US-Folter:
Stimmen von dunklen Orten Mark Danner
IKRK-Bericht über die Behandlung von 14 "besonders wertvollen Gefangenen" in den Händen der CIA, Internationales Komitee vom Roten Kreuz, Februar 2007
1. Wir glauben, dass Zeit und Wahlen unsere gefallene Welt reinwaschen werden, aber das werden sie nicht. Seit November scheinen sich George W. Bush und seine Regierung mit zunehmender Geschwindigkeit von uns entfernt zu haben, ein dunkler Komet auf dem Weg zum Ende des Universums. Die Phrase "Krieg gegen den Terror" - die kennzeichnende Losung dieser Regierung, so geschätzt von dem Mann, der sich mit Stolz als "Kriegspräsident" bezeichnete - wird mittlerweile nur mehr in Anführungszeichen gebraucht als etwas fragwürdiges, ein bisschen peinliches: etwas, das vorbei ist. Dennoch liegen die Entscheidungen, die dieser Präsident getroffen hat, besonders die weit reichenden Entscheidungen nach den Attacken des 11. September 2001 - Entscheidungen über Überstellungen, Überwachung, Verhöre - unter uns verstreut herum, nicht beansprucht und nicht begraben, wie gerade verstorbene Leichen. Wie sollen wir beginnen? Vielleicht mit einer Geschichte? Geschichten kommen neu geboren zu uns und geben kund: Es war einmal ... Am Anfang war ... Daraus erkennen wir, dass wir darauf hören sollen, was kommt. Aufgepasst:
Ein Mann, ohne Namen, nackt, an ein Bett geschnallt, und sonst noch die elementaren Gegebenheiten von Raum und Zeit, nichts als Weiss. Der Erzähler dieser Geschichte ist sehr wohl ein Mann unserer Zeit. In der Anfangsphase des "Krieges gegen den Terror", im Frühling 2002, betrat er das dunkle Reich der "Verschwundenen" - und erst viereinhalb Jahre später, nachdem er und dreizehn andere "wertvolle Gefangene" in Guantanamo angekommen und ihre Geschichten in Interviews mit Vertretern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz erzählt hatten (berichtet in dem vertraulichen Dokument, s. Download-Link) - trat er teilweise in das Licht. In der Tat ist er ein berühmter Mann, obwohl er seinen Ruhm auf einem bestimmten Weg erlangt hat, der zu unserer modernen Zeit passt: Jihadist, Gesetzloser, Terrorist, "Verschwundener." Eine internationale Berühmtheit, dessen Name oder zumindest einer davon sofort erkennbar ist. Wieviele Menschen haben schon ihren Lebenslauf vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in einer landesweit gesendeten Fernsehansprache beschrieben bekommen?
Eine dramatische Geschichte: große Neuigkeit. Verwundet in einem Schusswechsel in Faisalabad, Pakistan, Schussverletzungen in Magen, Leistengegend und Oberschenkel nach dem Sprung von einem Dach, in einem verzweifelten Versuch zu entkommen. Massive Blutungen. In größter Eile in ein Militärspital in Lahore. Ein Unfallchirurg in Johns Hopkins (Spezialklinik in Baltimore, d.Ü.) spät nachts aufgeweckt durch einen Anruf des CIA-Direktors und in größter Verschwiegenheit auf die andere Seite der Erdkugel geflogen. Der verletzte Mann entkommt gerade dem Tod, sein Zustand bessert sich langsam, er wird geheim in eine Militärbasis in Thailand gebracht. Dann in eine andere in Afghanistan. Oder war es Afghanistan? Wir wissen es nicht, nicht mit Bestimmtheit. Vom Zeitpunkt seiner dramatischen Verhaftung an 28. März 2002 an schlüpfte der Mann namens Abu Zubaydah von einer geheimen Welt, nämlich derjenigen der al-Qaeda-Funktionäre, die nach dem 11. September untergetaucht waren, in eine andere, ein "geheimes globales Internierungsnetzwerk", eingerichtet für geheime Anhaltung und Befragung und errichtet von der Central Intelligence Agency mit direkter Ermächtigung durch Präsident George W. Bush in einem "memorandum of understanding" (Aktennotiz), unterzeichnet am 17. September 2001. Dieses geheime System erstreckte sich über Gefängnisse in Militärbasen rund um die Erde, von Thailand und Afghanistan bis Marokko, Polen und Rumänien - "zu verschiedenen Zeiten" umfasste es nach Berichten "Orte in acht Ländern" - in welche zu dieser oder jener Zeit über hundert Gefangene verschwanden. (3) Das geheime Internierungsnetzwerk "schwarzer Orte" verfügte über eine eigene Luftwaffe und eigene charakteristische "Überstellungsmethoden", die nach den Autoren des Berichtes des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz "in den meisten Fällen ziemlich standardisiert waren":
Man stelle sich nur vor, wie es an diesem Ort in einer anderen Welt war: Schwärze statt Sehen. Schweigen - oder "manchmal" laute Musik - statt der Klänge des Lebens. Fesseln, manchmal zusammen mit Handschuhen, statt der Möglichkeit zu greifen, berühren, fühlen. Man spürt Metall an Handgelenken und Knöcheln, Watte an den Augen, Tuch über das Gesicht, Scheiße und Urin auf der Haut. "Manchmal wurden die Gefangenen flach auf dem Boden des Flugzeugs liegend transportiert ... mit auf den Rücken gefesselten Händen," was "heftige Schmerzen und Beschwerden" verursachte, als sie von einem unbekannten Ort zu einem anderen geliefert wurden. Was ihn betrifft, so gab Abu Zubaydah - 31 Jahre alt, geboren als Zein al-Abedeen Mohammad Hassan in Riyadh, Saudiarabien, palästinensischer Abstammung aus dem Gazastreifen,
Ein langer Weg: vielleicht nach Guantánamo? Oder Marokko? Dann zurück, anscheinend nach Thailand. Oder war es Afghanistan? Er meint, es wäre letzteres gewesen, er sei sich aber nicht sicher ...
