HOME     INHALT     INFO     LINKS     VIDEOS     ARCHIV     KONTAKT
 
     
 
"Europa krümmt sich wie der Wurm, ehe ihn der Stiefel zertritt." - Karl Kraus
"Fuck the EU" - Victoria Nuland
 
     
     
  Ehemaliger DIA-Chef warnte das Weiße Haus vor dem Aufstieg von ISIS

Brad Hoff 

 

In der letzten Folge der Al Jazeera-Sendereihe „Head to Head“ bestätigt der ehemalige Direktor der Defense Intelligence Agency (DIA) Michael Flynn gegenüber Mehdi Hasan, dass er das DIA-Memo, das die Unterstützung des Westens für einen Islamischen Staat in Syrien vorhersagt, nicht nur studiert hat, sondern versichert sogar, dass die Unterstützung des Weißen Hauses für radikale Jihadisten (die dann als ISIL und Nusra auftraten) gegen die syrische Regierung eine „vorsätzliche Entscheidung“ war.

Erstaunlicherweise war Flynn nicht einverstanden mit der Art, in der der Interviewer Mehdi Hasan die Frage stellte – Flynn schien klar machen zu wollen, dass die Politik, die zum Aufstieg von ISIL führte, nicht bloß das Ergebnis von Ignoranz oder Wegsehen war, sondern das Ergebnis von bewussten Entscheidungen:

Hasan: Sie sagen im Grund, dass Sie sogar in der Regierung in der Zeit, in der Sie wussten, dass es diese Gruppen gab, diese Analyse sahen und dagegen argumentierten, aber wer hat nicht zugehört?

Flynn: Ich denke die Administration.

Hasan: Die Administration hat also Ihre Analyse wissentlich ignoriert?

Flynn: Ich weiß nicht, ob sie sie wissentlich ignoriert haben, ich denke, es war eine Entscheidung. Ich denke, es war eine vorsätzliche Entscheidung.

Hasan: Eine vorsätzliche Entscheidung, einen Aufruhr zu unterstützen, an dem Salafisten, al Qaeda und die Moslem-Bruderschaft beteiligt waren?

Flynn: Es war eine vorsätzliche Entscheidung, das zu tun, was sie tun.

Hasan selbst zeigt sich überrascht über Flynns Freimütigkeit in diesem Teil des Interviews. Während er eine Papierkopie des 2012 freigegebenen DIA-Berichts emporhält, liest Hasan laut Schlüsselpassagen wie: „es besteht die Möglichkeit, einen deklarierten oder nicht deklarierten salafistischen Herrschaftsbereich im Osten Syriens einzurichten, und genau das ist es, was die Mächte wollen, die die Opposition unterstützen, um die syrische Regierung zu isolieren.“

Anstatt die Bedeutung des Dokuments und dieser bestürzenden Passagen herunterzuspielen, wie es das Außenministerium kurz nach seiner Freigabe gemacht hat, macht Flynn das Gegenteil: er bestätigt, dass er als Chef der DIA besonders diesem Bericht „eingehende Aufmerksamkeit widmete“ und fügt später hinzu, dass „die Geheimdienstinformationen sehr klar waren.“

Generalleutnant Flynn, der aus der Sicherheit des Ruhestandes spricht, ist der höchstrangige Geheimdienstbeamte, der öffentlich sagt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und andere Unterstützerstaaten der Rebellen in Syrien al-Qaeda wissentlich politische Unterstützung gaben und Waffen geliefert haben, um die syrische Regierung unter Druck zu setzen:

Hasan: 2012 waren die Vereinigten Staaten von Amerika dabei behilflich, Waffenlieferungen an diese Gruppen (Salafisten, Moslembruderschaft, al-Qaeda im Irak) zu koordinieren. Warum haben Sie das nicht gestoppt, wenn Sie Bedenken hatten wegen des Aufstiegs von „islamischen Extremisten“?

Flynn: Ich hasse zu sagen, dass das nicht meine Aufgabe ist ... aber dass ... es mein Job war ... zu gewährleisten, dass die Genauigkeit unserer Informationen, die vorgelegt worden, so gut wie nur möglich war. 

Die ersten Berichte, die das DIA-Memo als berichtenswert und höchst aufschlussreich hinstellten, wurden von einigen Experten kritisiert und sogar verspottet, auch von Medien wie The Daily Beast. Immerhin bestätigt jetzt der DIA-Direktor aus der Zeit, in der das Memo geschrieben und in Umlauf gebracht wurde unmissverständlich, dass das Dokument hohen Stellenwert besitzt und weist darauf hin, dass es als grundlegendes Material in seinen eigenen Diskusssionen mit dem Weißen Haus über die Politik gegenüber Syrien diente.

