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  Chilcot-Bericht und Jahrestag der 7/7 Bombenanschläge in London treffen zusammen, um die Ursachen des Terrorismus zu beleuchten

Glenn Greenwald

 

Heute vor elf Jahren attackierten drei Selbstmordattentäter die Londoner U-Bahn und einen Bus und töteten 51 Menschen. Beinahe unmittelbar danach war es offenkundig, dass Vergeltung für Britanniens Invasion und Zerstörung des Irak ein wichtiges Motiv der Angreifer war.

Zwei von ihnen sagten genau das in Videoaufnahmen, die sie hinterließen: Die Attacken „werden weitergehen und stärker werden, bis ihr eure Soldaten aus Afghanistan und Irak abzieht. ... Bis wir uns sicher fühlen, werdet ihr Ziele sein.“ Weniger als ein Jahr darauf kam ein geheimer Bericht der britischen Militär- und Geheimdienstchefs zum Schluss, dass „der Krieg im Irak zur Radikalisierung der Bombenattentäter vom 7. Juli in London beigetragen hat und weiterhin wahrscheinlich Extremismus unter britischen Moslems hervorrufen wird.“ Der geheime Bericht, der an The Observer durchsickerte, fügte hinzu: „Irak wird wahrscheinlich für einige Zeit zu einem wichtigen motivierenden Faktor für die Radikalisierung von britischen Moslems und jenen Extremisten werden, die Attacken gegen das Vereinigte Königreich als legitim betrachten.“

John Chilcot, der Vorsitzende der Irak-Untersuchungskommission, skizziert den Aufgabenbereich der Untersuchung und erklärt die Vorgangsweise der Kommission in einer Pressekonferenz, die zu ihrem Beginn im QEII-Konferenzzentrum am 30 Juli 2009 abgehalten wird. Der Vorsitzende einer britischen Untersuchung über den Krieg gegen den Irak sagte am Donnerstag, dass er den ehemaligen Premierminister Tony Blair zur Aussage über die Entstehung des Konflikts vorladen wird, gab aber zu, dass es unwahrscheinlich ist, dass höhere Vertreter der Bush-Administration als Zeugen aussagen werden.

Die Veröffentlichung des umfangreichen Chilcot-Berichts am Dienstag – die New York Times bezeichnete ihn als eine „vernichtende Kritik Tony Blairs“ – bringt nicht nur weitere Beweise für diesen kausalen Zusammenhang, sondern enthüllt auch, dass Blair vor dem Einmarsch ausdrücklich gewarnt wurde, dass seine Handlungen Attacken von al-Qaeda gegen das Vereinigte Königreich provozieren würden. Wie mein Kollege Jon Schwarz gestern berichtete, zitiert die Zusammenfassung des Berichts Tony Blair, der bestätigt, dass er sich einer Warnung des britischen Geheimdiensts „bewusst“ war, dass „im Fall eines Krieges ein Terrorismus zunehmen würde, der die verstärkte anti-U.S./antiwestliche Stimmung in der muslimischen Welt widerspiegelt, darunter auch innerhalb von muslimischen Gemeinschaften im Westen.“

Das alles überrascht nicht im Mindesten. Wie die Briten sind eine Reihe von westlichen Geheimdiensten schon lange (üblicherweise im Geheimen) draufgekommen, dass an der Spitze der Liste der Ursachen des Terrorismus der Militarismus des Westens und die Einmischung in überwiegend muslimische Länder stehen – 2004 führte eine vom Pentagon in Auftrag gegebene Untersuchung die Gründe des Terrorismus auf: „Amerikanische Direktintervention in der muslimischen Welt“; unsere „einseitige Unterstützung zu Gunsten Israels“; Unterstützung islamischer Diktaturen in Ländern wie Ägypten und Saudiarabien; und, an oberster Stelle, „die amerikanische Okkupation von Irak und Afghanistan.“ Der Bericht kam zum Schluss: „Moslems ‚hassen nicht unsere Freiheit,’ sondern sie hassen unsere Politik.“ Zahllose Individuen, die Attacken gegen den Westen ausführten oder planten, haben das Gleiche gesagt.

Niemand sollte offizielle Berichte oder Aussagen von Attentätern brauchen, um zu bestätigen, was der gesunde Menschenverstand klar macht: Wenn du jahrelang auf der ganzen Welt herumtrampelst und verkündest, selbst „im Krieg“ zu sein, und zahlreiche Länder bombardierst und besetzst und dich anderweitig zum eigenen Nutzen einmischst – was die Vereinigten Staaten von Amerika und das Vereinigte Königreich seit Jahrzehnten schon lange vor dem 9/11 getan haben – dann werden einige von denen, die sich mit deinen Opfern identifizieren, sich dafür entscheiden – wählen – aus eigenem mit Gewalt zurückzuschlagen. Sogar Tony Blairs eigener stellvertretender Premierminister John Prescott bestätigte 2015 diese selbstverständliche Wahrheit: „Wenn ich Leute darüber reden höre, wie Menschen radikalisiert werden, junge Moslems – ich werde euch sagen, wie sie radikalisiert werden. Jedesmal, wenn sie im Fernsehen sehen, wenn ihre Familien in Sorge sind, ihre Kinder umgebracht oder ermordet werden, und Raketen, Sie wissen, auf alle diese Menschen geschossen werden, dann ist es das, was sie radikalisiert.“

