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Syriza
lässt alle Hüllen fallen: "Ja" zu Zwangsräumungen und zur Enteignung von Sparern Ernst Wolff
Vor den Wahlen im Januar versprach das Bündnis Syriza dem griechischen Volk, der unmenschlichen Austeritätspolitik den Kampf anzusagen und die Diktatur der Troika zu beenden. Fünf Monate lang verhandelten Alexis Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis mit den Vertretern der EU-Kommission, des IWF und der EZB. Während sie deren finanzielle Forderungen in dieser Zeit vollauf erfüllten, widersetzten sie sich einigen ihrer Forderungen. Anfang Juli setzten sie ein Referendum an, bei dem ihnen die Bevölkerung den Rücken stärkte und den klaren Auftrag erteilte, die Politik eines "nein" zur Austeritätspolitik in den Verhandlungen mit der Troika offensiv zu vertreten. Statt diesen Wählerauftrag zu erfüllen, reagierte Tsipras mit einer 180-Grad-Kehrtwende. Er entließ seinen Finanzminister, fuhr nach Brüssel und akzeptierte bei den anschließenden Verhandlungen ein noch schärferes Austeritätsprogramm als seine Vorgänger. Inzwischen hat Tsipras zwei Abstimmungen im griechischen Parlament mit Unterstützung genau der Kräfte überstanden, als deren vermeintlicher Gegner er einst angetreten war. Außerdem hat er inzwischen alle politischen Mitstreiter, die auch nur teilweise an ihren früheren Versprechen festhielten, aus seinem Kabinett entfernt. Nun aber sind er, Varoufakis und ihre parlamentarischen Mitstreiter vom Bündnis Syriza noch einen Schritt weiter gegangen: Mit der Zustimmung zu dem am Mittwoch verabschiedeten Reformpaket billigen sie Maßnahmen, deren Unmenschlichkeit weit über das hinausgeht, was sie ihren Gegnern in der Vergangenheit vorgeworfen haben. Zum einen dürfen Verfahren zur Zwangsräumung von Wohnungen und Häusern in Griechenland von nun an beschleunigt durchgeführt werden. Angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage, der hohen Arbeitslosigkeit und der andauernden Kapitalverkehrskontrollen ist abzusehen, dass neben vielen bereits betroffenen Bürgern zahllose weitere mit ihren Zins- und Tilgungsraten in Verzug und damit in Zahlungsschwierigkeiten geraten werden. Mit ihrem "Ja" zeigen Tsipras, Varoufakis und Co, welch falsches Spiel sie getrieben haben, als sie sich in den vergangenen Monaten vor den Augen der Welt als Anwälte der kleinen Leute präsentiert haben. Bei Zwangsräumungen - einer der brutalsten sozialen Maßnahmen überhaupt - stehen sie jetzt offen auf der Seite von Inkassobüros und Geldeintreibern und wenden sich gegen unverschuldet in Not geratene Menschen. Noch weiter geht die Zustimmung der Syriza-Parlamentarier zu einer Maßnahme, die sie den Bürgern Griechenlands auch noch als Fortschritt verkaufen: Um Steuerzahler, die in der Vergangenheit zur Rettung in Not geratener Banken herangezogen wurden, zu "entlasten", wird in Zukunft auch in Griechenland die europäische Bankenabwicklungsrichtlinie BRRD in Kraft treten. Sie besagt, dass vor einem Eingreifen des Staates zunächst Aktionäre und Gläubiger der betroffenen Banken zur Kasse gebeten werden müssen. Wie diese auch als "Bail-in" bezeichnete Maßnahme in der Praxis aussieht, hat das Eingreifen der Troika in Zypern im Frühjahr 2013 gezeigt. Dort wurden Anleger, die mehr als 100.000 Euro auf ihren Konten hielten, von ihren Banken zu 40 Prozent enteignet - eine Maßnahme, die vor allem den Mittelstand, insbesondere kleinere Unternehmer, mit äußerster Härte traf. Zwar gilt europaweit offiziell ein Einlegerschutz für Einlagen bis 100.000 Euro, doch sollte niemand glauben, dass Einlagen unter diesem Betrag vor einem Bail-in sicher sind. Die größten vier Banken Griechenlands - die National Bank of Greece, die Piräus Bank, die Alpha Bank und die Eurobank - verfügen derzeit nur über Kundeneinlagen in Höhe von knapp 130 Mrd. Euro. Da Schätzungen zufolge zwischen 40 und 50 Prozent ihrer Kredite nicht bedient werden (bei steigender Tendenz) und nur etwa 40 Prozent der Einlagen über 8.000 Euro liegen, ist die Lage weitaus dramatischer als vor zwei Jahren bei den Banken auf Zypern. Um die faulen Kredite zu kompensieren und ihr Eigenkapital zu erhöhen, brauchen die griechischen Banken unbedingt frisches Geld. Die Bail-in-Abmachung zwischen der Troika und der zyprischen Regierung von 2013 basierte im übrigen nicht etwa auf einer gesetzlichen Grundlage, sondern auf einer eilig beschlossenen "Vereinbarung" zwischen zyprischer Regierung und EU. Eine "Notverordnung" zur Außerkraftsetzung der gesetzlichen Einlagensicherung dürfte der EU im Fall Griechenlands wohl kaum Schwierigkeiten bereiten. Wie die Financial Times berichtet und eine der betroffenen griechischen Banken inzwischen bestätigt hat, wird eine solche Maßnahme bereits hinter verschlossenen Türen diskutiert. Hierbei soll es um eine 30prozentige Enteignung aller Konten über 8.000 Euro gehen. Diese Informationen dürften sowohl Tsipras als auch Varoufakis bekannt gewesen sein, als sie am Mittwoch im griechischen Parlament für die Bankenabwicklungsrichtlinie gestimmt haben. Sie und die übrigen Vertreter von Syriza haben damit wissentlich dazu beigetragen, dass den arbeitenden Menschen in Griechenland, denen bereits sechs Sparprogramme aufgebürdet wurden, deren Renten im Schnitt um mehr als 40 Prozent gekürzt wurden, denen zu einem großen Teil der Zugang zum Gesundheitswesen versperrt ist und deren Ärmste ihren Hunger bekämpfen, indem sie im Müll nach Essbarem wühlen, nun auch ein Teil ihrer lebensnotwendigen Rücklagen genommen werden. Und nicht nur ihnen, sondern auch Millionen von Sparern in Serbien, Albanien, Bulgarien, Mazedonien und Rumänien, die ihre Konten bei den dortigen Filialen der vier größten griechischen Banken unterhalten und in deren Ländern der Lebensstandard teilweise noch unter dem Griechenlands liegt. Am Wochenende vor der Abstimmung hatte Yannis Varoufakis der spanischen Zeitung El Mundo noch ein Interview gegeben, in dem er die Kreditgeber seines Landes als "Terroristen" bezeichnete. Kann man die Unaufrichtigkeit einer politischen Bewegung wie Syriza besser auf den Punkt bringen als dadurch, dass man drei Tage nach einer solchen Aussage vor deren Forderungen kuscht und für die teilweise Enteignung arbeitender Menschen zugunsten milliardenschwerer Investoren stimmt? |
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Ernst Wolff, 24. Juli 2015 | |||||||||||||||||||||
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