Da Michael Flynn zudem davor als Geheimdienstdirektor des Joint Special Operations Command (JSOC) in einer Zeit diente, in der dessen primäre globale Mission in der Zerschlagung von al-Qaeda bestand, ist sein ehrliches Zugeständnis, dass das Weiße Haus tatsächlich mit al-Qaeda verbundene Gruppen bewaffnet und gestärkt hat, besonders schockierend, wenn man seinen Status in Betracht zieht.

Bedenken Sie zudem die Unstimmigkeit, die sichtbar wird, wenn der damals höchste Geheimdienstoffizier des Pentagon, der zuständig war für die Jagd auf Osama bin Laden, jetzt ruhig und cool zugibt, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die Fußsoldaten Ayman al-Zawahiris in Syrien seit mindestens 2012 direkt unterstützt haben.

Diese Bestätigung ist von Bedeutung für meine eigene Berichterstattung über den DIA-Bericht, da ich von einer Reihe von Leuten kontaktiert wurde, die mir zu versichern versuchten, dass die wahren Experten und „Insider“ wussten, dass das Dokument unwichtig und daher irrelevant in den Geheimdienstkreisen und für die breitere Syrienpolitik war.

Das fing an, nachdem ein Artikel im Daily Beast unter dem Titel „The ISIS Conspiracy That Ate the Web“ (Die ISIS-Verschwörung die sich im Internet breitmachte) den ehemaligen NSA-Beamten John Schindler als einen Experten zitierte. Schindler sagte über das DIA-Dokument: „es ist schwierig, viel bedeutsames darüber zu sagen ... da ist nichts besonderes daran, nicht im geringsten.“

Zu meiner Überraschung wurde ich nur Stunden, nachdem ich eine Widerlegung von Schindler und dem Daily Beast-Artikel veröffentlicht hatte, von einem höheren Beamten der CIA kontaktiert, einem persönlichen Freund aus der Zeit, als ich in Washington D.C. wohnte.

Dieser Beamte, der den größten Teil seiner Laufbahn mit öffentlichen Angelegenheiten der CIA beschäftigt war, ersuchte mich persönlich, meine Argumente fallen zu lassen, mit denen ich John Schindlers Glaubwürdigkeit in Frage stellte, nachdem ich bemerkt hatte, dass Schindler ein höchst ideologischer und skandalbeladener Kommentator ist, der sich zur Unterstützung seiner Argumente ständig auf spezielles Insiderwissen beruft. Dieser CIA-Beamte versuchte außerdem, mich von Schindlers Glaubwürdigkeit als Insider und Experte zu überzeugen, indem er mir versicherte, dass „er aufschlussreich geschrieben hat.“

Mehdi Hasans historisches Interview mit General Flynn sollte der Angelegenheit den Rest geben – es ist jetzt bestätigt, dass der freigegebene DIA-Bericht eine zentrale und entscheidende Quelle ist, die die Ursprünge von ISIS erhellt, und die als Information für eine ehrliche nationale Auseinandersetzung über die amerikanische Politik in Syrien und im Irak dienen muss. 

So wie es jetzt unter angesehenen internationalen Historikern bereits zum offiziellen Material über den Konflikt in Syrien gerechnet wird, muss das Wissen über das freigegebene Dokument seinen Weg in jeden amerikanischen Haushalt finden.

 
     
  erschienen am 7. August 2015 auf > Antiwar.com > Artikel > Original auf > Levant Report > Artikel  
  >>> Interview mit General Flynn auf YouTube <<<  
 
siehe dazu im Archiv:
  Jon Queally - Kriegspräsident Obama genehmigt anhaltende Luftangriffe gegen Syrien
  Ismael Hossein-zadeh - Das Chaos im Mittleren Osten und darüber hinaus ist geplant
  Daniel McAdams - Assads ‘Fassbomben’ … und unsere
  John V. Walsh - Warum sind Russland und China (und der Iran) vorrangige Feinde der herrschenden Elite der Vereinigten Staaten von Amerika?
  Jim Naureckas - ‘Gleich oft falsch wie richtig’ reicht, wenn über einen offiziellen Feind berichtet wird
  Glen Ford - Obamas Krieg gegen die Zivilisation
  John Philpot - Versagen des Internationalen Rechts und der Menschenrechtsinstitutionen: Palästina, Syrien und Irak im Jahr 2014
  Susan Abulhawa - Die abscheuliche Heuchelei des Westens
  Stephen Kinzer - BP im Golf – im Persischen Golf
  Dmitry Orlov - Wie man einen Krieg beginnt und ein Weltreich verliert
  Greg McInerney - Die Ruinierung Irlands
  Stephen F. Cohen - Ein Brief an ‘The New York Times’
  Jonathan Turley - Das Große Geld hinter dem Krieg: der militärisch-industrielle Komplex
  William Blum - Scheinheiligkeit dieser Größenordnung verdient Respekt!
 
  Im ARCHIV finden Sie immer interessante Artikel!  
  Die Weiterverbreitung der Texte auf dieser Website ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen!  
  <<< Inhalt