Finanzpolitik: Das steckt hinter der Erneuerung der SPDErnst Wolff
Die SPD steckt zurzeit in der tiefsten Krise ihrer mehr als 150jährigen Geschichte. Um einem weiteren Verfall zu entgehen, hat die Partei vor wenigen Wochen einmal mehr das Führungspersonal ausgetauscht, eine Erneuerung versprochen und den Aufbruch in die Zukunft verkündet. Ganz offensichtlich ist die neue Parteispitze zurzeit bemüht, sich von Maßnahmen der Vergangenheit wie der Agenda 2010 zu distanzieren und sich ein sozial-reformerisches Image zugunsten der arbeitenden Bevölkerung zu geben. Dabei stellt sie sich gern als Gegner gieriger Großinvestoren und Spekulanten und als Befürworterin größerer Transparenz im Finanzsystem dar. Wie es tatsächlich um diesen vermeintlichen Kurswechsel bestellt ist, zeigt unter anderem ein Regierungsbeschluss, der von der breiten Öffentlichkeit so gut wie nicht beachtet wurde. Mitte November nahm der Bundestag ein Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften an, das auf einem Entwurf des vom SPD-Mann Olaf Scholz geführten Bundesfinanzministeriums basiert. Unter die Änderungen fällt unter anderem der Paragraph 21 a des Finanzverwaltungsgesetzes, das die Sitzungen zwischen Bundes- und Landesfinanzbehörden regelt. Hier hat das Finanzministerium folgende zwei Sätze eingefügt: Die Vertraulichkeit der Sitzungen ist zu wahren, wenn nicht im Einzelfall einstimmig etwas anderes beschlossen wurde. Für Beratungen im schriftlichen Verfahren gilt Entsprechendes. Um die Bedeutung dieser Sätze zu verstehen, muss man Folgendes wissen: Die Vertreter von Bundes- und Landesfinanzbehörden tauschen sich regelmäßig über Entwicklungen im Finanzbereich aus, um so eine bundeseinheitliche Vorgehensweise abzustimmen. Dabei ging es in der jüngeren Vergangenheit unter anderem um den Cum-Ex-Skandal, den größten Steuerraub in der deutschen Geschichte, bei dem Großinvestoren sich Steuern zurückzahlen ließen, die sie nie gezahlt hatten. (mehr zum Thema Cum Ex) Bisher bestand die Möglichkeit, die Herausgabe von Protokollen oder anderen Unterlagen dieser Sitzungen juristisch zu erzwingen. Damit ist jetzt Schluss: Mit der neuen Regelung wird eine gesetzliche Grundlage für deren Geheimhaltung geschaffen. Das SPD-geführte Finanzministerium hilft also mit, einen letzten Rest Transparenz im Bereich der Finanzpolitik zu beseitigen, den Weg für noch mehr Hinterzimmerpolitik zu ebnen und kriminelle Spekulation noch besser vor den Augen der Öffentlichkeit abzuschirmen. Es handelt sich dabei übrigens nicht um das einzige SPD-Täuschungsmanöver der jüngeren Vergangenheit: Sieht man sich den von ihrer neuen Führung als Schlag gegen die Spekulanten ausgegebenen Entwurf für eine neue Finanztransaktionssteuer genauer an, dann stellt man fest, dass er den größten Spekulationsbereich, nämlich den der Derivate, sorgfältig ausnimmt. (mehr zum Thema Derivate) Das heißt: Die neue Steuer, die den spekulativen Handel durch höhere Transaktionskosten eindämmen soll, betrifft dessen weitaus umfangreichsten und bedeutendsten Bereich gar nicht. Und nicht nur das: Sie bittet vor allem kleine und mittlere Anleger zur Kasse, zum Beispiel Mittelständler, die wegen der von der SPD mitgetragenen Niedrigzinspolitik nicht mehr fürs Alter sparen können, sondern gezwungen sind, sich durch Aktien abzusichern. Während sie also nach außen von Aufbruch und Erneuerung spricht, bleibt die SPD ihrer jahrzehntelang praktizierten Strategie treu: Sie gibt sich als Vertreter des kleinen Mannes aus, begünstigt mit ihrer Politik aber tatsächlich die im Hintergrund agierende Finanzelite. |
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erschienen am 23. Dezember 2019 als KenFM-Tagesdosis | ||||||||||||||
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