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Auf
Kollisionskurs - Teil 1 >>> Teil 2 BERLIN/PARIS Hebeltricks Die jüngste Eskalation des bereits zuvor
nur noch mühsam überdeckten Einflusskampfes zwischen
den beiden europäischen Führungsmächten Deutschland
und Frankreich entzündete sich an der neuen
Krisenstrategie der EU, den europäischen
Krisenmechanismus EFSF (European Financial Stability
Facility) zu "hebeln". Hintergrund ist, dass
sich der auf 780 Milliarden Euro vergrößerte
"Rettungsfonds" als zu klein erweist, um die
nicht mehr auszuschließenden Staatspleiten Spaniens oder
gar Italiens abzuwenden - zumal von den 780 Milliarden
Euro wegen notwendiger komplexer Absicherungsmaßnahmen
zur Gewährleistung einer optimalen Bonität ohnehin nur
440 Milliarden tatsächlich mobilisiert werden können.
Eine erneute Erweiterung des EFSF wäre deshalb
eigentlich unabdingbar. Die derzeitige EU-Krisenstrategie
sieht vor, auf den wohl unausweichlichen Bankrott
Griechenlands mit einem großen
"Schuldenschnitt" zu reagieren und die zur
Refinanzierung Spaniens und Italiens notwendige
Erweiterung des EFSF mit einer Art Trickserei zu
realisieren - mit dem sogenannten Hebeln. Dieses zielt im
Endeffekt darauf ab, auf den Finanzmärkten übliche
Spekulationspraktiken nachzuahmen, um den EFSF-Spielraum
faktisch zu vervielfältigen. Wie vor 2008 Berlin und Paris verfolgen dabei
unterschiedliche Ansätze. Die Bundesregierung bevorzugt
die Einführung einer Kreditversicherung für die
Staatsanleihen der Schuldenländer, die - weil sie nur
einen Teil der tatsächlich auf den Finanzmärkten
aufgenommenen Kreditsumme abdecken soll - einer Art
"Teilkaskoversicherung" für Staatsschulden
gleichkäme. Hierdurch könnten mit den frei verfügbaren
440 Milliarden Euro des EFSF weitaus größere
Kreditsummen teilversichert werden. Die Idee simuliert
die Funktionsweise der Kreditversicherungen fauler
Hypotheken (CDS, "Credit Default Swaps"), die
zur Zeit der Immobilienblasen bis zum Jahr 2008 auf den
Märkten Sicherheit vorgaukelten - bekanntlich, bis die
Kreditversicherer pleite gingen und die Weltwirtschaft
beinahe in den Abgrund rissen. Frankreich lehnt den
deutschen Vorschlag ab und favorisiert hingegen die
Vergabe einer Banklizenz an den EFSF; dieser könnte dann
die aufgekauften Staatsanleihen der stark verschuldeten
südeuropäischen Staaten einfach bei der Europäischen
Zentralbank (EZB) als "Sicherheit" für weitere
Kredite hinterlegen. Dadurch könnten immer neue
Staatsanleihen gegen neues Notenbankgeld getauscht
werden; dies liefe auf eine Erhöhung der Geldmenge
hinaus und entspricht einem inflationsfördernden
"Gelddrucken". Unterschiedliche Interessen Die Interessensunterschiede zwischen
Deutschland und Frankreich beruhen auf unterschiedlichen
materiellen Voraussetzungen. Frankreichs Banken sind sehr
viel stärker in Südeuropa exponiert. Paris befürchtet
nun, die französischen Banken mit Milliardenbeträgen
stützen zu müssen - in einer Zeit, in der Frankreich
ohnehin Gefahr läuft, seine Top-Bonitätsnote zu
verlieren. Um seine Banken zu stabilisieren, tritt die
französische Regierung daher für den sicheren Aufkauf
von Staatsanleihen ein. Da deutsche Banken ihre Kredite
etwa in Griechenland inzwischen - mitunter unter
Wortbruch - reduziert haben, hat für die Bundesregierung
hingegen das Vermeiden einer unkontrollierbaren
Inflationsdynamik die höchste Priorität. Kostengünstig entsorgen Ohnehin verringert die Krise im Süden das
deutsche Interesse an "Europa". Zwar ist die
aggressive deutsche Exportpolitik, die seit Einführung
des Euro einen Leistungsbilanzüberschuss von rund 750
Milliarden Euro generierte, für einen erheblichen Teil
der südeuropäischen Schulden verantwortlich.[1]
Deutschlands Exportüberschüsse "saugten" die
Nachfrage bei den europäischen Nachbarn auf, kritisierte
etwa unlängst die New York Times.[2] Aufgrund der
aktuellen Spardiktate beginnen die südeuropäischen
Staaten aber ihre Rolle als boomende Absatzmärkte
deutscher Waren zu verlieren. Die Bundesregierung scheint
nun bemüht, die ausgesaugten Schuldenländer möglichst
kostengünstig zu entsorgen, während Frankreich eine
