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Neue
Aufhängungen "in the works" Wie viel zu wenig bekannt wurden die Vorgänger der derzeitigen deutschen Regierung vor ca. 70 Jahren aufgehängt, weil sie das "Verbrechen gegen den Frieden", nämlich einen aggressiven Angriffskrieg begangen hatten. Was in Afghanistan stattfindet, ist ebenfalls ein aggressiver Angriffskrieg, begonnen von der terroristischen Supermacht Vereinigte Staaten von Amerika, deren Aussichten auf einen Sieg Tag für Tag geringer werden. Mit Deutschland hat dieser Krieg absolut nix zu tun ... Höchstens mit der Treue zu Washington, die viel wichtiger ist als das deutsche Volk, das in Frieden leben will. |
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Krieg als "Generationenaufgabe"German Foreign Policy
KABUL/BERLIN (Eigener Bericht) - Für den heutigen Mittwoch kündigt die Bundesregierung einen Kabinettsbeschluss zur Aufstockung des Bundeswehrkontingents in Afghanistan an. Wie in Vorabberichten gemeldet wird, soll die Obergrenze für die deutschen Truppen in dem Land von bisher 980 auf 1.300 Soldaten angehoben werden. Dies sei nötig, heißt es, weil der Schutz für die deutschen Militärausbilder ausgeweitet werden müsse. Tatsächlich spitzt sich die Lage in Afghanistan immer weiter zu. Sogar laut US-Angaben kontrolliert die afghanische Regierung nur noch wenig mehr als die Hälfte aller Distrikte des Landes. Selbst Militärs meiden aus Furcht vor Anschlägen Fahrten mit Straßenfahrzeugen so weit wie möglich. Im vergangenen Jahr sind erneut rund 3.500 Zivilpersonen bei Kampfhandlungen und Anschlägen ums Leben gekommen. Nach 16 Jahren Besatzung ist ein Sieg über die Taliban weniger in Sicht denn je. Allerdings stärkt die Aufstockung der Truppen die westliche Präsenz zu einer Zeit, zu der Moskau am Hindukusch neu an Einfluss gewinnt und anbietet, Waffenstillstandsverhandlungen zu moderieren.
Die Taliban rücken vorHintergrund der geplanten Truppenaufstockung in Afghanistan ist die schon seit langem desolate Entwicklung im Land. Am gestrigen Dienstag sind einige Auszüge aus einem "Perspektivbericht" der Bundesregierung bekannt geworden, die diese Tatsache bestätigen, wenngleich sie keine neuen Erkenntnisse bringen. So räumt der Bericht ein, Kabul habe nur noch "die überwiegende Kontrolle über 60 Prozent des Territoriums mit etwa zwei Dritteln der Bevölkerung".[1] Bereits im Oktober hatte der US-Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) festgestellt, von den 407 Distrikten des Landes würden 13 Prozent vollständig von den Taliban kontrolliert, 30 weitere Prozent seien "umkämpft"; der Prozentsatz der von der Regierung tatsächlich beherrschten Distrikte sei allein seit November 2015 um 16 Prozentpunkte zurückgegangen. Dabei ist die Lage auch in den offiziell regierungskontrollierten Gebieten dramatisch. "Kampfhandlungen, Anschläge und Entführungsgefahr erlauben Investitionen und Beratungsleistungen nur noch unter strengen Sicherheitsvorkehrungen", heißt es in dem Bericht der Bundesregierung. Bereits vor rund zwei Jahren vermeldeten Korrespondenten, westliche Entwicklungshelfer wagten sich nur noch selten in stark gepanzerten Fahrzeugen aus ihren Hochsicherheitsbüros. Selbst Soldaten legten den Weg von einem Stützpunkt zum anderen in Hubschraubern zurück, da die Nutzung von Straßenfahrzeugen mittlerweile zu gefährlich sei.[2]
