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  Warum die Terrorattacke in London jetzt passiert ist

Jonathan Cook

 

Man muss fragen, warum Terroristen wie diejenigen, die letzte Nacht in London und davor in Manchester zugeschlagen haben, ihre Attacken gerade jetzt durchgeführt haben. Es ist schwierig nicht anzunehmen, dass ihre Gewalt darauf gerichtet war, die Wahlen im Vereinigten Königreich am Donnerstag zu beeinflussen. Diejenigen, die hinter der Attacke stehen – seien es die, die sie ausgeführt haben oder die, die die Terroristen geschickt haben – wollen damit etwas erreichen. Terrorismus ist der Einsatz von rücksichtsloser Gewalt für politische Zwecke. Er hat eine Logik, auch wenn es eine ist, um deren Verständnis wir uns meistens nicht kümmern.

Was hoffen diese Terroristen zu erreichen?

Auf der Grundlage früherer Erfahrungen werden sie annehmen, dass sie Furcht und Wut in der britischen Bevölkerung anheizen können, wenn sie jetzt zuschlagen – mit der Folge von Intensivierung antimuslimischer Rhetorik, Rechtfertigung schärferer „Sicherheits“maßnahmen seitens des britischen Staats und Verlagerung politischer Unterstützung hin zu der Rechten. Das ist gut für ihre Sache, weil es andere desillusionierte muslimische Jugendliche radikalisiert. Kurz gesagt, es bringt Rekruten.

In dieser Beziehung bildet der Islam keine Ausnahme. Das ist kein Problem, das mit einer besonderen Religion zusammenhängt. Experten haben wiederholt ausgeführt, dass desillusionierte, frustrierte, wütende (und hauptsächlich männliche) Jugendliche sich bestehende Ideologien aneignen, die für sie von Bedeutung sind, und dann nach den Teilen suchen, die so hingedreht werden können, dass sie ihre Gewalt rechtfertigen. Der gewalttätige Impuls existiert, und sie suchen eine Ideologie, um diesen zu rationalisieren.

Einst wurde das Christentum – die Religion, laut der man die andere Wange hinhalten soll – benutzt, um Pogrome und Inquisitionen zu rechtfertigen. In den Vereinigten Staaten von Amerika benutzten weiße Suprematisten – zum Beispiel der Ku Klux Klan - die Bibel, um die Verbreitung von Terror gegen die schwarze Bevölkerung im Tiefen Süden zu rechtfertigen. Weiße Suprematisten benutzen in den Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin sporadisch Terror, zu erwähnen ist besonders Timothy McVeigh, der für den Bombenanschlag in Oklahoma City im Jahr 1995 verantwortlich war.

Terroristen können auch säkulare Ideologien adaptieren, seien es weit rechts oder weit links stehende. Denken Sie nur an die Bader Meinhof-Bande und an die Symbionese Liberation Army in den 1970ern. Letztere wurde besonders bekannt, weil Patty Hearst, die Enkelin des Zeitungsmagnaten William Randolph Hearst (Citizen Kane) sich zu ihr bekannte. Nachdem sie entführt worden war, übernahm sie rasch das Denken und die Gewalt der Gruppe als ihre eigenen.

Die islamischen Terroristen unserer Zeit glauben an ein gewalttätiges Nullsummenspiel im Kampf der Zivilisationen. Das sollte weiter nicht überraschen, widerspiegelt ihre Ideologie doch die herrschende Ideologie – des Neokonservatismus – der westlichen außenpolitischen Eliten. Beide Seiten sind in einen erschreckenden Tanz des Todes verstrickt. Beide glauben, dass zwei „Zivilisationen“ existieren, die untereinander inkompatibel sind, dass diese einen Kampf um Leben und Tod führen und dass alle Maßnahmen gerechtfertigt sind, um den Sieg zu erringen, weil es bei dem Kampf um die Existenz geht. Wir benützen Drohnen und „humanitäre Intervention,“ um ihre Gesellschaften zu destabilisieren; sie benützen Autos, Schusswaffen, Messer und Sprengstoffgürtel, um unsere zu destabilisieren.

Der Tanz findet hauptsächlich statt, weil beide Seiten ihn fortsetzen. Und es wird nicht leicht sein, davon loszukommen. Unsere Einmischungspolitik im Mittleren Osten reicht mehr als ein Jahrhundert zurück – besonders seit die Region zu einer gigantischen Erdölzapfstelle für uns geworden ist. Die Greifarme der westlichen Einmischung gingen nicht erst 2003 in Betrieb, egal was wir gerne glauben möchten. Im Gegenteil, eine globalisierte Welt hat unweigerlich eine zur Folge, in der ein Jahrhunderte altes koloniales Schlachtfeld leicht zurückkommen kann, um uns an unserer eigenen Türschwelle heimzusuchen.

Die Lösung, so vielschichtig sie auch sein wird müssen, kann sicher nicht den Einsatz von ähnlich rücksichtsloser Gewalt durch uns beinhalten, mehr „Intervention“ im Mittleren Osten, oder mehr Losgehen gegen Moslems. Sie wird erfordern, dass wir einen Schritt zurücktreten und darüber nachdenken, wie und warum auch wir süchtig sind nach diesem Tanz des Todes. 

 
     
  erschienen am 4. Juni 2017 auf > JONATHAN COOK BLOG > Artikel  
  Archiv > Artikel von Jonathan Cook auf antikrieg.com  
 
siehe dazu im Archiv:
  Robert Barsocchini - Israels ‚Recht sich zu verteidigen’: Ein Aggressor kann nicht in Selbstverteidigung handeln
  Oded Na'aman/Breaking the Silence - „Es geht in erster Linie um Bestrafung ...”
  Oded Na'aman - Die Kontrollstelle
  Ira Chernus - Israelische Soldatinnen brechen das Schweigen
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  Jeremy Hammond - So einfach ist der israelisch-palästinensische Konflikt
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  John Philpot - Versagen des Internationalen Rechts und der Menschenrechtsinstitutionen: Palästina, Syrien und Irak im Jahr 2014
  Ismael Hossein-zadeh - Das Chaos im Mittleren Osten und darüber hinaus ist geplant
 
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