Intensivierung der europäischen Integration forciert -
wenn nötig, auch zu hohen Kosten. Ein ironischer
Nebenaspekt: Mit ihren Krediten für die
südeuropäischen Staaten finanzierten gerade
französische Banken, um deren Rettung willen Paris jetzt
gegen Berlin kämpfen muss, die deutschen
Exportoffensiven mit. Mehr Disziplin! Im westlichen Ausland wird das zunehmende
Konfliktpotenzial zwischen Berlin und Paris präzise
registriert. So urteilt etwa die New York Times, die
französische Antwort auf die Krise laute "mehr
Solidarität" - "mehr Geld für die
schwächeren europäischen Geschwister".[3] Der
deutsche Reflex bestehe hingegen aus der Forderung nach
"mehr Disziplin"; dies laufe auf "härtere
Strafen für Europas Defizitsünder" hinaus. Die New
York Times weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass
sowohl die sozialistischen Präsidentschaftskandidaten in
Frankreich wie auch Teile von Sarkozys
Regierungskoalition für eine weitaus stärkere
EU-Integration mitsamt der Einführung von Eurobonds
plädieren. Der französische Außenminister Alain Juppé
sprach sich sogar für eine "echte europäische
Föderation" aus - mit gemeinsamer
Wirtschaftspolitik und einem deutlich größeren
gemeinsamen Etat.[4] Eine furchterregende Perspektive Neben dem Bemühen um die Absicherung der
französischen Banken sind die diesbezüglichen Pariser
Vorstöße auch von der Sorge über einen eventuellen
"deutschen Sonderweg" motiviert, der ja gerade
durch die Einbindung Berlins in die EU unterbunden werden
sollte - auch mit Hilfe des Euro. Die deutsche Presse
erinnert entsprechend immer wieder daran, dass Frankreich
1990 die Einführung des Euro als Preis für seine
Zustimmung zur Übernahme der DDR durch die BRD gefordert
habe. Tatsächlich würde ein Zusammenbruch des Euro, den
Teile der Berliner Politik und Publizistik mittlerweile
nicht mehr ausschließen, der Bundesrepublik den Weg zu
neuer nationaler Großmachtpolitik öffnen. Entsprechend
warnt die internationale Presse inzwischen, die durch die
eskalierende Euro-Krise intensivierten
Auseinandersetzungen zwischen Berlin und Paris bedrohten
neben dem Euro auch die Europäische Union. Dies sei eine
"furchterregende Perspektive", heißt es.[5] Deutschland hat gewonnen Zunächst jedoch, heißt es weiter, gehe es
bei dem deutsch-französischen Machtkampf darum,
"wer die abschließenden Verluste tragen soll,
sollte eine Regierung der Eurozone insolvent
werden".[6] In den vergangenen zwei Jahren hätten
Deutschland und Frankreich diese Frage aufgeschoben und
durch "Schummeleien" übertüncht: Deutschland
habe den französischen Forderungen nach
"Bailouts" für Griechenland, Portugal und
Irland zugestimmt, während Paris dem harten deutschen
Spardiktat gegenüber Athen, Lissabon und Dublin
zugestimmt habe. Tatsächlich offenbaren nicht nur der
dramatische ökonomische Einbruch Griechenlands [7],
sondern auch die sich ankündigende Rezession in Portugal
das vollständige Scheitern der maßgeblich von
Deutschland durchgesetzten Austeritätsprogramme in den
verschuldeten Eurostaaten, die de facto von Berlin und
Brüssel in die Staatspleite gespart werden. Dennoch
scheint der gemeinsame Druck auf verschuldete Länder der
letzte gemeinsame Nenner Deutschlands und Frankreichs zu
sein: Das einzige wirkliche Ergebnis des
Euro-Krisengipfels vom vergangenen Wochenende besteht aus
Drohungen gegen Italien, jetzt knallhart den Haushalt zu
kürzen. "Wenn dies der Moment der Wahrheit für die
Eurozone ist, wer wird sich durchsetzen: Deutschland oder
Frankreich?", heißt es im Wall Street Journal.[8]
Eine Antwort wagt die Pariser Wirtschaftszeitung Les
Echos: "Deutschland hat die Oberhand über
Frankreich gewonnen, weil unser Land wirtschaftlich
schwächer ist."[9] [1] s. dazu Die deutsche
Transferunion |
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>>> Teil 2 des Artikels | ||||||||||||||||||
erschienen am 25. Oktober 2011 auf > http://www.german-foreign-policy.com > Artikel | ||||||||||||||||||
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von German-Foreign-Policy.com | ||||||||||||||||||
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