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  Argentinien: Der IWF greift ein

Ernst Wolff

 

Argentinien leidet zurzeit unter einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Landeswährung Peso verlor allein in der ersten Hälfte dieses Jahres gegenüber dem US-Dollar 35 Prozent an Wert, die Inflationsrate lag in den vergangenen zwölf Monaten bei knapp 30 Prozent. Die Rückzahlung von Dollarschulden wird zunehmend schwieriger und wegen der steigenden Zinsen in den USA ziehen immer mehr ausländische Investoren ihr Geld ab.

Im Mai wandte sich die Regierung in Buenos Aires deshalb hilfesuchend an den IWF. Einen Monat später erhielt sie die Zusage für einen Bereitschaftskredit über $ 50 Mrd. Mit der noch im Juni ausgezahlten ersten Tranche in Höhe von $ 15 Mrd. kaufte sie Pesos, um so den Verfall der eigenen Währung zu stoppen. Die Maßnahme verpuffte ebenso wirkungslos wie zuvor der Einsatz von $ 10 Mrd. aus den Devisenreserven der argentinischen Zentralbank.

Die Märkte reagierten zunehmend verunsichert. Binnen weniger Wochen nahm die Kapitalflucht derart zu, dass die Zentralbank den Leitzins am 13. August auf 45%, dann am 30. August auf weltweit einmalige 60% erhöhte und Präsident Macri den IWF um die sofortige Auszahlung der nächsten Tranche bat.

Noch bevor der IWF reagierte, erhoben zahlreiche Ökonomen in aller Welt ihre Stimme und forderten die Einstellung der Zahlungen. Ihr Argument: Der IWF verschleudere sein Geld, da sich Argentinien nach der Staatspleite von 2001 auf dem direkten Weg in den nächsten Bankrott befinde.

Ihre Argumentation scheint schlüssig, verkennt aber die vollkommen veränderte Situation, in der sich die Finanzwelt heute befindet: Zehn Jahre nach dem Beinahe-Zusammenbruch des globalen Finanzsystems und seiner Rettung durch die Zentralbanken kann der Bankrott eines einzelnen großen Landes wie Argentinien unter keinen Umständen mehr hingenommen werden.

Ursache dafür ist die Kombination aus der grenzübergreifenden Verflechtung inländischer und ausländischer Banken und der Explosion nicht regulierter Derivate, deren weltweiter Bestand inzwischen auf über 1 Billiarde Dollar geschätzt wird. Würde Argentinien tatsächlich seine Zahlungsunfähigkeit erklären, könnte das Finanzhäuser in Europa und den USA in eine Schieflage bringen und so eine Kettenreaktion auslösen, die nicht mehr zu stoppen wäre.

Um diesem Szenario zu entgehen, gibt es derzeit nur einen Weg: Der IWF muss als „Kreditgeber letzter Instanz“ einspringen. Wer aber wird schlussendlich für die Schulden aufkommen?

Argentiniens Präsident Macri, selbst Spross eines milliardenschweren und für seine Korruption bekannten Clans, hat die Antwort bereits in Ansätzen gegeben: Sein „aus der Not geborenes“ Sparprogramm sieht unter anderem vor, die Gehälter von Staatsangestellten um 20 Prozent zu senken, staatliche Investitionen um die Hälfte zu kappen und Subventionen von Gas, Strom und öffentlichen Transportmitteln weiter zu kürzen. Die Folge wären Preissteigerungen von mehreren hundert Prozent, die vor allem die untersten Einkommensschichten hart treffen würden.

Zur Absicherung des IWF-Kredites aber reichen diese Maßnahmen bei weitem nicht aus. Da jedoch bereits die ersten Verhandlungen zwischen der Regierung in Buenos Aires und dem IWF von heftigen Protesten der Bevölkerung begleitet wurden, die sich mit Schrecken an die Konsequenzen früherer IWF-Kredite erinnert, hüten sich alle Beteiligten derzeit davor, weitere Einzelheiten zu den Bedingungen des Kredits bekannt zu geben.

Angesichts der verheerenden Folgen früherer IWF-Interventionen sah sich IWF-Chefin Lagarde sogar genötigt, auf die menschliche Seite ihrer Organisation hinzuweisen. Bei einer Pressekonferenz lobte sie Präsident Macri dafür, dass sein ökonomisches Team trotz der Sparmaßnahmen versuche, „die Verletzlichsten in der Gesellschaft zu unterstützen“.

Wie es um das tatsächliche Mitgefühl des IWF mit den Opfern seiner Geldpolitik bestellt ist, lässt sich am besten anhand von Zahlen ablesen: Die größte Finanzorganisation der Welt, die ihren Sitz in den USA hat, in denen zurzeit ein Leitzins von 2 Prozent gilt, verlangt von Argentinien für den Bereitschaftskredit je nach Ausschöpfung bis zu 4,96 Prozent Zinsen.

 
     
  Ursprünglich erschienen am 8.September 2018 auf KenFM  
  Archiv > Artikel von Ernst Wolff auf antikrieg.com  
 
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