2. Alles unter Verschluss, aufgesplittert, sehr, sehr geheim. Aber - was bedeutet denn "geheim" genau? In unserer neueren Politik ist "geheim" zu einem seltsam komplexen Begriff geworden. Vor wem war "die geheime Bombardierung von Kambodscha" geheim? Sicher nicht vor den Kambodschanern. Vor wem war die Existenz dieser "geheimen Einrichtungen in Übersee" geheim? Sicher nicht vor den Terroristen. Vermutlich vor den Amerikanern. Andererseits konnte bereits im Jahr 2002 jeder Interessierte auf der Titelseite einer der führenden Zeitungen des Landes lesen:
Dieser lange Artikel von Dana Priest und Barton Gellman erschien in der Washington Post am 26. Dezember 2002, nur wenige Monate nach der Gefangennahme von Abu Zubaydah. Ein ähnlich langer Bericht folgte einige Monate später auf der Titelseite der New York Times ("Einvernahmen: Befragung von Terrorverdächtigen in einer dunklen und surrealen Welt"). Der munter aggressive Ton der zitierten Beamten - "Wir treten ihnen nicht die ... heraus. Wir schicken sie in andere Länder, wo sie dann die ... aus ihnen heraustreten" - weist auf eine andere politische Stimmung hin, eine in der ein prominenter Journalist in einer großen Zeitschrift für seinen wöchentlichen Kommentar den Titel "Zeit, über Folter nachzudenken" wählen konnte, um im Untertitel fortzufahren, dass in dieser "neuen Welt ... das Überleben alte Techniken verlangen könnte, die scheinbar schon nicht mehr in Frage gekommen sind." (4) Es gibt also Geheimnisse und Geheimnisse. Und als an einem strahlend sonnigen Tag vor zwei Jahren, gerade vor dem fünften Jahrestag der Attacken vom 11. September, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika in den östlichen Saal des Weißen Hauses schritt und die hohen Beamten, Würdenträger und besonders eingeladene Familien von Hinterbliebenen des 11. September, die in Reihen vor ihm aufgestellt waren, darüber informierte, dass die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika ein finsteres und geheimes Reich geschaffen hat, um gefangene Terroristen festzuhalten und zu verhören - oder in den Worten des Präsidenten, "ein Umfeld, wo diese geheim festgehalten und von Experten befragt werden können" - enthüllte er kein Geheimnis, sondern machte aus einer bekannten und ausführlich berichteten Tatsache eine offiziell bestätigte Wahrheit:
Ich verfolgte an diesem Tag die Live-Übertragung und erinnere mich an das unheimliche Gefühl, das mich überkam, als ich, nachdem ich den Präsidenten gehört hatte, wie er die Vorzüge dieser "anderen Art von Methoden" erklärte, beobachtete, wie er gerade in die Kamera starrte und mit grimmiger Konzentration und gesteigertem Nachdruck einmal mehr sagte: "Die Vereinigten Staaten von Amerika foltern nicht. Das ist gegen unsere Gesetze und verstößt gegen unsere Werte. Ich habe das nicht genehmigt - und ich werde das auch nicht genehmigen." Er hat sich selbst überzeugt, dachte ich, dass das, was er sagte, der Wahrheit entspricht. Ich glaube, dass diese Rede, obwohl damals nicht besonders beachtet, George W. Bushs wichtigste war: vielleicht die einzige "historische" Rede, die er jemals gehalten hat. Indem er seine Version der Geschichte Abu Zubaydahs und Versionen der Geschichten von Khaled Shaik Mohammed und anderer bekannt gab, widmete sich der Präsident vielen Dingen, die schon bekannt, aber nicht bestätigt waren und verwandelte sie durch den Zauber der Stimme des Führers in anerkannte Fakten. Indem er die "andere Art von Methoden" seiner Regierung glühend verteidigte und gleichermaßen glühend abstritt, dass es sich bei diesen um "Folter" handelte, führte er dem Land und der Welt die finstere moralische Verkommenheit der Bush-Administration vor Augen, in deren Schlingen wir noch immer gefangen sind. Später in diesem Monat segnete angesichts der nahenden Wahlen der Kongress anstandslos den Military Commissions Act 2006 des Präsidenten ab, in dem unter anderem auch vorgesehen war, dass diejenigen vor Verfolgung geschützt werden sollten, die die "andere Art von Methoden" praktiziert hatten , und das, wie der Präsident sagte, "in einer gründlichen und professionellen Art und Weise." Gleichzeitig eröffnete Präsident Bush, vielleicht unwissentlich, an diesem Tag denjenigen, die der "anderen Art von Methoden" unterzogen worden waren, die Möglichkeit, endlich zu sprechen. Als der Präsident dem Land seine Version dessen vorlegte, was mit Abu Zubaydah und den anderen geschah und argumentierte, dass das notwendig war, kündigte er an, dass er ihn und dreizehn seiner mitgefangenen "besonders wertvollen Häftlinge" aus der finsteren Welt der Verschwundenen ans Licht bringen werde. Oder besser gesagt ins Zwielicht: die vierzehn würden nach Guantánamo überstellt, in das wichtigste anerkannte Gefängnis in Übersee, wo - "sobald der Kongress meinen Vorschlag der Militärkommissionen annimmt" - sie "zur Rechenschaft gezogen werden können." Bis dahin würden die vierzehn allerdings in "einer Hochsicherheitseinrichtung in Guantánamo" festgehalten und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz würde "von ihrer Anhaltung verständigt werden und wird Gelegenheit haben, sich mit ihnen zu treffen." Ein paar Wochen später, vom 6. - 11. Oktober und ein weiteres Mal vom 4. - 14. Dezember, reisten Vertreter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz - die unter anderem die offizielle und gesetzliche Aufgabe haben, die Befolgung der Genfer Konvention zu prüfen und die Behandlung von Kriegsgefangenen zu überwachen - nach