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"Wenn die Götter eine Nation zerstören wollen, dann schlagen sie sie zuerst mit Blindheit." | |||||||||||||||||||||
Verbrechen gegen den Frieden? Na und? | |||||||||||||||||||||
ARD: Putin
ist an allem Schuld - Propaganda mit der Not der
Häuslebauer in Moskau Wolfgang Jungmann
Die ARD hat ein grosses Herz. Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, liegen ihr am Herzen. Ganz besonders, wenn sie russische Bürger sind. So räumte denn auch das Morgenmagazin über füneinhalb Minuten seiner kostbaren und teuren Sendezeit den Menschen in Russland ein, die die Bankkredite für die von ihnen gekauften Wohnungen nicht mehr bezahlen können und denen daher die Zwangsräumung und der Verkauf dieser Wohnungen droht. Wie konnte es dazu kommen? Die russischen Banken, durchgehend in Privatbesitz und zumeist Eigentum der Oligarchen, die sich in der Regierungszeit Boris Jelzins jegliches Vermögen des russischen Volkes unter den Nagel gerissen hatten, haben der unter Putin zu bescheidenem Wohlstand gekommenen Mittelschicht Kredite zum Erwerb von Wohneigentum auf Dollarbasis verkauft. So könne man die hohen russischen Kreditzinsen vermeiden und profitiere von den historisch niedrigen Zinsen im Westen. So wälzten die Banken das enorm hohe Wechselkursrisiko auf ihre Kunden ab. Nun hätte man sich zwar das ein oder andere Mal gewünscht, dass die ARD auch etwas Mitgefühl für die spanischen Immobilienbesitzer gezeigt hätte, die dank der Bankenkrise in Zahlungsschwierigkeiten gerieten und ihre Immobilien räumen mussten, aber diese gewaltige Zwangsenteignung fand praktisch unter Ausschluss der westlichen Öffentlickeit statt. Auch hätte sich die ARD für das Schicksal der Menschen in Griechenland erwärmen können. Dort wurden weite Teile der Bevölkerung in die blanke Armut gestürzt, dank der Griechenland von der EU unter Führung der deutschen Bundesregierung auferlegten rigorosen Sparmassnahmen. Aber in diesem Fall hielt die ARD es geboten, die immensen Summen, die die EU und der IWF zur Bankenrettung ausgaben, als Kredite an Griechenland zur Überwindung seiner Wirtschaftskrise zu deklarieren und sich ein ums andere Mal über die renitenten, faulen, streiklustigen Griechen zu beklagen. Was unterscheidet den Menschen in Russland, der in Not geraten ist nun von den Spaniern oder den Griechen? Die Antwort ist einfach und heisst - Putin. Bereits die Moderatorin im Studio in Köln, die den Beitrag Birgit Virnichs aus Moskau ankündigt, Anna Planken, benennt schon einmal vorauseilend die Schuldigen: "Der niedrige Ölpreis, kapp über dreissig Dollar, der bringt alles ins Wanken, weil alles auf diese Öleinnahmen ausgelegt ist in Russland. Und die Regierung in Russland hat sich böse verschätzt. Es schrumpft die Wirtschaft, es gibt ein riesiges Haushaltsloch: 36 Milliarden Euro groß, und der Rubel verfällt. Jetzt passiert es, dass immer mehr Menschen ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen können." Und Dank der ARD erfahren die russischen Bürger, wie schlecht es ihnen mittlerweile geht: "Unsere Moma-Reporterin Birgit Virnich zeigt das, was das russische Staatsfernsehen gerne verschweigt." Virnich besucht die Familie von Alexej Lachmanow in deren Wohnung. Und sie klärt die deutschen Fernsehzuschauer auf: "Der Dollarkredit, den er (Alexej Lachmanow) aufnahm, damals die günstigste Variante, ist mittlerweile unbezahlbar. Da Russland für sein Öl weniger Geld bekommt, wird der Rubel immer schwächer. Also zahlt er jetzt für seinen Dollarkredit dreimal soviel wie noch vor einem Jahr." Entweder übertreibt Virnich hier masslos oder der gute Alexej, Virnich nennt den Mann nur beim Vornamen, wie die Kolonialherren dieses schon seit Urzeiten mit den Eingeborenen tun, ist von seiner Bank, wie wir später selbst sehen können, der Deltakredit, mächtig übers Ohr gehauen worden. Der Rubel verlor in der Zeit von Januar 2015 bis heute ganze 17,9% gegenüber dem Dollar an Wert. Musste Alexej Lachmanow vor einem Jahr noch 68 Rubel für einen Dollar zurückzahlen, so sind es heute 79 Rubel. Das tut weh, ohne Zweifel, aber es ist weit entfernt vom Dreifachen. Auf die Frage von Virnich, was er denn machen wolle, wenn er die Wohnung nicht behalten könne, antwortet Lachmanow: "Wir werden bis zum Letzten kämpfen. Wenn wir nicht mehr zahlen können, zahlen wir erst einmal nicht. Und wenn es notwendig ist, werden wir vor Gericht ziehen." Die ARD lässt den Zuschauer ohne jegliche Erklärung zurück: In Putins Unrechtsstaat, in dem doch, dass weiss hier inzwischen jedes Kind, Recht und Gesetz nichts gelten, in dem einzig der Kremlchef über Wohl und Wehe, über Leib und Leben der Menschen entscheidet, vertraut ein Mann auf die Gerichte, - unglaublich. "Die russische Wirtschaft steckt in einer tiefen Krise," doziert Virnich,"selbst im Fernsehen redet man über den niedrigen Ölpreis". Wir stutzen erneut: Hatte Anna Planken in ihrer Anmoderation nicht behauptet, die ARD müsse einspringen, da das russische Fernsehen nicht über die Krise berichte? "Heute passiert etwas Aussergewöhnliches, Alexej nimmt mich mit zu seiner Bank. Dort trifft er sich mit seinen Mitstreitern, alles Menschen, die unter der Wirtschaftskrise leiden. Ein Aufruf per Handy, eine Protestaktion." Das ist sicher nur die halbe Wahrheit. Vielmehr wurde Alexej Lachmanow von seiner Bank übers Ohr gehauen. Hätte er seinen Kredit nämlich in Rubel abgeschlossen, so zahlte er heute erheblich weniger als noch vor einem Jahr. Die Zinsen in Russland sind seit Januar 2015 von stattlichen 17% auf 11% gefallen. Das scheinen die Menschen, im Gegensatz zu Virnich auch zu wissen, protestieren sie doch nicht vor dem Kreml, sondern im Vorraum der Bank, der Deltakredit: "Eine Schande diese Bank," rufen sie und nicht etwa eine Schande dieser Putin. Merkwürdig: Scheinbar wissen die Menschen in Russland, wem sie ihre prekäre Situation zu verdanken haben - ganz im Gegensatz zur ARD, die glaubt auf dem Rücken der Betroffenen noch Propaganda machen zu müssen. Deltakredit gehört zu 100% der Rosbank, die wiederum zu 99,5% der französischen Bank Société Générale gehört. Die Société Générale kaufte ihre Anteile von der INTERROS Holding, die sich wiederum im Besitz eines gewissen Wladimir Olegowitsch Potanin befand. Potanin ist der Erfinder des "Kredite-für-Aktien-Programms", dass er im Mai 1995 der russischen Regierung unter Präsident Jelzin vorstellte. Die befand sich in akuter Geldnot und brauchte dringend Geld, um den Wahlkampf zur Wiederwahl Jelzins im Jahr 1996 zu finanzieren. Das "Kredite-für-Aktien-Programm" sah vor, Aktien der grossen Rohstoffunternehmen, die sich zu der Zeit noch fast