abzuziehen, zeichnet sich auch der Rückzug der Bundeswehr aus dem Land ab. Macron teilte am gestrigen Sonntag mit, die etwa 1.500 in Niger stationierten französischen Soldaten würden bis Ende des Jahres nach Frankreich heimkehren. Der Ankündigung waren nach einem Ultimatum der Junta in Niamey kontinuierliche Proteste der nigrischen Bevölkerung gegen die französische Militärpräsenz vorausgegangen. Bereits in der vergangenen Woche hatte der Berliner Verteidigungsminister Boris Pistorius geurteilt, die Bundeswehr müsse ihre Präsenz in Niger überprüfen; dies gelte umso mehr, falls Frankreich seine Truppen abziehe. Dies ist nun der Fall. Damit verlieren die Mächte Westeuropas innerhalb weniger Jahre ihre gesamte Militärpräsenz und ihren einst starken politischen Einfluss im zentralen Sahel; dieser erhält die Chance auf eine eigenständigere Entwicklung. Stärkeren Einfluss gewinnt Russland. Die USA sind bestrebt, sich über ihre Drohnenbasis bei Agadez im Sahel halten zu können. Gelingt ihnen dies, hängen sie Frankreich einmal mehr machtpolitisch ab.
Im freien Fall
Im zentralen Sahel verfestigt sich ein weitreichender Machtverlust der Staaten Westeuropas, die noch vor wenigen Jahren den maßgeblichen Einfluss auf die Regierungen Malis, Burkina Fasos und Nigers geltend machen konnten. Militärisch dominierte Frankreich mit größeren Einsätzen in allen drei Staaten. Deutschland beteiligte sich stark am EU-Ausbildungseinsatz in Mali wie auch an der dortigen UN-Truppe MINUSMA; es richtete darüber hinaus einen Lufttransportstützpunkt in Niger ein und bildete dort Spezialkräfte aus.[1] Zudem suchten die europäischen Mächte die Streitkräfte Malis, Burkina Fasos sowie Nigers gemeinsam mit denjenigen Tschads und Mauretaniens im Rahmen eines eigenen Formats (G5 Sahel) für ihre Zwecke einzuspannen.[2] Seit vergangenem Jahr befindet sich all dies im freien Fall. Mali hat zuerst Frankreichs Streitkräfte aus dem Land geworfen, dann die MINUSMA zum Abzug aufgefordert; während die MINUSMA noch dabei ist, das Land zu verlassen, haben die EU-Truppen dies bereits getan. Auch Burkina Faso hat den Abzug der französischen Truppen von seinem Territorium durchgesetzt. Noch offen war bis zum gestrigen Sonntag, wie es in Niger weitergehen sollte; dort sind neben rund 1.500 französischen auch rund 100 deutsche Militärs stationiert.
Präsenz überprüfen
Die nigrische Junta hatte schon am 3. August Nigers Vereinbarungen zur Militärkooperation mit Frankreich aufgekündigt und die französischen Streitkräfte zum Abzug aufgefordert. Seit dem Ablauf der Frist am 3. September fanden regelmäßig gut besuchte Protestkundgebungen unweit der zentralen französischen Militärbasis am nigrischen Hauptstadtflughafen statt.[3] Dennoch weigerte sich Paris wochenlang, der Abzugsforderung aus Niamey Folge zu leisten: Präsident Emmanuel Macron versteifte sich darauf, Nigers gestürzter Präsident Mohamed Bazoum sei ungesetzlich aus dem Amt entfernt worden; deshalb sei auch die Aufkündigung der Stationierungsverträge zwischen Niamey und Paris rechtlich unwirksam.[4] Am gestrigen Sonntag schwenkte Macron dann allerdings um und kündigte den vollständigen Abzug der französischen Truppen noch vor Jahresende an.[5] Dies wird voraussichtlich Auswirkungen auf die Bundeswehrpräsenz in Niger haben. Bereits in der vergangenen Woche hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius geäußert: Wenn es keinen Grund mehr gibt zu bleiben und die Gefahr für unsere Truppe zu hoch ist, dann müssen wir unsere Präsenz natürlich überprüfen.[6] Falls Frankreich seine Einheiten abziehe, dann stelle sich auch für uns die Frage eines Abzuges umso mehr. Dies ist nun der Fall.