Guantánamo und begannen, "jede dieser Personen unter vier Augen" zu interviewen, um einen Bericht zu verfassen, der "eine Beschreibung der Behandlung und Haftbedingungen der vierzehn in der Zeit gibt, in der sie im CIA-Inhaftierungsprogramm angehalten wurden," Zeiten in der Dauer "von 16 Monaten bis fast viereinhalb Jahren." Die IKRK-Interviewer informierten die Gefangenen, dass ihr Bericht nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen sei, aber "in dem Ausmaß, zu dem jeder Gefangene zustimmte, an die Behörden weitergeleitet werde," um unter striktester Geheimhaltung Vertretern der Regierungsabteilung übergeben zu werden, die für ihre Anhaltung zuständig war - in diesem Fall die Central Intelligence Agency CIA, an deren Leiter der Rechtsabteilung John Rizzo der Bericht am 14. Februar 2007 gesendet wurde. Obwohl nahezu alle Informationen in Verbindung mit Namen stehen und obwohl Anhänge ausführliche Geschichten enthalten, die den Interviews mit drei der Gefangenen entstammen, deren Namen genannt werden, finden wir in einer Anzahl von Fällen in dem Dokument Formulierungen wie: "Einer der Gefangenen, der seinen Namen gegenüber der Behörde nicht genannt haben will gab an ..." - was die Vermutung nahe legt, dass mindestens einer, vielleicht auch mehrere von den Vierzehn, die ja noch immer "in einer Hochsicherheitseinrichtung in Guantánamo festgehalten werden," Bedenken hatte wegen möglicher negativer Auswirkungen, die seine Angaben zur Folge haben könnten. In praktisch all diesen Fällen glichen diese Angaben denen der anderen, namentlich genannten Gefangenen; nachdem die Gefangenen in "durchgehender Einzelhaft und ohne jede Möglichkeit der Kommunikation" die ganze Zeit in den "dunklen Orten" und nach ihrer Ankunft in Guantánamo strikt voneinander getrennt gehalten worden waren, macht es die verblüffende Ähnlichkeit ihrer Berichte bis in die kleinsten Details hinein extrem unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich, dass diese erfunden sind. "Das IKRK möchte besonders betonen," teilen uns die Autoren in der Einleitung mit, "dass die sich durchgehend einander gleichenden detaillierten Behauptungen jedes der Vierzehn der folgenden Information besonderes Gewicht verleiht." Das Ergebnis ist ein Dokument - klassifiziert als "vertraulich" und eindeutig nur bestimmt für die Augen der höheren amerikanischen Beamten, denen Herr Rizzo von der CIA es zeigen würde - das eine bestimmte Art von Geschichte erzählt, eine Geschichte darüber, was in den "dunklen Orten" geschah und eine genaue Beschreibung durch diejenigen, an denen praktiziert wurde, was der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika den Amerikanern als "andere Art von Methoden" beschrieben hat. Es ist ein Dokument, das man buchstäblich "nicht aus der Hand geben kann", von der ersten Seite an - Inhalt - bis zu der sachlichen und unmissverständlichen Schlussfolgerung:
Diese unbeirrbare Klarheit von Seiten der Einrichtung, die vom Gesetz her für die Überwachung der Einhaltung der Genfer Konvention zuständig ist - in der die Begriffe "Folter" und "grausame, unmenschliche und entwürdigende Behandlung" eine gesetzlich genau definierte Bedeutung haben - könnte nicht bezeichnender, oder in der Tat willkommener sein nach den Jahren, in denen der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika auf die Macht seines Amtes bauend relativ einfache Begriffe neu definiert oder vernebelt hat. "Zu dieser Debatte ist es gekommen," erklärte Präsident Bush Reportern im Rosengarten in der Woche nach seiner Rede im östlichen Saal,
Indem er Abu Zubaydah und den anderen dreizehn "besonders wertvollen Gefangenen" die Möglichkeit bietet, ihre Geschichte zu erzählen, kann dieser Bericht mit großer Macht und Autorität die Antwort auf diese Frage des Präsidenten geben.
3. Wir kehren zurück zu einem Mann, Abu Zubaydah, einem Palästinenser, der mit seinen 31 Jahren ein Leben hinter sich hat, das geprägt war durch Konflikte in den Randbereichen des amerikanischen Bewusstseins: im Gazastreifen, wo seine Eltern geboren waren; Riyadh in Saudiarabien, wo er offenbar das Licht der Welt erblickte; im von der Sowjetunion besetzten Afghanistan, wo er sich am Jihad gegen die Russen beteiligte, vielleicht mit direkter oder indirekter Hilfe amerikanischer Dollars; im postsowjetischen Afghanistan, wo er bei al Qaeda für Logistik und Rekrutierung zuständig war, wo er aufstrebende Jihadisten den verschiedenen Ausbildungslagern zuwies und nach der Ausbildung den Zellen zuteilte. Dieser Mann ist jetzt gefangengenommen worden: aufgespürt in einem sicheren Haus in Faisalabad, schwer verwundet durch drei Schüsse aus einer AK-47. Er wird in großer Eile ins Krankenhaus in Faisalabad eingeliefert, dann in das Militärspital in Lahore. Wie er seine Augen öffnet, erblickt er an der Seite seines Bettes einen Amerikaner, John Kiriakou von der CIA:
Kiriakou und die "kleine Gruppe von CIA- und FBI-Leuten, die ihn 24 Stunden am Tag 7 Tage in der Woche im Auge behielten" wussten, das Abu Zubaydah "der grösste Fisch war, den sie gefangen hatten. Wir wussten, dass er voller Informationen war ... und wir wollten diese herausbekommen." Laut Kiriakou waren an dem Tisch in dem Haus, in dem sie ihn fanden, "Abu Zubaydah und zwei Männer dabei, eine Bombe zu bauen. Der Lötkolben war noch heiß. Und die Pläne einer Schule lagen auf dem Tisch ..." Die Pläne, so sagte Kiriakou dem ABC News-Korrespondenten Brian Ross, waren die der britischen Schule in Lahore. Ihr Gefangener, so wussten sie, war "total auf dem Laufenden. Bestens informiert über die aktuellen Bedrohungen." Mit Hilfe des amerikanischen Unfallchirurgen pflegten seine Häscher Abu Zubaydah wieder gesund. Er wurde mindestens zweimal verlegt, zuerst laut Berichten nach Thailand; dann, so glaubt er, nach Afghanistan, wahrscheinlich Bagram. In einem sicheren Haus in Thailand begann das Verhör:
