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  Die Straße von Hormuz in der Geschichte: die Optionen des Iran 

Soraya Sepahpour-Ulrich

 

Von George Santayana ist der weise Satz bekannt: „Diejenigen, die sich nicht an die Vergangenheit erinnern können, sind verurteilt, sie zu wiederholen.“ Nachdem sie sich der Geschichte und ihrer Lehren nicht bewusst sind, wiederholen die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre westlichen Alliierten ihre Aktionen aus den 1950er Jahren, indem sie ein Ölembargo gegen den Iran verhängen. Die Allianz unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika hat die Geschichte vergessen. 

Der Iran nicht.

Als unter der Führung des Nationalisten Mohammad Mossadegh der Iran beschloss, seine Erdölindustrie zu verstaatlichen, blockierte die britische Royal Navy die iranischen Ölexporte, um diesen mit Gewalt daran zu hindern, sein Erdöl zu verstaatlichen. Als Rache für die nationalistischen Bestrebungen des Iran und um den Iran dafür zu bestrafen, dass er seine nationalen Interessen verfolgte, initiierten die Briten einen weltweiten Boykott gegen iranisches Erdöl. 

In den 1950ern verfügte der Iran nicht über die militärische Stärke, um sich gegen das Erdölembargo zu wehren, und die Seeblockade hatte das Ziel, die Wirtschaft zu zerschlagen, um einen Regimewechsel zu erreichen. Die nachfolgenden Ereignisse sind beschrieben in einem Artikel in der New York Times als eine „Lektion über den harten Preis, der bezahlt werden muss,“ wenn ein ölreiches Land der Dritten Welt „aus fanatischem Nationalismus durchdreht.“ Der Iran lernte, dass Souveränität und Nationalismus taktische/militärische Stärke und Entschlossenheit erfordern.

Die Folgen der 1950er Jahre nicht beherzigend haben die unter amerikanischer Führung stehenden Alliierten des Westens wieder ein Ölembargo gegen den Iran verhängt. Im Gegenzug hat der Iran einen Gesetzesentwurf eingebracht, den Transport von Öl durch seine Hoheitsgewässer, nämlich die Straße von Hormuz, in Länder zu stoppen, die Sanktionen gegen ihn verhängt haben. Dieser Entwurf ist nicht unbegründet, und anders als unter dem damaligen Ölembargo hat es den Anschein, dass Teheran die besseren Karten hat und die hohen Kosten im Zusammenhang mit dem Embargo nicht vom Iran allein getragen werden müssen.

Die rechtliche Position des Iran

Die UNO-Seerechtskonvention 1982 fordert, dass Schiffe das Recht der gutartigen Durchfahrt ausüben können und Küstenstaaten ihre Durchfahrt nicht beeinträchtigen sollen. Obwohl der Iran das Abkommen unterzeichnet hat, wurde dieses nicht ratifiziert und hat somit keine rechtliche Verbindlichkeit. Doch auch für den Fall, dass man über die nicht verbindliche Unterschrift hinwegsieht, kann ein Küstenstaat gemäß der Seerechtskonvention nach Internationalem Recht Schiffe daran hindern, in seine territorialen Gewässer einzufahren, wenn die Durchfahrt dieser Schiffe „Frieden, Ordnung oder Sicherheit“ des besagten Staates beeinträchtigt, da in einem solchen Fall die Durchfahrt solcher Schiffe nicht mehr als „gutartig“ zu betrachten wäre.

Sogar wenn der Iran sich nur entschließt, die Durchfahrt von Tankschiffen zu verzögern, indem er sein Recht ausübt, jeden Öltanker zu kontrollieren, der durch die Straße von Hormuz fährt, werden diese Inspektionen und die damit verbundenen Verzögerungen zum Steigen des Ölpreises beitragen. Während höhere Erdölpreise dem Iran und anderen ölproduzierenden Ländern nützen, werden sie die europäische Wirtschaft, die bereits in der Krise steckt, weiter destabilisieren.

Die militärische Option

Obwohl die von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführten westlichen Alliierten ihre Muskeln spielen lassen, indem sie Kriegsschiffe in den Persischen Golf schicken, haben Washingtons eigene Kriegsspiele, das Manöver Millennium Challenge 2002 (Kosten $250 Millionen) seine Unfähigkeit unterstrichen, den Iran zu besiegen. Indem sie auch die Lektionen der eigenen Schule vergessen, nähern sich die Vereinigten Staaten von Amerika durch die Entsendung von mehr Kriegsschiffen einem ausgewachsenen Konflikt. Mit dem Flottenaufmarsch ist die Gefahr verbunden, dass im Gegensatz zur Raketenkrise um Kuba die Kräfte im Persischen Golf nicht auf zwei Führer beschränkt sind, die in der Lage wären, zu kommunizieren, um ein Entgleiten der Situation abzufangen. Auch die Folgen eines derartigen potentiellen Konflikts würden nicht auf die Region beschränkt bleiben.

Geht man davon aus, dass 17 Millionen Barrel Erdöl pro Tag, das sind 35% der weltweit per Schiff transportierten Ölexporte, durch die Straße von Hormuz gehen, hätten Zwischenfälle in der Straße fatale Folgen für die Weltwirtschaft. Während nur 1,1 Millionen Barrel am Tag in die Vereinigten Staaten von Amerika gehen, ist ein bedeutender Teil dieses Öls für Europa bestimmt. Man muss sich fragen, warum die Vereinigten Staaten von Amerika fordern, dass ihre „europäischen Verbündeten“ ihren nationalen Interessen zuwiderhandeln, einen höheren Preis für Erdöl bezahlen, indem sie die Exporte des Iran boykottieren, und das Risiko erhöhen, dass der Iran die Durchfahrt von Öltankern blockiert, die auf dem Weg zu ihnen sind.

Auch hier finden wir eine klare Antwort in der Geschichte. Im Gegensatz zu der allgemeinen Auffassung über erdölproduzierende Länder sind es die Vereinigten Staaten von Amerika, die Erdöl als Waffe eingesetzt haben. Ein Beispiel dafür ist etwa der Druck, den Washington auf Britannien in den 1920ern ausgeübt hat, damit dieses seine Ölkonzessionen im Mittleren Osten mit amerikanischen Gesellschaften teilt. Nach dem Zweiten Weltkrieg verstießen die Vereinigten Staaten von Amerika gegen das Red Line Agreement aus dem Jahr 1928, indem sie die Briten und Franzosen aus dem Abkommen abservierten.

1956 machten die Vereinigten Staaten von Amerika dem Vereinigten Königreich und Frankreich klar, dass kein Erdöl nach Europa fließen würde, es sei denn, dass die beiden Länder einem raschen Abzug aus Ägypten zustimmten. Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten nichts gegen den Sturz des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, aber Präsident Dwight D. Eisenhower sagte: „Hätten sie es schnell gemacht, dann hätten wir es akzeptiert.“

Es ist möglich, dass die Führer westeuropäischer Länder sich gegenüber speziellen Interessengruppen wie etwa proisraelischen Lobbies verpflichtet sehen, wie es in den Vereinigten Staaten von Amerika der Fall ist. Oder sie glauben vielleicht, dass der Iran sie nicht zwingen wird, Farbe zu bekennen, indem er den Gesetzesentwurf im Majlis nicht beschließt und dass das Erdöl ungehindert fließen wird. So oder so, sie begehen finanziellen Selbstmord und werden wohl unter schwerwiegenden Konsequenzen leiden, noch ehe die Entschlossenheit des Iran erschüttert ist.

 
     
  erschienen am 6. Juli 2012 auf > www.antiwar.com > Artikel  
 
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