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Kollisionskurs - Teil 2 >>> Teil 1 BERLIN/PARIS Deutsch-französische Agenda Wie es rückblickend in einer Analyse
heißt, die die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige
Politik (DGAP) unlängst veröffentlicht hat, hofften
viele nach dem Regierungswechsel in Deutschland im
September 2009 auf eine "Wiederbelebung der
deutsch-französischen Zusammenarbeit" - auch auf
dem Gebiet der Außen- und Militärpolitik. Gerade das
hegemoniale Ausgreifen der EU nach außen sei nicht mehr
recht vorangekommen - offenkundig wegen Unstimmigkeiten
zwischen den beiden stärksten Mächten. Die
konservativ-liberale Koalition habe Abhilfe schaffen
sollen. Tatsächlich einigten sich Berlin und Paris auf
eine "Deutsch-Französische Agenda 2020", die
im Februar 2010 dem deutsch-französischen Ministerrat
vorgelegt wurde. Darin enthalten waren unter anderem eine
ganze Reihe von Vorschlägen insbesondere auch für die
Außen- und Militärpolitik. "Ein Jahr nach
Erscheinen der Agenda", resümiert die DGAP höflich
verklausuliert, "haben die Regierungen noch immer
große Schwierigkeiten, in den genannten Bereichen ihr
Handeln besser abzustimmen". Eine Umsetzung der
angekündigten gemeinsamen Maßnahmen bleibe aus.
Entsprechend stagniere auch die weltweite Machtpolitik
der EU. Deutsch-französische Absprachen vom Dezember
2010, die auch Polen involvierten, hätten bislang
ebenfalls keine Fortschritte gebracht.[1] Abschreckende Beispiele Die DGAP-Analyse konzentriert sich zunächst
auf deutsch-französische "Blockaden" in der
Militärpolitik. Diese "Blockaden" träfen etwa
die Deutsch-Französische Brigade, die im Jahr 1989
"als Symbol für die deutsch-französische
Zusammenarbeit geschaffen worden" sei. Zwar sei die
Brigade immer wieder für Interventionen genutzt worden,
insbesondere in Südosteuropa - einem deutschen
Interessengebiet -, doch weiter reiche die Zusammenarbeit
nicht: "Das Experiment stößt an seine
Grenzen."[2] Nicht anders sehe es zur Zeit in der
Rüstung aus. Zwar könne man durchaus auf eine Tradition
erfolgreicher deutsch-französischer
Rüstungszusammenarbeit zurückblicken; so sei beinahe
die Hälfte aller bilateralen französischen
Kooperationen aus den Jahren 1958 bis 1998 mit deutschen
Firmen abgewickelt worden, bloß ein Viertel hingegen mit
britischen Unternehmen. Mittlerweile aber würden
deutsch-französische Projekte "als abschreckende
Beispiele angesehen"; es gebe regelmäßig
"Preisaufschläge", "Verzögerungen",
eine "Politisierung industrieller Fragen".
Tatsächlich ist die Zusammenarbeit zwischen Berlin und
Paris etwa bei EADS, aber auch bei den Überlegungen
über eine mögliche europäische Marinekooperation
("EADS der Meere") schon seit Jahren von
heftigen Rivalitäten geprägt - Resultat eines
Machtkampfes, in dem die deutsche Seite Vorteile hat, den
französischen Konkurrenten bislang aber nicht endgültig
besiegen kann (german-foreign-policy.com berichtete [3]). Pragmatisch Die deutsch-französischen
"Blockaden" wiegen der DGAP-Analyse zufolge
umso schwerer, als es Frankreich und Großbritannien im
vergangenen Jahr gelungen ist, eine erfolgreiche
Kooperation im militärischen Bereich zu initiieren - mit
einem Abkommen vom Dezember 2010. Die Bedeutung der
französisch-britischen Zusammenarbeit ergibt sich der
DGAP zufolge schon daraus, dass die beiden Länder
gemeinsam "mehr als 50 Prozent der gesamten
Verteidigungsausgaben sowie zwei Drittel der Ausgaben
für militärische Forschung und Entwicklung in Europa
aufbringen".[4] In die Pläne für ihre Kooperation
beziehen Paris und London auch ehrgeizige
Rüstungsprojekte ein, darunter Vorhaben zur Herstellung
von Raketen und Drohnen. Die Zusammenarbeit sei, heißt
es, durchaus "pragmatisch" orientiert - und
profitiere insbesondere davon, dass Großbritannien und
Frankreich die einzigen europäischen Atommächte seien;
Nuklearvorhaben seien ein Teil der gemeinsamen Vorhaben.