Ein nackter Mann, gefesselt in einem kleinen, sehr kalten, sehr weißen Raum ist einige Tage lang an ein Bett geschnallt, dann einige Wochen lang an einen Stuhl gefesselt, ununterbrochen in weißes Licht getaucht, durchgehend mit lautem Geräusch bombardiert, des Essens beraubt; und wenn nach Stunden und Tagen trotz Kälte, Licht, Lärm, Hunger seine Augenlider nach unten fallen, wird ihm kaltes Wasser ins Gesicht gespritzt, um sie wieder nach oben zu zwingen. Man kann diese Methoden in künstliche Begriffe kleiden: "Szenenwechsel." "Entfernung der Bekleidung." "Gebrauch von Stresshaltungen." "Manipulation der Nahrung." "Manipulation der Umgebung." "Schlafanpassung." "Isolierung." "Schlafentzug." "Gebrauch von Lärm zur Erzeugung von Stress." Alle diese Begriffe und noch viele weitere kann man zum Beispiel in Dokumenten finden, die in Zusammenhang mit der Debatte über Verhör und "Gegen-Widerstand" zwischen Beamten in Pentagon und Justizministerium ab Anfang 2002 stehen. Hier finden wir allerdings einen anderen Standard: die Arbeitsgruppe sagt zum Beispiel, dass "Schlafentzug nicht länger als vier Tage dauern darf," dass "Manipulation der Nahrung keinen absichtlichen Entzug von Nahrung oder Wasser" beinhalten dürfe, dass "Entfernung der Bekleidung", soweit diese "ein Gefühl der Hilflosigkeit und Abhängigkeit erzeugt, überwacht werden muss, um sicher zu stellen, dass die Umgebung so beschaffen ist, dass diese Technik den Gefangenen nicht schädigt." (7) Hier sind wir an einem anderen Ort. Aber an was für einem Ort? Abu Zubaydah war nicht nur "der größte Fisch, den wir gefangen haben," sondern der erste große Fisch. Laut Kiriakou wollte Zubaydah, als es ihm wieder besser ging "über laufende Ereignisse sprechen. Er sagte uns des öfteren, dass er persönlich nichts gegen die Vereinigten Staaten von Amerika habe ... Er sagte, 9/11 sei notwendig gewesen. Obwohl er nicht glaubte, dass es so viele Tote geben würde, war seine Ansicht, dass 9/11 eine Warnung für die Vereinigten Staaten von Amerika sein sollte." In den ersten Wochen seiner Genesung, vor dem weißen Raum und dem Stuhl und dem Licht, scheint Zubaydah frei mit den Beamten geredet zu haben, und in dieser Zeit begannen laut Medienberichten FBI-Agenten ihn zu befragen, indem sie "standardisierte Befragungstechniken" verwendeten, wobei sie sicher stellten, dass er gebadet und seine Verbände gewechselt wurden, bessere medizinische Versorgung anforderten und versuchten, ihn "zu überzeugen, sie wüssten über Deteils seiner Taten Bescheid" (zum Beispiel zeigten sie ihm "eine Schachtel mit Tonbändern, von denen sie behaupteten, sie enthielten Aufnahmen seiner Telefongespräche, obwohl diese leer waren.") Laut dieser Darstellung begann Abu Zubaydah in der ersten Zeit vor dem weißen Raum "geheimdienstlich verwertbare Einblicke in al Qaeda zu liefern." (8) Oder tat er das wirklich? "Wie
gut ist Abu Zubaydahs Information?" fragte ein
Newsweek "Web exclusive" am 27. April 2002,
weniger als einen Monat nach seiner Gefangennahme. Die
extreme Geheimhaltung und Isolation, in der Abu Zubaydah
gehalten wurde, verhinderte nicht, dass seine
"Informationen" von diesem unbekannten Ort
direkt an die amerikanische Presse gelangten -
offensichtlich im Zuge eines bürokratischen Kampfes
zwischen FBI und CIA. Sogar Amerikaner, die sich nicht
besonders um die durchgesickerten Informationen von
Zubaydahs Befragung kümmerten, wären draufgekommen,
dass ihr Leben, ob sie es bemerkten oder nicht, von dem
beeinflusst wurde, was in dem weit entfernten weißen
Raum geschah. Zur gleichen Zeit erachtete die
Bush-Administration es nämlich für notwendig, zwei
"nationale Terrorismuswarnungen" herauszugeben,
aufgrund von Abu Zubaydahs "Tipps" - über
"mögliche Angriffe auf Banken oder
Finanzinstitutionen im Nordosten der Vereinigten Staaten
von Amerika" und mögliche "Angriffe auf
U.S.-Supermärkte und Einkaufszentren." Wie Newsweek
von "einem höheren U.S.-Beamten," vermutlich
vom FBI - dessen "standardisierte
Befragungstechniken" diese Information erbracht
hatte und die die darauf beruhenden "nationalen
Terrorismuswarnungen" - erfuhr, lieferte der
Gefangene "detaillierte Informationen für den
'Kampf gegen den Terrorismus.'" Gleichzeitig
möchten allerdings "U.S.-Geheimdienstkreise" -
vermutlich CIA - "gerne wissen, ob er versucht, die
Vernehmungsbeamten zu täuschen oder der amerikanische
Öffentlichkeit einen Schrecken einzujagen." (9) Für seinen Teil, so sagte John Kiriakou, der CIA-Agent ABC-News, wollte Zubaydah in diesen ersten Wochen "über Philosophie reden, aber uns keine verwertbaren Informationen geben." Die CIA-Beamten hatten die "geheime Generalvollmacht, unterschrieben von Herrn Bush," die ihnen gestattete, "Terrorismusverdächtige festzunehmen, festzuhalten und zu verhören," und Zubaydah "war ein Testfall für eine sich entwickelnde neue Rolle, ... in der die Agentur als Kerkermeister und Befrager von Terrorismusverdächtigen tätig sein sollte." Schließlich wurde ein Team der Antiterrorismuszentrale der CIA "von Langley geschickt" und die Vernehmungsbeamten des FBI wurden zurückgezogen.