alle in der Hand des Staates befanden, durch Banken in einer Auktion ertsteigern zu lassen. Nach Ablauf einer Frist, bis zum Oktober 1996, sollte dann der Staat die Aktien von den Banken zurückkaufen, oder diese endgültig in den Besitz der Banken übergehen. Wie so eine Auktion ablief schildert der 2003 ermordete Paul Klebnikow in seinem Buch "Der Pate des Kreml - Boris Beresowski und die Macht der Oligarchen". Potanin selbst war an der Firma Norilsk Nickel interessiert. Klebnikow schreibt auf S. 264: "Die Regierung verkaufte ihre Anteile (38 Prozent der Stammaktien, was 51 Prozent des stimmberechtigten Aktienkapitals entsprach). Höchster Bieter bei der Versteigerung von Norilsk am 17. November war ein Unternehmen namens Kont, das stellvertretend für die Rossiski Kredit Bank 355 Millionen Dollar für die Norilsk-Anteile bot. Aber die für die Registrierung der Gebote bei der Versteigerung zuständige Onexim Bank (die von Potanin beherrscht wurde) erklärte das Gebot der Rossiski Kredit Bank wegen »unzureichender finanzieller Sicherheiten« für ungültig. Gewinner der Auktion wurde eine Tochtergesellschaft der Onexim Bank, die 170,1 Millionen Dollar bezahlte, womit sie das Mindestgebot um lediglich 100 000 Dollar überbot." Auf dem Gebiet der Norilsk Nickel in der sibirischen Tundra jenseits des Polarkreises ruhen grosse Mengen an Edelmetallen. Unter dem gefrorenen Boden befinden sich 35% Nickel, 10% Kupfer, 14% Kobalt, 55% Palladium und 20% Platin der bekannten Weltvorkommen; ausserdem noch Kohle und Silber. Selbstredend wurden die Aktien von der Regierung Jelzin nicht zurückgekauft. Mithilfe solcher und ähnlicher Trixereien ergaunerte sich Potanin ein Milliardenvermögen und gründete die Finanzholding INTERROS. Das geraubte Volksvermögen verpulverte Potanin für dekadenten Luxus. So berichtete "Der Spiegel" am 10. August 1998: "Bei Wladimir Olegowitsch Potanin muß es stilvoll zugehen, auch wenn er sonntags Fußball spielt. Uniformierte Kellner mit schwarzer Fliege reichen dem Hobbyfußballer in den Spielpausen Erfrischungsgetränke: Mineralwasser mit oder ohne Kohlensäure, auf Wunsch eisgekühlt. Will Potanin sich bei anderen Sportarten erholen, hat er die Auswahl: In seiner eigenen Sport- und Ferienanlage vor den Toren Moskaus gibt es neben dem Swimmingpool, Tennisplätzen und Basketballfeldern auch einen Abfahrtshügel mit eigenem Lift für das winterliche Skivergnügen." Über einen weiteren Skandal in Zusammenhang mit der Rosbank wusste am 15. Mai 2013 die "Neue Zürcher Zeitung" zu berichten: "Bewaffnete Einheiten des russischen Innenministeriums haben am Mittwoch in Moskau den CEO der Tochtergesellschaft Rosbank, Wladimir Golubkow, festgenommen. Ebenfalls in Gewahrsam befindet sich Tamara Poljanzina, die Senior-Vizepräsidentin des Finanzinstituts. Ihnen werden die Entgegennahme von Bestechungsgeldern und Korruption vorgeworfen. Der 46-jährige Golubkow soll einen Bankkunden dazu aufgefordert haben, für die Fortführung eines Kreditvertrags 1,5 Mio. $ zu zahlen. Der Geschäftsmann meldete den Vorfall den Behörden, die daraufhin eine Geldübergabe fingierten und nun den inkriminierten Rosbank-Chef nach eigenen Angaben in seinem Moskauer Büro in flagranti mit einem Teil des Schmiergelds stellten." Virnich aber ist geduldig, hält ihr Mikrofon in die Menge und bekommt endlich, worauf