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>>> Verbrechen gegen den Frieden? Na und? | |||||||||||||||||||||
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Aleppo,
Mossul und die Hegemonie German Foreign Policy
BERLIN/DAMASKUS/BAGDAD (Eigener Bericht) - Angesichts eines möglichen massiven Einflussverlusts der westlichen Mächte im Nahen Osten verschärfen deutsche Außenpolitiker ihre Sanktionsdrohungen gegen Moskau. Mit wirtschaftlichen Strafmaßnahmen müssten angebliche oder tatsächliche Kriegsverbrechen russischer Militärs in Ost-Aleppo geahndet werden, fordert der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU). Harte Kritik an der auch in Deutschland tobenden Propagandakampagne zu der brutal geführten Schlacht um Ost-Aleppo übt der renommierte britische Nahostkorrespondent Robert Fisk. Fisk konstatiert, es sei bemerkenswert, dass die Milizen in Ost-Aleppo als "Rebellen" bezeichnet würden; da unter ihnen eine der stärksten ein Al Qaida-Ableger sei, werde damit immerhin die Organisation aufgewertet und in Schutz genommen, die für die Anschläge vom 11. September Verantwortung trage. Davon abgesehen werden die zahlreichen zivilen Todesopfer westlicher Luftangriffe im Krieg gegen den IS beschwiegen; eine bekannte US-NGO beziffert sie auf bislang mehr als 2.000. Die berüchtigten doppelten Standards der westlichen Propaganda begleiten vergebliche Bemühungen europäischer Mächte und der USA, russische Einflussgewinne in Nah- und Mittelost zu verhindern.
Nur Zuschauer Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen, fordert erneut eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland und will sie zudem auf Syrien und Iran ausweiten. Zum Anlass nimmt der CDU-Politiker die Kriegführung in Ost-Aleppo. Dort hätten zahllose Zivilisten den Tod gefunden, erklärt er; russische, syrische und iranische Soldaten und Milizen hätten sich dabei schwerster Kriegsverbrechen schuldig gemacht. "Aleppo" sei "ein Schandmal ... des Westens, weil wir zugeschaut haben", lässt Röttgen sich zitieren und räumt ein, dass die Mächte Europas und die Vereinigten Staaten, die seit über zwei Jahrzehnten in Nah- und Mittelost den Ton angaben, nicht in der Lage waren, die von ihnen abgelehnte Rückeroberung Aleppos durch die von Russland unterstützten syrischen Regierungstruppen zu verhindern: Es sei nicht einmal gelungen, das Geschehen "mit wirtschaftlichen Konsequenzen zu ahnden".[1]
"Eine der größten Gefahren" Röttgen warnt zudem, der transatlantische Einflussverlust könne sich noch deutlich ausweiten. "Eine der gefährlichsten Entwicklungen" sei "ein russisch-türkisches Arrangement in Syrien", wird der Bundestags-Außenpolitiker zitiert: Mit einer möglichen Einigung Ankaras und Moskaus über das künftige Vorgehen in Nah- und Mittelost drohe "ein weiteres diplomatisches Desaster für den Westen".[2] Eine solche Einigung ist in der Tat nicht mehr auszuschließen. In den vergangenen Monaten haben sich Ankara und Moskau nach heftigen Auseinandersetzungen Ende 2015 wieder stark aneinander angenähert; für den heutigen Dienstag sind Gespräche der Außenminister Russlands, der Türkei und Irans in Moskau geplant, um Absprachen über den Syrien-Konflikt anzubahnen. Bislang konnte der Westen sich stets darauf verlassen, dass Ankara alles daran setzte, die Regierung Assad zu stürzen; Moskau sucht nun nach einem Abgleich. Aus Sicht auch Berlins wiegt schwer, dass weder die USA noch ein europäischer Staat an den Moskauer Gesprächen beteiligt sind; für die westlichen Mächte, die es seit über zwei Jahrzehnten gewohnt sind, die Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten zu dominieren, ist dies ein schwerer Schlag. Selbst der gestrige Mord an dem Botschafter Moskaus in Ankara, Andrej Karlow, der für die russisch-türkischen Annäherungsversuche in Sachen Syrien zuständig war, scheint die für heute geplanten Gespräche nicht zu verhindern. Der Mörder, Berichten zufolge ein Islamist, eventuell ein Jihadist, hatte nach der Tat gerufen: "Vergesst nicht Aleppo".[3]
Die "Rebellen" vom 11. September Moskaus Machtzuwachs in Nah- und Mittelost, der mit dem Eingreifen der russischen Streitkräfte in den Syrienkrieg am 30. September 2015 begann und sich nun mit dem brutal erkämpften Sieg über die von Jihadisten dominierten Aufständischen in Aleppo fortsetzt, ist ursächlich für die erbittert geführte Propagandakampagne zur Schlacht um Ost-Aleppo in den letzten Wochen und Monaten gewesen. Die beharrliche Positionierung des Westens auf Seiten der syrischen Aufständischen hat zuletzt etwa der britische Nahostkorrespondent Robert Fisk scharf kritisiert. Fisk, ein exzellenter Kenner der Region, hat vor einigen Tagen darauf hingewiesen, dass die gemeinhin als "Rebellen" bezeichneten Milizionäre in Aleppo zum guten Teil aus Jihadisten bestehen, darunter Kämpfer des Al Qaida-Ablegers Jabhat Fatah al Sham: Es sei bemerkenswert, schrieb er, dass die Organisation, die die Anschläge von 11. September 2001 zu verantworten habe, in Ost-Aleppo für ihren Kampf gegen die syrische Armee gelobt und politisch unterstützt werde.[4] Fisk wies zudem darauf hin, dass die Milizionäre in Ost-Aleppo ihrerseits schwere Verbrechen begangen hätten; so hätten sie Angehörige einer aus der umkämpften Stadt geflüchteten Familie umgebracht, und das sei kein Einzelfall.[5] Tatsächlich hat die UNO unlängst berichtet, dass Aufständische nicht nur Zivilisten, die fliehen wollten, beschossen hätten; auch hätten der Al Qaida-Ableger Fatah al Sham und eine weitere Miliz eine unbekannte Zahl an Zivilisten verschleppt und ermordet, weil sie die Milizionäre gebeten hatten, die Kämpfe nicht von ihren Wohngebieten aus zu führen.[6] Fisk rechnet mit weiteren Erkenntnissen über die tatsächlichen Ereignisse in Ost-Aleppo in den kommenden Wochen.