Insgesamt gestalte sich die französisch-britische
Kooperation weitaus dynamischer als die stagnierenden
deutsch-französischen Programme. Als Beispiel kann der
Libyen-Krieg gelten: Während die beiden letzten großen
Afrika-Militäreinsätze der EU - derjenige im Kongo 2006
und die Intervention im Tschad 2008/2009 - durch
deutsch-französischen Streit geprägt waren und aus
diesem Grund ohne größere Wirkung blieben, bombten
Paris und London in den letzten Monaten ein neues Regime
in Tripolis an die Macht. Erfolgreich sabotiert Tatsächlich ist die neue
französisch-britische Kooperation, bei der die
Bundesrepublik sich - wie im Falle des Libyen-Krieges -
tendenziell an den Rand gedrängt sieht, eine Reaktion
auf die jahrelange deutsche Dominanz in der EU-Außen-
und Militärpolitik. Vor allem französische Vorhaben
wurden von Berlin systematisch sabotiert. Pariser Pläne,
nach den umfassenden Interventionen der 1990er und 2000er
Jahre in Südosteuropa - also im vorwiegend deutschen
Interessen- und Einflussgebiet - das Ausgreifen der EU
stärker in den eigenen "Hinterhof" zu lenken -
also nach Afrika -, scheiterten an der Bundesrepublik:
Zwar kamen 2003 und 2006 zwei Militäreinsätze im Kongo
zustande, auch um die Interventionsfähigkeit der
europäischen Streitkräfte zu testen, doch blieben sie
isoliert - und ein dritter französisch inspirierter
Afrika-Einsatz im Tschad 2008/2009 misslang komplett.[5]
Auch die Mittelmeerunion, mit der Paris seine
Einflusszone in Nordafrika stabilisieren wollte, wurde
von Deutschland mit langjähriger systematischer
Obstruktionspolitik zum Scheitern gebracht.[6] In der
Zukunft käme aus Berliner Sicht allenfalls eine
Intervention in denjenigen Teilen Afrikas in Frage, die
nicht zur Frankophonie, sondern zum
deutsch-US-amerikanischen Interessengebiet gehören - vor
allem etwa im Sudan. Mit dem Libyen-Krieg ist es Paris
erstmals gelungen, die Dominanz der Bundesrepublik zu
durchbrechen; freilich reichte der Einfluss Frankreichs
nicht, um die ganze EU auf seine Seite zu ziehen.[7] US-Garantien Während vergleichbare deutsch-französische
Machtkämpfe die aktuellen Versuche zur Lösung der
Euro-Krise prägen (german-foreign-policy.com berichtete
[8]), äußern Experten in zunehmendem Maße Skepsis, ob
die EU in absehbarer Zeit ein einheitliches hegemoniales
Ausgreifen in alle Welt praktizieren können wird. So
heißt es bei der DGAP, zwar werde eine gemeinsame
EU-Armee "in politischen Kreisen in
Deutschland" immer lauter gefordert. Doch zeige
sich, dass nicht einmal die längst vorhandenen
EU-Battlegroups genutzt würden - "aufgrund von
Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten
über Ziele und Bedingungen ihres Einsatzes".[9]
Erst vor kurzem hat ein einstiger Mitarbeiter der DGAP
gefordert, die Bemühungen um eine gemeinsame
Militärpolitik der EU einzustellen. Die "Gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik" liege
"trotz einer Handvoll von Missionen und einer Menge
Symbolik in einem tiefen Koma - einem Koma, aus dem sie
höchstwahrscheinlich nie aufwachen wird", schrieb
der Experte vor dem Hintergrund der durch die
deutsch-französische Rivalität verursachten
"Blockaden". Doch sei das "nicht so
desaströs, wie es klingen könne, weil es eine
Alternative für die Europäer" gebe: "die
transatlantische Beziehung". "Am Ende werden
die Amerikaner die Sicherheit Europas garantieren, egal
wie schwierig es für die stolzen Europäer sein wird,
das zu akzeptieren."[10] Um genau dies zu verhindern
und eine eigene Weltmachtrolle zu erreichen, hat die
Bundesrepublik die gemeinsame Außen- und Militärpolitik
der EU bislang ehrgeizig vorangetrieben. [1], [2] Louis-Marie Clouet, Andreas
Marchetti: Ungewisse Zukunft der Gemeinsamen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik. Notwendige
deutsch-französische Reflexionen, DGAPanalyse Frankreich
No. 6, September 2011 |
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>>> Teil 1 des Artikels | ||||||||||||||||||
erschienen am 26. Oktober 2011 auf > http://www.german-foreign-policy.com > Artikel | ||||||||||||||||||
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von German-Foreign-Policy.com | ||||||||||||||||||
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