Diese Tatsache anzuerkennen, ist keine – wie oft absurderweise behauptet wird – Bestreitung der Realität. Es ist das Gegenteil: eine Bekräftigung der Realität, eine Anerkennung der Art und Weise, wie Menschen zu Entscheidungen kommen.

So eindeutig und klar dieser kausale Zusammenhang auch ist, muss er doch immer wieder dokumentiert werden, denn seine Anerkennung bleibt eines der vom Westen am harschesten erzwungenen Tabus. Im Vereinigten Königreich wurden diejenigen, die darauf hinwiesen, dass der Krieg gegen den Irak diese Attacke provoziert hat, verteufelt – und sind es immer noch. Tariq Ali erinnert sich an die hasserfüllte öffentliche Zurückweisung, die sich über ihn ergoss, als er dieses Thema in einem Artikel im Guardian am Tag nach der Attacke ansprach. Tony Blair und sein Anhang – die aus Selbst-Absolution heraus handeln – bestreiten weiterhin vehement jeglichen kausalen Zusammenhang. Letztes Jahr wurde Ken Livingston auf übelste Weise heruntergemacht – beschuldigt, „sich an die Seite der Selbstmordbomber zu stellen“ – weil er aufzeigte, wie der Angriff auf den Irak beitrug, die Attacke vom 7/7 zu provozieren. Und früher in diesem Jahr denunzierten verschiedene Labour-Abgeordnete Jeremy Corbyn wegen des Verbrechens, diese beiden Ereignisse zu verknüpfen.

Was wir hier haben, ist eine unbestreitbare Wahrheit, die in ein streng erzwungenes Tabu verwandelt worden ist. Ganz egal, wieviele Beweise es gibt, die belegen, dass westliche Aggression, Gewalt und Beherrschung terroristische Attacken anheizen und provozieren, versuchen noch immer viele einflussreiche Gruppen, diese Tatsache zu unterdrücken, indem sie sie für unaussprechlich erklären. Es liegt auf der Hand, dass es beruhigender und angenehmer ist zu glauben, dass man selbst nur das unschuldige Opfer von abscheulicher Gewalt ist und nicht ein daran Beteiligter, ein Täter. Aber wenn es das ist, was zu dieser Weigerung führt, die Realität anzuerkennen, entschuldigt es sie nicht.  

Tony Blairs Angriff auf den Irak hat nicht nur nachfolgende Attacken auf sein eigenes Land provoziert, sondern er wusste zu dem Zeitpunkt, an dem er beschloss, den Irak anzugreifen, dass das passieren würde, weil er davor gewarnt worden war. Der Jahrestag dieser Attacken ist die richtige Zeit, über diesen kausalen Zusammenhang nachzudenken, und der in dieser Woche veröffentlichte Chilcot-Bericht – herausgegeben am Tag vor dem Jahrestag der 7/7-Attacke in London – macht es unmöglich, ihn zu ignorieren.

 
     
  Dieser Artikel erschien am 7. Juli 2016 auf The Intercept > Artikel  
  Archiv > Artikel von Glenn Greenwald auf antikrieg.com  
 
siehe dazu im Archiv:
  Gwynne Dyer - Die Leiden des jungen Kriegsverbrechers
  Jon Queally - Kriegspräsident Obama genehmigt anhaltende Luftangriffe gegen Syrien
  Ismael Hossein-zadeh - Das Chaos im Mittleren Osten und darüber hinaus ist geplant
  Daniel McAdams - Assads ‘Fassbomben’ … und unsere
  John V. Walsh - Warum sind Russland und China (und der Iran) vorrangige Feinde der herrschenden Elite der Vereinigten Staaten von Amerika?
  Jim Naureckas - ‘Gleich oft falsch wie richtig’ reicht, wenn über einen offiziellen Feind berichtet wird
  Glen Ford - Obamas Krieg gegen die Zivilisation
  John Philpot - Versagen des Internationalen Rechts und der Menschenrechtsinstitutionen: Palästina, Syrien und Irak im Jahr 2014
  Stephen Kinzer - BP im Golf – im Persischen Golf
  Dmitry Orlov - Wie man einen Krieg beginnt und ein Weltreich verliert
  Greg McInerney - Die Ruinierung Irlands
  Jonathan Turley - Das Große Geld hinter dem Krieg: der militärisch-industrielle Komplex
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