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Im ZollweltkriegTrump-Administration verhängt beispiellose, global folgenreiche und für verarmte Staaten vernichtende Zölle. EU ist mit 20 Prozent betroffen. Kfz-Zölle sind bereits in Kraft getreten. Washington sucht zudem Firmen in Europa US-Normen zu oktroyieren.German Foreign Policy
WASHINGTON/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Die Trump-Administration hat am gestrigen Dienstag beispiellose, für die EU folgenreiche sowie für verarmte Staaten vernichtende Zölle auf alle Einfuhren in die Vereinigten Staaten verhängt. Ab Samstag kassieren die USA auf alle Importe aus sämtlichen Ländern außer Kanada und Mexiko Zölle in einer Höhe von zehn Prozent. Ab Mittwoch nächster Woche kommen Zölle in verschiedener Höhe für zahlreiche Staaten und Staatengruppen hinzu; die EU ist mit 20 Prozent betroffen, Japan mit 24 Prozent, Taiwan mit 32 Prozent, Kambodscha mit 49 Prozent. Ab dem heutigen Donnerstag wird mit Gegenmaßnahmen der betroffenen Staaten gerechnet. Experten rechnen mit dramatischen Folgen. Bereits in Kraft gesetzt worden sind am gestrigen Mittwoch Zölle von 25 Prozent auf Pkw-Exporte in die USA; zudem hat Washington erstmals sogenannte Sekundärzölle in Gang gesetzt – benannt nach dem Vorbild der Sekundärsanktionen. Schon in der vergangenen Woche hatte die Trump-Administration zudem erstmals versucht, in Europa ansässige Firmen zur Anpassung an US-Gesetze zur Innenpolitik zu nötigen – mit einem Schreiben, das die US-Botschaft in Frankreich an dortige Unternehmen verschickt hat.
Ultimatum aus der US-Botschaft
Über das Schreiben, das die US-Botschaft in Frankreich an Dutzende große französische Unternehmen mit geschäftlichen Aktivitäten in den Vereinigten Staaten verschickt hatte, hatte am Freitag zuerst die französische Wirtschaftszeitung Les Echos berichtet. In ihm teilte die US-Botschaft in einem ultimativen Ton mit, das „Dekret 14.173“, das „der gesetzeswidrigen Diskriminierung ein Ende setzen“ und geschäftliche Aktivitäten wieder „auf das Verdienst“ gründen solle, gelte „gleichermaßen verpflichtend für alle Lieferanten und Leistungserbringer der amerikanischen Regierung“ – unabhängig davon, welcher Nationalität sie seien und wo sie arbeiteten, also auch für Unternehmen aus Frankreich.[1] Unter „gesetzeswidriger Diskriminierung“ versteht die Trump-Administration dabei alle Inklusionsprogramme (US-Sprachgebrauch: DEI/Diversity, Equity and Inclusion), die sie in den USA beendet hat und zu deren Einstellung sie jetzt auch Unternehmen auf anderen Kontinenten nötigen will. Dem Schreiben war ein Formular beigefügt, in dem die betroffenen Konzerne beschreiben sollten, wie sie das Dekret umsetzen. Gleichfalls am Freitag berichtete die Financial Times, einen vermutlich gleichlautenden Brief hätten auch die US-Botschaften in Belgien und in östlichen EU-Staaten an Unternehmen in ihren jeweiligen Gastländern verschickt.[2]
Anschlag auf die Souveränität