Offenbar begannen sie damit, indem sie ihn an den Stuhl fesselten und Licht, Lärm und Wasser einsetzten, um ihn wach zu halten. Nach zwei oder drei Wochen dieser Behandlung durfte sich Abu Zubaydah, noch immer nackt und gefesselt, auf den bloßen Boden legen und "ein bisschen schlafen." Er bekam auch zum erstenmal feste Nahrung - Reis. Schliesslich kam eine Ärztin und untersuchte ihn, und "fragte, warum ich noch immer nackt sei." Am nächsten Tag "bekam er orange Kleider zum Anziehen." Am folgenden Tag, allerdings, "kamen Wächter in meine Zelle. Sie befahlen mir aufzustehen und die Arme über den Kopf zu heben. Sie schnitten mir daraufhin die Kleider vom Leib, so dass ich wieder nackt war und setzten mich für einige Tage auf den Stuhl. Ich versuchte, auf dem Stuhl zu schlafen, wurde aber wach gehalten durch Wächter, die Wasser in mein Gesicht spritzten." Es folgt eine verwirrende Zeit, in der sich raue Behandlung mit etwas milderer abwechselten. Zubaydah war meistens nackt in der Kälte, "manchmal war die Klimaanlage so eingestellt, dass Herr Zubaydah blau zu werden schien, sagte ein Beamter." (10) Manchmal wurde Kleidung gebracht, dann am nächsten Tag wieder weggenommen. "Wenn meine Vernehmungsbeamten den Eindruck hatten, dass ich kooperierte und ihnen die Informationen gab, die sie haben wollten, bekam ich das Gewand zurück. Wenn sie glaubten, dass ich weniger kooperativ war, wurde das Gewand wieder entfernt und ich wurde wieder zurück auf den Stuhl gebracht." Bei einer Gelegenheit bekam er eine Matratze, bei einer anderen wurde ihm "der Gebrauch von Toilettenpapier genehmigt, wenn er auf dem Eimer seine Notdurft verrichtete." Einen Monat lang gab es keine Befragung. "Meine Zelle war noch immer sehr kalt. Die laute Musik wurde nicht mehr gespielt, dafür aber andauerndes lautes Zischen und Krachen, 24 Stunden am Tag. Ich versuchte, mich vor dem Lärm durch Toilettenpapier zu schützen, das ich mir in meine Ohren stopfte." Dann, "etwa zweieinhalb oder drei Monate nach meiner Ankunft hier begannen die Verhöre wieder, aber mit größerer Intensität als davor." Es ist schwer zu wissen, ob diese Änderungen in Verhalten und Vorgangsweise beabsichtigt waren, um den Gefangenen im Ungewissen zu lassen, oder ob sie aus Unstimmigkeiten über die Strategie unter den Vernehmungsbeamten resultierten, die sich an eine eilig zusammengestellte "andere Art von Methoden" hielten, die aus verschiedenen Quellen improvisiert wurde, einschließlich Wissenschaftlern und Psychiatern aus den Reihen des Geheimdiensts, Experten von anderen "freundlichen" Regierungen, und Beratern, die mit dem U.S.-Militär gearbeitet hatten und nun das Widerstandstraining "umpolten", dem amerikanische Eliteeinheiten unterzogen werden, damit sie Verhören nach einer Gefangennahme besser widerstehen können. Die Vorgänger einiger der Theorien, die in diesen Verhören zur Anwendung kamen, einschließlich sensorischer Deprivation, Desorientiertheit, Schuld und Scham, sogenannter "gelernter Hilflosigkeit" und dem Erfordernis, "den Erschöpfungs-Abhängigkeits-Furcht-Zustand" herbeizuführen, können in CIA-Dokumenten gefunden werden, die bereits vor fast einem halben Jahrhundert verfasst worden waren, wie etwa folgendes aus dem berüchtigten Handbuch "Vernehmung bei Gegenspionage" aus den frühen 1960ern:
In einer späteren Ausgabe dieses Handbuches wird die Bedeutung der Schuld betont: "Wenn der 'Befrager' diese Schuldgefühle verstärken kann, wird das die Angst des Subjekts steigern und dessen Drang zur Zusammenarbeit, als Möglichkeit zu entkommen." Isolierung und sensorische Deprivation "erzeugen Regression" und den "Verlust jener Verteidigungsstrategien, die sich zivilisierte Menschen in jüngster Zeit angeeignet haben," während das Aufzwingen von "Stresspositionen", die letztlich das Subjekt zwingen, "sich selbst zu verletzen," ein Schuldgefühl hervorrufen wird, das zu einem unwiderstehlichen Verlangen führt, mit seinen Befragern zu kooperieren.
4. Zweieinhalb Monate nachdem Abu Zubaydah aufwachte, an ein Bett im weißen Raum geschnallt, ging die Befragung "mit größerer Intensität als zuvor" weiter:
Man sei hier daran erinnert, dass Abu Zubaydah mit seinen Vernehmungsbeamten nicht allein war, dass jeder in diesem weißen Raum - Wächter, Befrager, Arzt - direkt und fast durchgehend mit höheren Geheimdienstbeamten auf der anderen Seite der Erde verbunden war. "Es war nicht Sache der einzelnen Vernehmungsbeamten zu entscheiden, 'Jetzt schlage ich ihn. Oder ich werde ihn jetzt schütteln. Oder ich lasse ihn jetzt 48 Stunden lang stehen," sagte John Kiriakou.
