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Die Regierung Trump ärgert
Deutsche und Europäer wo sie nur kann. Wenn man unsere
Politiker und Kommentatoren so hört, könnte man meinen,
wir hätten eine Phase der Entfremdung m
transatlantischen Verhältnis; Deutschland und Europa
könnten sich womöglich freischwimmen vom
übermächtigen Einfluss der Schutzmacht. Dabei folgt das
alles einem raffinierten Kalkül um durchzusetzen, was
Trump schon vor Amtsantritt mit markigen Worten gefordert
hat: dass die Deutschen (und Europäer) einen größeren
Teil der Kriegsaufgaben übernehmen.
Strafzölle für
europäische Waren, ein neuer US-Botschafter, der vom
ersten Tag an provoziert, Europa aufgezwungene,
völkerrechtswidrig durchgesetzte, einseitige Sanktionen
gegen Iran: Trump spielt Hardball. Das hat zwei
Funktionen:
Es gibt denen, die in Europa
die Aufrüstung und Übernahme von Verantwortung,
also Beteiligung an Kriegen zur Durchsetzung
wirtschaftlicher Interessen, bewerben und durchsetzen
sollen, ein neues schlagkräftiges Argument an die Hand.
Es lautet: Wir können uns nicht mehr auf den
Schutz Amerikas verlassen, also müssen wir selber
aufrüsten und 'unsere' Interessen verteidigen.
Dabei wird nur noch am Rande so getan, als ob es um
Landesverteidigung ginge. Seit der damalige
Bundespräsident Köhler das Tabu gebrochen und von der
Verteidigung von Deutschlands Rohstoffzufuhr am
Hindukusch geredet hat, ist es salonfähig geworden, Verteidigung
als Verteidigung von Wirtschaftsinteressen zu
propagieren.
Die zweite Funktion der
Zumutungen aus den USA besteht darin, eine Währung für
die Belohnung von Rüstungsanstrengungen und
Verantwortungsübernahme zu schaffen, die nichts kostet.
Den Europäern wird signalisiert, dass man auch wieder
etwas weniger ruppig mit ihnen umgehen könnte, wenn sie
aufrüsten und beim Krieg führen helfen, sodass die USA
ihre erklärte Absicht verfolgen können, das eigene
Militär stärker für Einsätze in Asien zu reservieren.
Und so trommeln sie alle,
Merkel, der BDI, Ischinger und viele mehr, dass wir das
tun sollen, was Trump von uns verlangt, angeblich weil
man sich auf Trump nicht verlassen könne. Nebenher
werden die Medien mit jeder Menge saftiger Geschichten
über nicht funktionierendes Gerät unserer Friedensarmee
bespielt, sodass jedem stolzen Deutschen klar wird: Die
Bundeswehr braucht mehr Geld.
Es ist eine
äußerst raffinierte Strategie, die gut
funktioniert. So zu tun, als tue man das, was die USA von
uns verlangen, gegen die US-Regierung, verwirrt das Lager
der Aufrüstungs- und Kriegsgegner und nimmt ihnen die
gewohnten einfachen und populären Argumentationsmuster.
Man kann den
Provokationskurs der Trump-Regierung als die
Intensivierung einer Strategie betrachten, mit deren
Umsetzung schon 2013 begonnen wurde. Henrik Paulitz von
der Akademie Bergstraße hat das in seiner
aktuellen Broschüre Kriegsmacht
Deutschland
prägnant beschrieben:
Unmittelbar im Vorfeld
der Bundestagswahl im September 2013 wurde von zwei
einflussreichen Think Tanks ein Papier mit dem Titel
Neue Macht Neue Verantwortung
veröffentlicht. Die Stiftung Wissenschaft und
Politik (SWP) und der German Marshall Fund of the
United States (GMF) schreiben darin: Deutschlands
Bürger genießen eine Phase lange nicht gekannter
Sicherheit. Ihr Land lebt in Frieden mit seinen
Nachbarn in Europa (
) Doch die Welt
bleibe voller Ungewissheit und Gefahren.