Der US-Vorstoß hat heftigen Unmut ausgelöst. „Die amerikanische Einmischung in die Inklusionspolitiken der französischen Unternehmen ist inakzeptabel“, hatte es bereits Ende vergangener Woche in einer Stellungnahme aus dem französischen Handelsministerium geheißen; in Frankreich werde weiterhin französisches Recht angewandt, auch in Fragen der Inklusion.[3] Am Montag früh zeigte sich Handelsminister Laurent Saint-Martin „zutiefst schockiert“ und warnte davor, gegen Frankreichs Gesetz und „seine Werte zu verstoßen“.[4] Bereits zuvor hatte der Präsident des Unternehmerverbandes Medef (Mouvement des entreprises de France), Patrick Martin, erklärt, es komme „überhaupt nicht in Frage“, auf die geltenden Inklusionsregeln zu verzichten. Der Präsident des Mittelstandsverbandes CPME (Confédération des petites et moyennes entreprises), Amir Reza-Tofighi, sprach von einem „Anschlag auf die Souveränität“ des französischen Staats und rief alle Verantwortlichen auf, gemeinsam gegen den US-Übergriff „Front zu machen“.[5] Auch in Belgien rief der Vorstoß Protest hervor. Die Haltung, die sich in dem US-Schreiben ausdrücke, sei „zutiefst bedauerlich“, erklärte Außenminister Maxime Prévot; er kündigte an, Belgien werde, sofern es um das Prinzip sozialer Diversität gehe, „keinen Millimeter zurückweichen“.[6]
Die US-Zielperspektive
Dass Washington die Staaten Europas zur Übernahme bestimmter Regelungen zu nötigen sucht, ist nicht prinzipiell neu. Bereits seit Jahren verhängen die Vereinigten Staaten immer wieder sogenannte extraterritoriale Sanktionen – Zwangsmaßnahmen, die auch Unternehmen in Drittstaaten einhalten müssen, wollen sie nicht selbst von Sanktionen getroffen werden.[7] Neu ist allerdings, dass eine US-Administration in Europa die Übernahme innenpolitischer Regelungen durchsetzen will, noch dazu solcher, die in den USA selbst heftig umstritten sind und dort die gesellschaftlichen Spaltungen vertiefen. Der Versuch geht mit dem Bestreben einher, in Europa Parteien der extremen Rechten zu stärken [8]; diesen ist die Beendigung von Inklusionsprogrammen ebenfalls ein starkes Anliegen. Zielperspektive ist demnach eine auf beiden Seiten des Atlantiks verfestigte Herrschaft extrem rechter Kräfte, dies in Zeiten, in denen sich der alte transatlantische Westen klar im Abstieg befindet und die USA, seine Vormacht, all ihre Kräfte zu mobilisieren suchen, um sich dem Abstieg entgegenzustemmen. Gleichzeitig ist die Trump-Administration um eine Bündelung größtmöglicher Potenziale auf der amerikanischen Seite des Atlantiks bemüht. Diesem Vorhaben dienen die neuen Zölle.
Sekundärzölle
Am gestrigen Mittwoch sind zunächst Zölle in Kraft getreten, die die Trump-Administration bereits in der vergangenen Woche angekündigt hatte. Demnach wird die Einfuhr von Autos und von Autoteilen mit 25 Prozent verzollt – zusätzlich zu bereits bestehenden Zöllen.[9] Dies betrifft vor allem Japan, das im vergangenen Jahr Pkw im Wert von 39,7 Milliarden US-Dollar in die Vereinigten Staaten exportierte, und Südkorea, dessen Pkw-Lieferungen in die USA ein Volumen von 36,6 Milliarden US-Dollar erreichten. In Europa wird Deutschland den größten Verlust hinnehmen müssen, da es die meisten Pkw in die USA verkaufte: Autos im Wert von 24,8 Milliarden US-Dollar.[10] In Kraft getreten sind darüber hinaus zum ersten Mal sogenannte Sekundärzölle: Jedes Land, das Erdöl aus Venezuela kauft, wird zusätzliche Zölle in Höhe von 25 Prozent auf sämtliche Lieferungen in die Vereinigten Staaten tragen müssen.[11] Der Begriff Sekundärzölle ist den sekundären Sanktionen entlehnt, die die USA in der Vergangenheit zuweilen verhängten; mit ihnen hat US-Präsident Donald Trump ein neues Willkürinstrument in Washingtons Arsenal eingeführt. Die Sekundärzölle gegen Venezuela treffen vor allem China, den mit Abstand größten Erdölkunden des südamerikansichen Landes.