Die Alliance des États du Sahel (AES)
Parallel zum Abzug der europäischen Truppen haben die drei Staaten des zentralen Sahel begonnen, eine eigene Sicherheitsstruktur zu entwickeln. So haben Mali, Burkina Faso und Niger am 16. September ein neues Verteidigungsbündnis gegründet, das den Namen Alliance des États du Sahel (AES) trägt. Es sieht explizit vor, dass im Fall eines Angriffs auf einen der Mitgliedstaaten alle drei gemeinsam die Angreifer militärisch zurückzuschlagen suchen.[7] Aktuell gilt dies insbesondere der Drohung der westafrikanischen Regionalorganisation ECOWAS, nach Niger einzumarschieren, sollte die Junta in Niamey sich nicht zum Rücktritt bereiterklären. Einen solchen Einmarsch hatte vor allem Frankreich unterstützt, um den eng mit ihm kollaborierenden gestürzten Präsidenten Bazoum erneut an die Macht zu bringen.[8] Abgesehen von der Abwehr äußerer Bedrohungen ist die AES auch zur Abwehr innerer Gewalt insbesondere durch jihadistischen Terror gedacht; ihr Gründungsdokument trägt den Namen Charte du Liptako-Gourma benannt nach der Grenzregion zwischen Mali, Burkina Faso und Niger, die zuletzt in besonderem Maß unter jihadistischen Angriffen litt. Burkina Faso hat laut Berichten bereits hundert Soldaten in Nigers Region Tillia entsandt.[9]
Russische Militärausbilder
Noch unklar ist, wie sich das Verhältnis der AES zu außerafrikanischen Mächten jenseits Westeuropas entwickeln wird. Malis Regierung unterhält derzeit enge Militärbeziehungen zu Russland, hat russische Militärs und Mitarbeiter privater russischer Militärfirmen ins Land geholt und kauft russische Waffen. Burkina Faso erwirbt gleichfalls russische Rüstungsgüter, sucht bisher aber den Kampf gegen den jihadistischen Terror eigenständig, möglichst ohne unmittelbare auswärtige Unterstützung zu führen. Ob dies gelingt, ist ungewiss. Ende August hielt sich eine russische Delegation unter Leitung des Moskauer Vizeverteidigungsministers Junus-Bek Jewkurow in Ouagadougou auf, um Optionen zur Zusammenarbeit zu diskutieren. Dabei war etwa die Ausbildung burkinischer Militärpiloten in Russland im Gespräch.[10] Details über die Ergebnisse sind allerdings bislang nicht bekannt.
US-amerikanische Drohnen
In Niger wiederum suchen sich die Vereinigten Staaten festzusetzen. Zum einen haben sie mittlerweile diejenigen ihrer Soldaten, die in Niamey unmittelbar neben den französischen Truppen stationiert waren, auf ihre Drohnenbasis in Agadez im Norden des Landes verlegt; Frankreichs bevorstehender Truppenabzug tangiert sie also nicht. Zum anderen haben sie ihre Drohnenflüge in Agadez, die nach dem Putsch in Niamey vom 26. Juli zunächst ausgesetzt worden waren, in gewissem Umfang wieder aufgenommen, und sie wollen sie ausweiten.[11] Gelingt es den USA, ihre Militärpräsenz in Agadez zu festigen, dann könnten sie nicht nur militärisch in Niger präsent bleiben; sie hätten zudem Frankreich einmal mehr machtpolitisch abgehängt ähnlich wie bereits 2021 in Australien mit dem AUKUS-Pakt (german-foreign-policy.com berichtete [12]). Ob es tatsächlich dazu kommt, ist freilich ungewiss.
[1] S. dazu Die letzte Bastion im Kriegsgebiet (III). [2] S. dazu Die Militarisierung des Sahel. [3] Niger : nouvelle manifestation contre les soldats français. tchadinfos.com 18.09.2023. [4] Niger : Emmanuel Macron affirme que lambassadeur de France est « pris en otage » à lintérieur de lambassade. lemonde.fr 15.09.2023. [5] Niger : Emmanuel Macron annonce le rapatriement de lambassadeur et des militaires français. lemonde.fr 24.09.2023. [6] Cédric Pietralunga, Elise Vincent, Thomas Wieder: Sébastien Lecornu et Boris Pistorius, ministres français et allemande de la défense : « Nous devons nous réjouir davoir des armées plus fortes ». lemonde.fr 20.09.2023. [7] Le Mali, le Burkina Faso et le Niger scellent « lAlliance des États du Sahel ». jeuneafrique.com 18.09.2023. [8] Au Niger, la junte accuse la France de préparer une « agression ». jeuneafrique.com 10.09.2023. [9] Etienne Gatanazi: Alliance militaire Niger-Mali-Burkina, la fin du G5 Sahel ? dw.com 18.09.2023. [10] Le Burkina Faso a discuté avec la Russie dune possible cooperation militaire. lemonde.fr 01.09.2023. [11] Elise Vincent: Les Etats-Unis reprennent en partie leurs activités militaires au Niger. lemonde.fr 15.09.2023. [12] S. dazu Der AUKUS-Pakt und die Fregatte Bayern. |
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erschienen am 25. September 2023 auf > GERMAN-FOREIGN-POLICY > Artikel | ||||||||||||||
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