Für einen globalisierten Staat wie Deutschland seien
die Sicherheit der Welt und deutsche Sicherheit
untrennbar miteinander verknüpft. Schließlich
heißt es wörtlich, fast drohend: Wenn
Deutschland die eigene Lebensweise erhalten und
schützen will, muss es sich folglich für eine
friedliche und regelbasierte Weltordnung einsetzen;
mit allen legitimen Mitteln, die Deutschland zur
Verfügung stehen, einschließlich, wo und wenn
nötig, den militärischen. Aus Deutschlands
angeblich gewachsener Macht und seinem
gestiegenen Einfluss folge dabei auch
ein Mehr an Verantwortung. Jahrzehntelang war
Deutschland Konsument von Sicherheit, garantiert von
der NATO und insbesondere von den USA. Heute erwarten
Verbündete und Partner, dass Deutschland selbst
Sicherheit produziert; und nicht nur für sich
selbst."
Die Strategie und ihre
durchschlagende Wirkung beschrieb Paulitz etwas
ausführlicher auch schon in der ungemein hellsichtigen,
bereits kurz nach Trumps Wahl erschienen Broschüre mit
dem Titel Trump
und der Weg Deutschlands zur Weltordnungsmacht:
Die Stiftung
Wissenschaft und Politik und der German Marshall Fund
of the United States erklären, dass Deutschlands
Erfolg als Handels- und Exportnation auf eine
liberale Weltordnung angewiesen sei:
"Deutschland braucht die Nachfrage aus anderen
Märkten sowie den Zugang zu internationalen
Handelswegen und Rohstoffen (und) eine liberale,
normengestützte Weltordnung mit freien, offenen
Staaten (
). Deutschlands überragendes
strategisches Ziel muss es daher sein, diese
Weltordnung zu erhalten, zu schützen und weiter zu
entwickeln. Die so genannte neue
Verantwortung Deutschlands besteht also darin, als
globale Ordnungsmacht eine Weltordnung mit
durchzusetzen, die dem Freihandel dient,
was unter anderem auch bedeutet, multinationalen
Konzernen einen exklusiven Zugang zu Rohstoffen,
Märkten und Handelswegen zu erhalten bzw. zu
verschaffen. Notfalls gegen den Willen von
souveränen Staaten und mit militärischen Mitteln.
Und das waren die
unmittelbaren Folgen:
Die erpresserische Logik
des Projekts Neue Macht Neue Verantwortung
von 2013 blieb nicht ohne Folgen. Im Koalitionsvertrag
zur Bildung der Bundesregierung vom 16.
Dezember 2013 steht: Die überragende Bedeutung
der Außenwirtschaft für die deutsche
Volkswirtschaft, die zunehmende Verflechtung mit
Auslandsmärkten, (
) verlangen einen stärkeren
Einsatz der Politik für die internationalen
Wirtschaftsbeziehungen. (
) Wir sehen mit Sorge
die zunehmende Zahl von Maßnahmen, mit denen der
freie Handel begrenzt oder sogar verhindert wird. (
)
Deutschland ist bei vielen wichtigen Rohstoffen (
)
auf Importe angewiesen. Im Kapitel Verantwortung
in der Welt des Koalitionsvertrages bietet sich
die deutsche Bundesregierung den Erwartungen
entsprechend als verlässlicher Partner
in der Welt an. Deutschland stellt sich
seiner internationalen Verantwortung. Wir wollen die
globale Ordnung aktiv mitgestalten, heißt es
da. Wir stehen bereit, wenn von unserem Land
Beiträge zur Lösung von Krisen und Konflikten
erwartet werden. (
) Wir stehen für
Verlässlichkeit und Bündnistreue. Wir wollen ein
guter Partner bei der Gestaltung einer gerechten
Weltordnung sein.
Liest man diese
Argumentation von 2013, kann man die fortgeschrittene
Dialektik der heutigen Aufrüstungspropaganda würdigen.