Gegen harte Mauern schleudern, ehe Zubaydah in die große schwarze sargähnliche Kiste gesteckt wird; plötzliches Auftauchen einer Spanplattenverschalung an der Wand, an die er geschleudert wird, nachdem er aus der Kiste geholt worden ist. Vielleicht hat der stellvertretende Direktor für den operativen Betrieb, nachdem er über diese Angelegenheit in seinem Büro in Langley, Virginia nachgedacht hat, die Spanplatten empfohlen? Oder vielleicht war es jemand höherer? Kurz nach der Gefangennahme Abu Zubaydahs informierten laut ABC News CIA-Beamte "hochstehende Funktionäre im Vorstand des Nationalen Sicherheitsrats," einschließlich Vizepräsident Dick Cheney, nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice und Justizminister John Ashcroft, die "anschließend den [Vernehmungs] Plan unterzeichneten." Zu dieser Zeit, im Frühjahr und Sommer 2002, war die Administration dabei, den, wie es manche bezeichneten "Goldenen Schild" des Justizministeriums zu entwickeln - die rechtliche Begründung, enthalten in dem infamen "Foltermemorandum", verfasst von John Yoo und unterschrieben von Jay Bybee im August 2002, in dem behauptet wurde, dass die "andere Art von Methoden", um als Folter und damit als illegal qualifiziert zu werden, Schmerzen verursachen müsse, "die in Verbindung stehen müssten mit schweren physischen Verletzungen, so schwer, dass Tod, Versagen von Organen oder bleibender Schaden, der zum Verlust einer wichtigen Körperfunktion führt, die wahrscheinliche Folge sein würden." Der "Goldene Schild" sollte vermutlich CIA-Beamte vor Strafverfolgung bewahren. Dennoch brachte der Direktor der CIA George Tenet den höchsten Rängen der Regierung regelmäßig spezifische Prozeduren zur Kenntnis, die an besonderen Gefangenen eingesetzt werden sollten - "sei es, dass diese geschlagen, gestoßen, am Schlafen gehindert oder der Wasserfolter unterzogen wurden" - um sich zu vergewissern, dass diese legal seien. Laut dem ABC-Bericht waren die Besprechungen mit Vorgesetzten so detailliert und häufig, dass "einige der Verhörsitzungen nahezu choreographiert waren." Bei einem solchen Treffen soll der damalige Justizminister John Ashcroft seine Kollegen gefragt haben: "Warum reden wir über das im Weißen Haus? Die Geschichte wird das nicht freundlich beurteilen." (12) Wir wissen nicht, ob die Spanplatten in Zubaydahs weißem Raum den Anweisungen seiner Vernehmungsbeamten, deren Chefs in Langley oder vielleicht deren Vorgesetzten im Weißen Haus zu verdanken sind. Wir wissen nicht genau, wer von den Verantwortlichen welche Rolle bei der "Choreographie" der "anderen Art von Methoden" gespielt hat. Wir wissen aus verschiedenen Berichten, dass bei einem Treffen im Weißen Haus im Juli 2002 Spitzenjuristen der Regierung der CIA "grünes Licht" gaben, zu den "aggressiveren Techniken" überzugehen, die dann an ihm, einzeln und zusammen in den folgenden Tagen angewendet wurden:
5. Alle Hinweise aus dem IKRK-Bericht legen nahe, dass Abu Zubaydahs Informant ihm die Wahrheit gesagt hat: er war der erste, und somit ein Versuchskaninchen. Einige Techniken werden gestrichen. Die sargähnlichen schwarzen Kisten zum Beispiel, kaum groß genug für einen Menschen, die eine sechs Fuß hoch, die andere kaum mehr als drei Fuß, die an die Tanks erinnern, in denen in früheren von der CIA finanzierten Experimenten die sensorische Deprivation ausprobiert wurde, werden nicht wieder verwendet. Auch nicht das "Langzeit-Sitzen" - Wochen lang, an einen Stuhl gefesselt - mit dem Abu Zubaydah in den ersten Monaten gefoltert wurde. Andererseits zieht sich Nacktheit durch den IKRK-Bericht, wie auch durchgehende Fesselung, die "kalte Zelle" und unaufhörliche laute Musik oder Lärm. Manchmal gibt es 24 Stunden Licht, manchmal ständige Finsternis. Auch Schläge und Schleudern gegen die Wände scheinen favorisierte Prozeduren zu sein; oft tragen die Vernehmungsbeamten Handschuhe. Bei späteren Verhören tauchen neue Techniken auf, von denen "Langzeit-Stehen" und der Einsatz von kaltem Wasser hervorzuheben sind. Walid Bin Attash, ein Yemenit, der an der Planung der Attacken auf die U.S.-Botschaften in Afrika 1998 und auf die USS Cole 2000 beteiligt war, wurde am 29. April 2003 in Karachi gefangen genommen:
Dieses "Zwangs-Stehen" mit über dem Kopf gefesselten Armen, eine besonders häufig in Sowjetzeiten angewendete Technik (stoika), die sich als Standard nach Abu Zubaydah etabliert zu haben scheint, erwies sich als besonders schmerzhaft für Bin Attash, der bei Kämpfen in Afghanistan ein Bein verloren hatte:
Nach seinen Angaben musste Bin Attash zwei Wochen in dieser Stellung verbringen - "mit Ausnahme von etwa zwei, drei Mal, wo ich mich hinlegen durfte." Obwohl "die angewendeten Methoden speziell daraufhin konzipiert waren, keine Spuren zu hinterlassen," schnitten die Handschellen "in meine Handgelenke und verursachten Wunden. In diesem Fall wurde der Arzt gerufen." An einem zweiten Ort, wo Bin Attash wieder nackt ausgezogen und "in einer stehenden Position mit den Armen über dem Kopf mit Handschellen und einer Kette an einen Metallring in der Decke gefesselt" wurde, untersuchte ein Arzt täglich seinen Fuß - "mit einem Maßband, um Anzeichen für eine Schwellung festzustellen."
Kaltes Wasser wurde bei Bin Attash angewendet in Verbindung mit Schlägen und dem Gebrauch einer Halsmanschette, offenbar einer Weiterentwicklung des Handtuchs, das um Abu Zubaydahs Hals gewickelt wurde:
Bin Attash bemerkt, dass an dem "zweiten Ort meiner Anhaltung" - wo er in die Windel gesteckt wurde - sie "besser ausgestattet waren als in Afghanistan, da sie einen Schlauch hatten, mit dem sie mich abspritzten."