sie so lange hat warten müssen: "Der Staat hat uns im Stich gelassen. Der Staat unterstützt nur die Banken", behaupten zwei Frauen mittleren Alters. Aber die Freude ist nur von kurzer Dauer. So dumm wie die Menschen in Russland in unseren Medien immer dargestellt werden, scheinen sie gar nicht zu sein. Eine Frau fährt fort: "Aber die Banken leben doch von unseren Geldern, die wir erwirtschaften durch zwei oder drei Jobs. Und unser bisschen Geld unterstützt die armen Banken, die mit den schwankenden Wechselkursen nicht klar kommen." Da haben die Menschen aber die Rechnung ohne Birgit Virnich gemacht. Die ist schliesslich hierher gekommen, um etwas Propaganda gegen Russland über das deutsche Fernsehen zu verbreiten. Und wenn die blöden Russen partout nicht sagen wollen, was Virnich hören will, dann sagt sie es eben selbst. Nachdem sie vom Sicherheitsdienst der Bank, und nicht, wie es der ARD sicherlich lieber gewesen wäre, vom Inlandsgeheimdienst Russlands, dem FSB, der Räume verwiesen wurde, bricht es aus ihr heraus: "Wir sind jetzt schon ein paarmal aufgefordert worden zu gehen. Die Leute aber setzen sich immer wieder für uns ein." Was gilt schon russisches Hausrecht, wenn die ARD noch ein paar Minuten Videomaterial drehen muss, um die russischen Medien und die russische Regierung unter Putin in die Pfanne zu hauen. Wir aus dem Westen sind schliesslich die Guten, da muss russisches Recht schon mal hintan stehen. "Sie (die Leute) wollen, dass wir hier drehen, weil sie den Eindruck haben, dass die eigene Presse, die russische Presse, das Thema totschweigt." Der Beitrag ist kurz vor dem Ende seiner Sendezeit. Für Virnich wird es Zeit nach so viel Schimpf und Schande über eine Bank in französischem Besitz jetzt die magischen Worte einzuflechten: Kreml und Putin. Das übernimmt man am besten selbst und lässt besser nicht noch einmal die Betroffenen selbst zu Worte kommen. "Der Protest unweit des Kremls hat nichts gebracht." Es ist zwar nicht ganz zu erklären, was die bisherige Geschichte mit der Verortung der Bank, "unweit des Kremls" zu tun hat, aber eines der bösen Worte ist damit schon einmal untergebracht. Virnich geht jetzt kein Risiko mehr ein. Alexej Lachmanow, ihren Alexej lässt sie lieber nicht mehr selbst reden. Zitiert ihn nur noch in indirekter Rede, während uns die Kamera die beiden in vertrautem Gespräch zeigt, was einen Bezug zu den Worten Virnichs aus dem Off herstellen soll, so als spreche Alexej Lachmanow selbst zu uns: "Alexej fühlt sich verraten von den Banken und auch von Putin und seiner Wirtschaftspolitik." Siehste wohl, hat doch noch geklappt, die verlogene Presse, der Kreml und der Verräter Putin. Ein rundum gelungener Beitrag. Da will auch Anna Planken nur ungern zurückstehen: "Und dramatisch: Manche sehen gar keine Hoffnung mehr. Am Wochenende gab es die Meldung, dass ein Mann seine Familie und dann sich selbst erschossen hat, weil er diese teuren Dollarkredite nicht mehr bezahlen konnte." Von den hunderten Griechen, die sich umgebracht haben, weil sie die teuren Eurokredite für die Banken nicht mehr bezahlen konnten, kein Wort. |
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erschienen am 26. Januar 2016 auf Wolfgang Jungmanns Blog > SPIEGELKABINETT > Artikel | |||||||||||||||||||||
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