Zivile TodesopferErschreckend hoch ist nach wie vor auch die Zahl der Zivilpersonen, die bei Anschlägen oder bei Kampfhandlungen in Afghanistan verletzt werden oder zu Tode kommen. Laut einem UN-Bericht, der im Februar veröffentlicht wurde, kamen im vergangenen Jahr 3.438 Zivilisten konfliktbedingt ums Leben, darunter 861 Kinder; 7.015 Zivilisten, darunter 2.318 Kinder, wurden verletzt. Die Zahl liegt knapp unter dem Höchstwert von 2016, bewegt sich aber nach wie vor auf dem dramatischen Niveau von rund 3.500 Toten und mehr als 7.000 Verletzten pro Jahr, das sich seit 2014 eingependelt hat. Insgesamt sind laut Auskunft der Vereinten Nationen seit dem Jahr 2009 mindestens 28.291 Zivilisten getötet worden; mindestens 52.366 wurden verletzt. Die UNO listet zudem detailliert die Zahl der Zivilpersonen auf, die durch afghanische Regierungstruppen und ihre westlichen Verbündeten getötet wurden; sie hat im vergangenen Jahr mit 745 ihren zweithöchsten Wert seit 2009 erreicht. Insgesamt kamen durch Operationen afghanischer und westlicher Soldaten seit 2009 mindestens 5.112 Zivilpersonen ums Leben.[3] Nicht eingerechnet sind dabei die indirekten Todesopfer, die später durch erlittene Verletzungen oder infolge anderweitiger Kriegszerstörungen zu Tode kommen. Eine umfassendere Analyse bezifferte die Zahl der direkten und indirekten Todesopfer des Krieges in Afghanistan in den Jahren von 2001 bis 2015 auf mehr als 220.000.[4]
"Strategische Geduld"Die katastrophale Lage in Afghanistan stellt den westlichen Besatzern ein desaströses Zeugnis aus. Hatten sie nach dem Krieg im Herbst 2001 und nach der Entmachtung der Taliban selbst die Kontrolle über das Land übernommen und der Bevölkerung großspurig eine glänzende Zukunft in Aussicht gestellt, so zeichnete sich schon bald ab, dass sich die selbstbewussten Versprechungen nicht wie geplant realisieren lassen würden. Im Spätsommer 2007, fast sechs Jahre nach Kriegsbeginn, sah sich der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und Ex-Verteidigungsminister Peter Struck veranlasst, in einem Interview zu verkünden, der Einsatz in Afghanistan werde wohl noch zehn weitere Jahre dauern: "Es wäre sehr wünschenswert", empfahl er, "wenn vor allem Angela Merkel den Deutschen erklären würde, warum das Engagement nötig ist".[5] Mehr als das in Aussicht gestellte Jahrzehnt später schreibt die Bundesregierung in ihrem neuen Bericht:"Der Aufbau funktionsfähiger Sicherheitskräfte, die Stärkung rechtsstaatlicher Institutionen sowie die gesellschaftliche Überwindung eines jahrzehntelangen Konflikts sind Generationenaufgaben, die strategische Geduld erfordern."[6] Konkrete Zeitangaben jeglicher Art über die heute geplante Einsatzdauer finden sich in den veröffentlichten Auszügen des Berliner "Perspektivberichts" nicht.
Mehr MilitärDafür hat die Bundesregierung nun eine Aufstockung des Bundeswehrkontingents am Hindukusch angekündigt. Demnach soll das Bundeskabinett am heutigen Mittwoch beschließen, die Obergrenze für die in Afghanistan eingesetzten deutschen Truppen von 980 auf 1.300 hinaufzusetzen. Dies soll es den deutschen Soldaten vor allem ermöglichen, ihre offizielle Aufgabe wieder in größerem Umfang zu erfüllen: die Ausbildung afghanischer Militärs. Berichten zufolge wurden in jüngster Zeit nur einige Dutzend der fast 980 Bundeswehrsoldaten am Hindukusch tatsächlich zu Trainings- und Beratungsmaßnahmen entsandt, weil nicht genug Truppen zu ihrem Schutz zur Verfügung standen. Der Schutzbedarf der deutschen Militärausbilder ist mit der stetigen Zuspitzung der Lage immer weiter gestiegen. Dabei ist die Aufstockung des deutschen Kontingents Teil einer Aufstockung der NATO-Einheiten in Afghanistan, die das Kriegsbündnis bereits im November beschlossen hat. Sie soll die Personalstärke der NATO-Truppen von 13.000 auf 16.000 Militärs anheben. Hinzu kommen unter nationalem Kommando operierende US-Einheiten, mit denen die Gesamtzahl der westlichen Soldaten in Afghanistan sich wieder auf über 20.000 beläuft. Wie der Krieg gegen die Taliban gewonnen werden soll, ist allerdings mit Blick auf die Entwicklung der vergangenen Jahre sowie auf die Geschichte des Afghanistankrieges allgemein nicht zu erkennen.