Zivile Todesopfer Nicht nur die Positionierung auf Seiten der aufständischen Milizen, auch die lautstarke Anklage angeblicher oder tatsächlicher russischer Kriegsverbrechen wird von Fisk moniert. Fisk erinnert an den Überfall auf den Irak und die Folgen ("vielleicht eine halbe Million Tote" [7]) sowie an Verschleppung und Folter von Verdächtigen durch die CIA und befreundete Dienste, die Folterverhöre zuweilen in syrischen Gefängnissen durchführen ließen (german-foreign-policy.com berichtete [8]); die Verbrechen blieben gänzlich ungesühnt. Hinzu kommt, dass die US-geführte Kriegskoalition gegen den IS ebenfalls zahlreiche Todesopfer unter Zivilisten zu verantworten hat. Offiziell räumt die Koalition, deren Luftschläge von der Bundeswehr mit Aufklärungsflügen vorbereitet werden, 173 zivile Todesopfer seit Beginn der Angriffe am 22. September 2014 ein. Unabhängige Organisationen kommen auf höhere Zahlen. So geht die bekannte US-NGO Airwars von bislang mindestens 2.013 bei westlichen Luftangriffen getöteten Zivilisten aus.[9] Im Oktober kamen demnach mutmaßlich zwischen 122 und 148 Zivilisten bei Attacken vor allem auf Mossul und Raqqa ums Leben, im November zwischen 142 und 186 Zivilisten. Allein für den 7. und 8. Dezember verzeichnet Airwars vermutlich 98 zivile Todesopfer westlicher Luftangriffe bei Mossul und 60 bis 100 zivile Todesopfer, darunter 21 Kinder, in der irakischen Provinz Anbar.[9]
Vertreibung, Folter, Mord Hinzu kommen zahlreiche weitere Verbrechen, die oft von den irakischen Bodentruppen der Anti-IS-Koalition begangen werden. Berichte von Human Rights Watch und Amnesty International, denen keinerlei antiwestliche Ressentiments nachgesagt werden können, sprechen eine deutliche Sprache. Demnach setzen kurdische Peschmerga, die von der Bundeswehr trainiert und aufgerüstet werden, ihre "ethnischen Säuberungen" in Kirkuk und Umgebung fort (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Irakische Milizen foltern und ermorden Männer und männliche Jugendliche in Orten, die der Herrschaft des IS entrissen werden konnten.[11] In der Schlacht um Mossul führt die US-geführte Kriegskoalition gegen den IS auch Luftangriffe auf Krankenhäuser durch. So ist ein Bombardement eines Krankenhauses am 18. Oktober dokumentiert.[12] In Mossul selbst hat inzwischen der Häuserkampf begonnen, der wohl zahllose weitere Ziviltote fordern wird, zumal der IS - ganz wie der Al Qaida-Ableger Fatah al Sham in Ost-Aleppo - Zivilisten mit aller Gewalt an der Flucht zu hindern sucht.
Berlin und das Leid" Das, was dort an unvorstellbarem Leid stattfindet, da gibt es kein Gutes", hat Norbert Röttgen, Vorsitzender im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, vor wenigen Tagen erklärt: "Und auch einer, der selber Unrecht tut, Gewalt anwendet, von mir aus sogar ein Terrorist ist, dem widerfährt kein Recht, wenn so viel wahllose Gewalt und Bombardement stattfindet. Und die Realität ist ja, dass ganz unterschiedliche Menschen dort sind. ... Es sind ... auch Kinder dort. Es sind Zivilisten dort, denen man nicht erlaubt, ... zu fliehen".[13] Röttgen meinte damit allerdings nicht den vom Westen angeleiteten Krieg gegen den IS in Mossul, sondern den Krieg, den syrische, russische sowie iranische Einheiten gegen Al Qaida und Ahrar al Sham [14] in Aleppo führen. Während er harte Sanktionen gegen Moskau fordert, spart der Berliner Politiker die westlichen Operationen gegen den IS von jeder Kritik aus: Es geht eben nicht um die Vermeidung von Leid, sondern schlicht um die Rettung der westlichen Hegemonie
Mehr zum Thema: Die zivilen Opfer der Kriege, Die zivilen Opfer der Kriege (II) und Die Schlacht um Mossul (I). [1] Ruf nach Sanktionen
gegen Mullahs, Putin und Assad. www.bild.de 19.12.2016. |
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erschienen am 20. Dezember 2016 auf > German Foreign Policy > Artikel | |||||||||||||||||||||
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