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  BP im Golf – im Persischen Golf

Wie eine Ölgesellschaft half, die Demokratie im Iran zu zerstören

Stephen Kinzer

An die frustrierten Amerikaner, die begonnen haben, BP zu boykottieren: Willkommen im Club! Endlich sind wir nicht mehr das einzige Mitglied! 

Macht es wirklich Sinn, BP zu boykottieren? Vielleicht nicht. Immerhin gehören viele BP Tankstellen Leuten vor Ort, nicht der Gesellschaft. Außerdem ist es schwer, ein Gefühl der moralischen Überlegenheit zu entwickeln, wenn man bei Shell oder Exxon tankt. Dennoch behalte ich mir das Recht vor, an BP Tankstellen vorbeizufahren. Damit begann ich schon lange vor der Ölverseuchung im Golf von Mexiko in diesem Jahr.

Meine Entscheidung, mit dieser Gesellschaft keine Geschäftsbeziehung zu pflegen, erfolgte nachdem ich alles von ihrer Rolle in einer anderen Art von „Verseuchung“ erfahren hatte – der Zerstörung der Demokratie im Iran vor über einem halben Jahrhundert. 

Die Geschichte der Gesellschaft, die wir jetzt BP nennen, hat über die vergangenen hundert Jahre hinweg ihre Spuren im transnationalen Kapitalismus hinterlassen. Ihre Anfänge liegen am Beginn des 20. Jahrhunderts, als ein reicher Lebemann namens William Knox D´Arcy beschloss, mit Unterstützung der britischen Regierung im Iran nach Erdöl zu suchen. Er beschaffte sich ein Konzessionsabkommen von der liederlichen iranischen Monarchie, indem er den erprobten Weg beschritt, die drei Iraner zu bestechen, die mit ihm verhandelten.

Nach diesem Vertrag, den er selbst entworfen hatte, sollte D´Arcy alles Erdöl besitzen, das er im Iran fand, und der Regierung nur 16% von den Gewinnen bezahlen, die er machte – wobei keinem Iraner gestattet war, Einblick in seine Buchhaltung zu nehmen. Nach seinem ersten Streich im Jahr 1908 wurde er der alleinige Eigentümer des gesamten Erdölozeans, der unter dem Boden des Iran liegt. Kein anderer durfte nach „iranischem“ Erdöl bohren, dieses raffinieren, extrahieren oder verkaufen. 

„Das Glück brachte uns einen Preis aus dem Märchenland jenseits unserer wildesten Träume,“ schrieb später Winston Churchill, der 1911 Erster Lord der Admiralität wurde. „Herrschaft selbst war der Preis des Unternehmens.“

Bald darauf kaufte die britische Regierung die Konzession von D´Arcy und benannte sie um in Anglo-Persian Oil Company. Sie baute dann die größte Raffinierie der Welt am Hafen von Abadan am Persischen Golf. Von den 1920ern bis in die 1940er wurde der Lebensstandard im Vereinigten Königreich vom Erdöl aus dem Iran gestützt. Britische Autos, Lastautos und Busse fuhren mit billigem iranischem Treibstoff. Die königliche Marine, die die Macht des Vereinigten Königreichs in die ganze Welt trug, betrieb ihre Schiffe mit iranischem Öl.

Nach dem Zweiten Weltkrieg fuhren die Stürme des Nationalismus und Antikolonialismus durch die sich entwickelnde Welt. Im Iran bedeutete Nationalismus eines: wir wollen unser Erdöl zurück haben. Von diesem sehnlichen Wunsch getrieben, entschied das Parlament am 28. April 1951, den leidenschaftlichsten Verfechter der Erdölverstaatlichung, Mohammed Mossadegh, zum Ministerpräsidenten zu machen. Wenige Tage später beschloss es einstimmig seinen Gesetzesentwurf betreffend die Verstaatlichung der Erdölgesellschaft. Mossadegh versprach, dass von nun an die Ölgewinne dafür benutzt werden sollten, den Iran zu entwickeln, nicht Großbritannien reicher zu machen.

Diese Erdölgesellschaft war das lukrativste britische Unternehmen, das es je auf dem Planeten gab. Den Briten erschien die Nationalisierung fürs Erste als eine Art von übersteigertem Scherz, ein Schritt, dermaßen absurd im Gegensatz zu den ungeschriebenen Regeln der Welt, dass sie kaum wahr sein konnte. In der Anfangsphase dieser Konfrontation einigten sich die Direktoren der Anglo-Persian Oil Company und ihre Partner in der britischen Regierung auf ihre Strategie: keine Vermittlung, kein Kompromiss, keine Annahme von Verstaatlichung in welcher Form auch immer.

Die Briten unternahmen eine Reihe von Schritten, um Mossadegh von seinem nationalistischen Weg abzubringen.

Sie zogen ihre Techniker aus Abadan zurück, blockierten den Hafen, schränkten Exporte lebenswichtiger Güter in den Iran ein, froren die Hartwährungskonten des Landes in britischen Banken ein und versuchten, antiiranische Resolutionen von der UNO und vom Internationalen Gerichtshof zu bekommen. Zuletzt wandten sich die Briten an Washington und baten: bitte stürzt diesen Verrückten für uns, damit wir unsere Ölgesellschaft zurück haben können.

Der amerikanische Präsident Dwight D. Eisenhower, angeregt durch seinen Außenminister John Foster Dulles, einen Verfechter der Macht transnationaler Konzerne, stimmte zu, die Central Intelligence Agency einzusetzen, um Mossadegh zu stürzen. Der Einsatz dauerte weniger als einen Monat im Sommer 1953. Es war des erste Mal, dass die CIA eine Regierung stürzte.

Fürs erste schien das eine bemerkenswert erfolgreiche Geheimoperation zu sein. Der Westen hat einen Anführer gestürzt, den er nicht mochte, und ihn ersetzt mit einem, der funktionieren würde wie bestellt – Mohammed Reza Shah Pahlavi.

Rückwirkend betrachtet zeigt sich allerdings deutlich, dass Operation Ajax, wie der Codename der Aktion lautete, verheerende Auswirkungen hatte. Sie brachte nicht nur die Regierung Mossadegh zu Fall, sondern beendete die Demokratie im Iran. Sie brachte den Shah auf seinen Pfauenthron zurück. Seine ansteigende Repression löste die Explosion in den späten 1970ern aus, die Ayatollah Khomeini und das verbittert antiwestliche Regime an die Macht brachte, das das Land seither beherrschte.

Die Erdölgesellschaft benannte sich selbst um in British Petroleum, BP Amoco und im Jahr 2000 BP. In ihren Jahrzehnten im Iran operierte sie wie es ihr passte und nahm wenig Rücksicht auf die Interessen der lokalen Einwohner. Diese Tradition der Gesellschaft hat sich offensichtlich gut gehalten. 

Viele Amerikaner sind erbost über die unbarmherzigen Bilder von Erdöl, das sich aus der Deepwater Horizon-Quelle in das Wasser des Golfs ergießt, und über die Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft, die diese Verseuchung verursacht hat. Diejenigen, die die iranische Geschichte kennen, waren weniger überrascht.

 
     
  Original erschienen auf TomDispatch.com  
  am 30. Juni 2010 auf > http://www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/engelhardt/2010/06/29/bps-first-spill/  
     
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