6. Aus diesen Berichten wird eine klare Methode ersichtlich, basierend auf erzwungener Nacktheit, Isolierung, Bombardierung mit Lärm und Licht, Schlaf- und Nahrungsentzug und wiederholten Schlägen und "An-die-Wand-Schleuderungen" - obwohl anhand dieses Grundmodells die Entwicklung der Methoden erkennbar ist, zum Beispiel von erzwungenem Sitzen zu erzwungenem Stehen, sowie die Einführung neuer Elemente wie Eintauchen in kaltes Wasser. Khaled Shaik Mohammed, der Hauptplaner der 9/11-Attacken, der am 1. März 2003 in Rawalpindi gefangen genommen wurde - neun der vierzehn "besonders wertvollen Gefangenen" wurden in Pakistan festgenommen - und nach zweitägiger Haft in Pakistan, während der ihn "ein CIA-Agent einige Male in den Bauch und ins Gesicht boxte, ihn zu Boden stieß und in sein Gesicht trat," wie er sagte, wurde mit den üblichen "Überstellungsmethoden" nach Afghanistan verlegt. ("Meine Augen wurden mit einem Tuch verbunden, das um meinen Kopf gelegt und befestigt wurde und darüber ein Stoffsack gezogen. Ein Suppositorium wurde in mein Rectum gesteckt. Mir wurde nicht gesagt, wofür das Suppositorium gut war.") In Afghanistan wurde er nackt ausgezogen und in eine kleine Zelle gesteckt, wo er "mit meinen Händen gefesselt und an eine Stange über meinem Kopf gekettet stehen musste. Meine Füße waren flach auf dem Boden." Nach etwa einer Stunde,
Diese "Paradeuniform"-Verhöre - bei denen der Gefangene nackt, auf Zehenspitzen, inmitten eines Rudels von dreizehn Leuten steht, darunter "zehn maskierte Muskelmänner" - wurden von Zeit zu Zeit unterbrochen durch die Verbringung des Gefangenen in einen abgetrennten Raum für zusätzliche Prozeduren:
Nach drei Tagen in - wie er glaubt - Afghanistan wurde Mohammed wieder in einen Trainingsanzug gesteckt, bekam die Augen verbunden und einen Sack über den Kopf, und Kopfhörer, und wurde gefesselt und an Bord eines Flugzeugs "sitzend, zurückgelehnt, mit gefesselten Händen und Fußgelenken in einem hohen Sessel" untergebracht. Er schlief schnell ein - "der erste richtige Schlaf nach mehr als fünf Tagen" - und kann nicht sagen, wie lange die Reise dauerte. Bei der Ankunft stellte er jedenfalls fest, dass er einen langen Weg hinter sich hatte:
Er wurde entkleidet und in eine kleine Zelle gesteckt "mit Kameras, mit denen ich, wie mir später ein Vernehmungsbeamter sagte, 24 Stunden am Tag von einem Arzt, Psychologen und Vernehmungsbeamten überwacht wurde." Er glaubt, dass die Zelle unter der Erdoberfläche lag, weil man Stiegen hinunter steigen musste, um dorthin zu kommen. Die Wände waren aus Holz und sie maß etwa 3 x 4 m. Wie Mohammed sagte, war es dieser Ort, an dem "die brutalsten Verhören stattfanden, unter der Leitung von drei erfahrenen CIA-Vernehmungsbeamten, alle über 65 Jahre alt und alle stark und gut ausgebildet." Sie informierten ihn, dass sie "grünes Licht aus Washington" bekommen hätten, ihm "eine harte Zeit" zu geben." "Sie benutzten nie das Wort 'Folter' und sprachen nie von 'physischem Druck,' sondern nur von 'einer harten Zeit.' Ich wurde nie mit dem Tod bedroht, in der Tat sagten sie mir, sie würden mir nicht erlauben zu sterben, aber sie würden mich 'an den Rand des Grabes und zurück'" bringen.
Wie Abu Zubaydah: wie Abdelrahim Hussein Abdul Nashiri, ein Saudiaraber, der in Dubai im Oktober 2002 festgenommen wurde, wurde Mohammed auch der Wasserfolter ("Waterboarding") unterzogen, seinen Angaben nach bei fünf Gelegenheiten:
Wie bei Zubaydah beinhalteten die brutalsten Verhöre die "andere Art von Methoden" in einer bestimmten Abfolge und Kombination, wobei eine Technik die Effekte der anderen verstärkte:
Bei der Lektüre des IKRK-Berichtes gewöhnt man sich irgendwann einmal an die "andere Art von Methoden", die hier beschrieben wird: die kalte und wiederholte Gewalt stumpft ab. Gegen diesen Hintergrund gewinnen auch die Schilderungen des Alltagslebens der Gefangenen in den dunklen Orten, in denen die Verhöre eine blosse periodische Anhäufung von durchgehend zugefügter Brutalität zu sein scheinen, an Bedeutung. Hier wieder Mohammed:
7.
Abu Zubaydah, Walid Bin Attash, Khaled Shaik Mohammed - diese Männer haben fast sicher Blut an ihren Händen, viel Blut sogar. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass sie maßgeblich an Planung und Organisatiuon von terroristischen Operationen beteiligt waren, die den Tod tausender Menschen verusacht haben. Das selbe gilt mit höchster Wahrscheinlichkeit für die anderen "besonders wertvollen Gefangenen", deren Behandlung in ihrer geheimen Gefangenschaft durch Beamte der Vereinigten Staaten von Amerika in dem Bericht des IKRK mit so grauenhafter Genauigkeit beschrieben wird. Von allem, was wir wissen, verdienen es viele oder alle diese Männer, verurteilt und bestraft zu werden - "zur Rechenschaft gezogen zu werden," wie Präsident Bush es in seiner Ansprache an das amerikanische Volk am 6. September 2006 versprochen hat. Es scheint unwahrscheinlich, dass sie in näherer Zukunft vor ein ordentliches Gericht gestellt werden. Mitte Januar lehnte Susan J. Crawford, die von der Regierung Bush berufen worden war um zu entscheiden, welche Guantánamo-Häftlinge vor Militärkommissionen gestellt werden sollten, es ab, Mohammed al-Qahtani, der angeblich als Flugzeugentführer am 11. September vorgesehen war, aber von den Einreisebehörden am internationalen Flughafen von Orlando an der Einreise gehindert worden war, vor Gericht zu bringen. Nach seiner Gefangennahme Ende 2002 in Afghanistan wurde Qahtani in Guantánamo inhaftiert und von Vernehmungsbeamten des Verteidigungsministeriums verhört. Crawford, eine Richterin in Pension und ehemalige Leiterin der Rechtsabteilung der Armee sagte der Washington Post, dass sie zur Auffassung gekommen sei, dass Qahtanis "Behandlung der gesetzlichen Definition von Folter entspreche."