Um den freien Handel weltweit zu verteidigen, muss man,
wenn die Regierung der Führungsmacht dem Freihandel den
Rücken kehrt, in Bündnistreue mit eben dieser
Führungsmacht Verantwortung übernehmen und den freien
Handel mit Rohstoffen und mit den Waren unserer Konzerne
wenigstens im Rest der Welt verteidigen - wenn es sein
muss mit Waffengewalt, zumindest aber unter
glaubwürdiger Androhung derselben.
Doch weiter mit den Konsequenzen
von damals für die regierungsamtliche Politik:
Der internationale
Einfluss wirkt sich auch unmittelbar auf die deutsche
Militärdoktrin aus. Das Weißbuch
der deutschen Bundeswehr von 2016 entstand mit
Beteiligung des Royal Institute of International
Affairs (Chatham House). Der unter der
Schirmherrschaft von Elisabeth II. stehende mächtige
Londoner Think Tank wird u. a. von 75 Banken,
Energiemultis und sonstigen Großkonzernen getragen.
Während der Auftaktveranstaltung für den
Weißbuchprozess 2016 am 17. Februar 2015 trug
Chatham House-Direktor Robin Niblett im Beisein der
deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der
Leyen die internationalen Erwartungen an
Deutschland vor. In den USA wie auch in
Großbritannien sei der nationale Zusammenhalt durch
die Kriege in Afghanistan und Irak substanziell
zerstört worden. Aufgrund der Zurückhaltung bei
diesen Kriegen habe Deutschland im Gegensatz dazu
noch die Kapazität, breite Zustimmung zu
mobilisieren, falls es entscheidet zu handeln.
Die Ausführungen Nibletts lassen sich wohl nur so
interpretieren: Großbritannien und die USA haben
ihre Gesellschaften in jahrzehntelanger Ausübung
ihrer Funktion als Weltordnungsmächte gründlich
zerrüttet. Daher können sie in ihrer Bevölkerung
nicht mehr in hinreichendem Maße Zustimmung für die
Weltordnungskriege im Interesse der Konzerne
organisieren. Vor diesem Hintergrund wird nun unter
anderem von Deutschland verlangt, diese Funktion in
Teilen der Welt zu übernehmen. Deutschland sei
nicht nur eine Mittelmacht, sondern eine mittlere
Großmacht. Das Land habe nicht die Möglichkeit zu
wählen, es sei so, und Deutschland habe die
Verpflichtungen zu erfüllen, die aus dieser Position
erwachsen würden und müsse die damit verbundenen
Kosten tragen. Die deutsche Bevölkerung müsse
wissen, dass sie keine Wahl habe, als Europa und
somit der Weltwirtschaft zu dienen.
Energiesicherheit sei das absolut zentrale Element
für Europas künftigen Wohlstand und seine
Sicherheit, wobei Deutschland eine Schlüsselrolle
zukomme. In militärischer Hinsicht müsse sich
Deutschland zwar nicht in Asien engagieren. Es
wird von Deutschland aber erwartet, und es sollte
dies auch selbst von sich erwarten, mitzuhelfen,
Sicherheit in Europa herzustellen. Er
glaube, der Führung Deutschlands werde es gelingen,
der skeptischen Öffentlichkeit die Verpflichtungen
des Landes als Großmacht nahe zu bringen,
sofern sie übereinstimmend die Botschaft der
Unausweichlichkeit von Deutschlands anteiligen
Verpflichtungen zur Abwendung der Gefahren der
heutigen, wechselseitig abhängigen Welt verbreite.
Jeder, der dieser Tage die
Medien nutzt, begegnet den zitierten Floskeln von
internationaler Verflechtung, Übernahme von
Verantwortung und Sicherung des freien Handels auf
Schritt und Klick. Nur dass es die wie ehedem loyal der
Führungsmacht verpflichtete Wirtschafts- und
Politikelite nun leichter hat, mit diesen alten Floskeln
ein skeptisches Volk auf den Weg der Hochrüstung und der
kriegerischen Verteidigung von Wirtschaftsinteressen zu
führen.
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