Russland gewinnt EinflussAllerdings stellt sich die Frage, ob es Berlin und Washington überhaupt noch darum geht. In den vergangenen Jahren hat Moskau seinen Einfluss in Kabul deutlich verstärkt (german-foreign-policy.com berichtete [7]). Unter anderem hat es von Dezember 2016 bis April 2017 mehrere Verhandlungsrunden über eine Beilegung des Krieges in Afghanistan geführt. Beteiligt waren die Volksrepublik China, Iran, Pakistan und Afghanistan - nicht aber EU und USA. US-Experten beobachten die russischen Aktivitäten sehr genau; Moskau "positioniert sich als Schlüsselfigur in künftigen Verhandlungen", hieß es zu Jahresbeginn in der einflussreichen US-Fachzeitschrift Foreign Affairs.[8] Kabul scheint tatsächlich zunehmend die Zusammenarbeit mit Russland zu suchen. Ende November forderte der afghanischen Nationale Sicherheitsberater Mohammad Atmar bei Gesprächen in Moskau die russische Regierung auf, angesichts der katastrophalen militärischen Lage etwaige Kontakte zu den Taliban "zugunsten von Friedensgesprächen zu nutzen".[9] Im Januar teilte das russische Außenministerium mit, es sei "bereit, eine geeignete Plattform" für direkte Verhandlungen mit den Taliban zu schaffen. Ende Februar forderte der afghanische Präsident Ashraf Ghani die Taliban offiziell zu Friedensgesprächen auf - und stellte ihnen erstmals nennenswerte Zugeständnisse in Aussicht.[10] Käme es zu den Verhandlungen, dann hätte Moskau den Westen, der sich derlei Gesprächen offiziell verweigert, in Afghanistan erstmals ausmanövriert.
Kein Ende in SichtDemgegenüber setzen Berlin und Washington, wie die angekündigte Aufstockung der deutschen Truppen in Afghanistan bestätigt, auf eine Fortsetzung des Krieges - selbst dann, wenn ein Ende nicht in Aussicht ist.
[1] Arnd Henze: "Kämpfe, Anschläge, Entführungsgefahr". tagesschau.de 06.03.2018. [2] Friederike Böge: Hilfe per Fernsteuerung. Frankfurter Allgemeine Zeitung 15.08.2016. S. auch Deutschlands Kriegsbilanz (II). [3] United Nations Assistance Mission in Afghanistan, United Nations Human Rights Office of the High Commissioner: Afghanistan. Protection of Civilians in Armed Conflict. Annual Report 2017. Kabul, February 2018. [4] IPPNW: Body Count. Opferzahlen nach 10 Jahren "Krieg gegen den Terror". Irak - Afghanistan - Pakistan. Berlin, September 2015. Mitgezählt worden sind dabei allerdings auch Kombattanten. S. dazu Deutschlands Kriegsbilanz (II). [5] "Noch 10 Jahre in Afghanistan". faz.net 02.09.2007. [6] Arnd Henze: "Kämpfe, Anschläge, Entführungsgefahr". tagesschau.de 06.03.2018. [7] S. dazu Ein bemerkenswertes Comeback. [8] Julia Gurganus: Russia's Afghanistan Strategy. foreignaffairs.com 02.01.2018. [9] Henry Meyer: Now Putin Is Being Asked to Bring Peace to Afghanistan. bloomberg.com 23.11.2017. [10] Kathrin Hille: Russia offers to host talks between Afghan government and Taliban. ft.com 17.01.2018. |
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erschienen am 7. März 2018 auf > German Foreign Policy > Artikel | |||||||||||||||||||||
Herzlichen Dank den Kollegen von German Foreign Policy, einer Website, die ich täglich lese und die ich uneingeschränkt empfehle. | |||||||||||||||||||||
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