„Liberation Day“
Am Mittwoch hat Trump darüber hinaus die bislang exzessivste Welle von Zöllen verhängt. Demnach werden ab dem kommenden Samstag (5. April) Zölle in Höhe von zehn Prozent auf sämtliche Importe in die Vereinigten Staaten kassiert; ausgenommen sind laut gegenwärtigem Stand lediglich Kanada und Mexiko. Ab dem kommenden Mittwoch (9. April) müssen zudem US-Importe aus Ländern, die ihrerseits höhere Zölle als die USA erheben, zum Ausgleich noch viel stärker verzollt werden. Auf Einfuhren aus der EU will die Trump-Administration Zölle in Höhe von 20 Prozent erheben. Einfuren aus China sollen mit Zusatzzöllen von 34 Prozent belegt werden; soweit ersichtlich, kommen sie zu den bereits bestehenden Zöllen von 20 Prozent hinzu. Besonders hart getroffen werden einige Länder, mit denen die Vereinigten Staaten verbündet sind oder die sie in den Machtkampf gegen China einbinden wollen; so soll Japan Zusatzzölle von 24 Prozent verkraften; Südkorea ist mit 25 Prozent konfrontiert, Indien mit 26 Prozent, Taiwan mit 32 Prozent, Vietnam mit 46 Prozent. Sogar verarmte Länder wie Thailand (36 Prozent), Bangladesch (37 Prozent), Sri Lanka (44 Prozent), Madagascar (47 Prozent), Laos (48 Prozent) und Kambodscha (49 Prozent) werden mit vernichtenden Zöllen belegt.[12] Trump hat den Tag der Verhängung der Zölle „Liberation Day“ getauft.
Gegenmaßnahmen
Im nächsten Schritt werden Gegenmaßnahmen der betroffenen Staaten erwartet. Die EU hat solche bereits für den heutigen Donnerstag angekündigt – um fünf Uhr früh. german-foreign-policy.com berichtet in Kürze. _ _ _ _ _
[1] Les entreprises françaises « n’ont pas à répondre à une forme d’ultimatum » : la lettre de Trump fait bondir la classe politique et économique. lesechos.fr 29.03.2025. [2] Leila Abboud, Adrienne Klasa, Henry Foy: US tells European companies to comply with Donald Trump‘s anti-diversity order. ft.com 28.03.2025. [3] Les entreprises françaises « n’ont pas à répondre à une forme d’ultimatum » : la lettre de Trump fait bondir la classe politique et économique. lesechos.fr 29.03.2025. [4] Lettre de l’ambassade américaine : Le ministre français du Commerce extérieur « profondément choqué ». leparisien.fr 31.03.2025. [5] Les entreprises françaises « n’ont pas à répondre à une forme d’ultimatum » : la lettre de Trump fait bondir la classe politique et économique. lesechos.fr 29.03.2025. [6] Lettre américaine aux entreprises : la Belgique “ne reculera pas d’un millimètre” sur la diversité, assure Maxime Prévot. rtbf.be 01.04.2025. [7] S. dazu Die Ära der Sanktionskriege (II) und Transatlantische Rivalen (II). [8] S. dazu Die transatlantische extreme Rechte (III) und Urteil mit Folgen. [9] S. dazu Mit Digitalabgaben gegen Autozölle. [10] Trump macht ernst: Was die Auto-Zölle bedeuten. faz.net 27.03.2025. [11] Spencer Kimball: Trump tariffs on nations that import Venezuelan oil are an unprecedented move that increases trade uncertainty, analysts say. cnbc.com 01.04.2025. [12] Courtenay Brown: Trump unleashes 10% global tariffs, with higher reciprocal rates. axios.com 02.04.2025. |
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erschienen am 3. April 2025 auf > GERMAN-FOREIGN-POLICY > Artikel | ||||||||||||||
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