Qahtanis Einvernahme in Guantánamo, von der Berichte in Time und The Washington Post erschienen sind, war intensiv und anhaltend, erstreckte sich über fünf Tage hintereinander beginnend im Spätherbst 2002 und führte in mindestens zwei Fällen zu seiner Überstellung in ein Krankenhaus. Einige der angewendeten Techniken, einschließlich Langzeitsitzen in gefesseltem Zustand, anhaltende Kälte, laute Musik und Lärm sowie Schlafentzug erinnern an die im IKRK-Bericht beschriebenen. Wenn die Einvernahme Qahtanis "unter Zwang" und "Missbrauch" ein Gerichtsverfahren gegen ihn unmöglich macht, kann man bezweifeln, ob einer der vierzehn "besonders wertvollen Gefangenen", deren Darstellungen in diesem Bericht aufgeführt sind, je Verhandlung und Verurteilung ein einem Verfahren erleben wird, das international anerkannten und gebilligten Maßstäben entspricht. Im Fall der Männer, die große Verbrechen begangen haben, scheint das den wichtigsten und folgerichtigsten Punkt zu markieren, in dem "Folter nicht wirkt." Der Gebrauch der Folter entzieht der Gesellschaft, deren Gesetze so unerhört gebrochen worden sind, die Möglichkeit, eine ordentliche Rechtssprechung auszuüben. Folter zerstört das Recht. Folter gibt dieses heilige Recht für spekulative Gewinne preis, deren Wert, gelinde ausgedrückt, äußerst zweifelhaft ist. John Kiriakou, der CIA-Beamte, der bei einem Teil von Zubaydahs Einvernahme dabei war, schilderte Brian Ross von ABC News was geschah, nachdem Zubaydah der Wasserfolter unterzogen worden war:
Diese Behauptung, die auch Präsident Bush in seiner Ansprache wiedergab, ist Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. In der Tat war Bushs öffentliche Äußerung viel vorsichtiger formuliert: unter anderem, dass Zubaydahs Information den Decknamen ("Muktar") von Khaled Shaik Mohammed bestätigte und dadurch half, ihn zu verhaften, dass diese indirekt zur Verhaftung von Ramzi bin al-Shibb führte, einem Yemeniten, der eine weitere Schlüsselfigur bei der Planung der Angriffe des 11. September gewesen sei; und dass "sie uns half, einen weiteren geplanten Angriff in den Vereinigten Staaten von Amerika zu verhindern." Zumindest einige dieser Informationen kamen offensichtlich im Verlauf der früheren, nicht unter Zwang durchgeführten Einvernahme durch FBI-Agenten. Später, so der Reporter Ron Suskind
Suskind ist nur der prominenteste von den Reportern mit guten Beziehungen zu Geheimdienstkreisen, die die Auffassung vertreten, dass die Bedeutung der Informationen, die von Zubaydah kamen sowie seine Position in der al-Qaeda in grober Weise und systematisch von Regierungsvertretern von Präsident Bush abwärts übertrieben worden sind. (15) Obwohl es sehr unwahrscheinlich erscheint, dass Zubaydahs Information "vielleicht Dutzende von Angriffen" verhinderte, wie Kiriakou sagte, ist es in der Tat unmöglich, ohne eine eingehende Untersuchung der Verhöre gänzlich und ordentlich zu bewerten, welche Informationen die Vereinigten Staaten von Amerika wirklich bekamen im Gegenzug zu dem schwerwiegenden Preis, den das Land in praktischer, politischer, gesetzlicher und moralischer Hinsicht durch die Einführung einer Politik der Folter bezahlt. Da gibt es den Eindruck, dass die ganze Debatte darüber, welche Informationen Zubaydah lieferte oder nicht, und welche Angriffe dadurch verhindert oder nicht verhindert werden konnten - eine Debatte, die weitgehend mit Gerüchten durch äußerst interessierte Kreise betrieben wird - an sich die stille Akzeptanz auf beiden Seiten widerspiegelt, dass es um das mythische "tickende Bombe - Szenario" geht, von dem diejenigen schwärmen, die behaupten, dass Folter notwendig ist und das die Drehbuchautoren von TV-Sendungen wie "24" so schätzen. Das heißt, die Debatte dreht sich um das Thema, ob die Verhöre von Zubaydah direkt "eine Anzahl von Angriffen vereitelt haben." Vielleicht unabsichtlich ist Kiriakou äußerst aufschlussreich über den informativen Wert der Verhöre der "besonders wertvollen Gefangenen", wenn er erörtert, was die CIA wirklich von Zubaydah herausbekam:
Das klingt wahr, weil so die Geheimdienstarbeit funktioniert - durch das geduldige Sammeln von einzelnen Informationen, durch den Aufbau eines Bildes, das den Beamten hilft, den Sinn von anderen Informationen zu erkennen, die sie bekommen. Konnten also solche "Kommentare und Analysen" seitens eines Führungskaders der al-Qaeda möglicherweise dazu beitragen, eine "Anzahl von Angriffen, vielleicht Dutzende Angriffe" zu verhindern? Das scheint möglich - aber sollte das der Fall sein, wäre der Zusammenhang von Ursache und Wirkung kaum so direkt, sicher nicht annähernd so direkt, wie es die dramatischen Szenarios der Geschichten in Zeitungen und TV - und die Reden des Präsidenten - nahe legen. Die tickende Bombe, die demnächst explodieren und tausende oder Millionen von Menschen töten wird; der böse gefangene Terrorist, der allein weiß, wo sich diese befindet und wie sie entschärft werden kann; der verzweifelte Geheimdienstagent, der gezwungen ist, alles nur erdenkliche zu unternehmen, um diese Informationen zu bekommen - alle diese Dinge sind wohlbekannt und rufen große Emotionen hervor, sie spielen sich sehr häufig in der volkstümlichen Unterhaltung ab, nicht aber in weißen Räumen in Afghanistan. Es gibt natürlich auch eine Kehrseite von "tickender Bombe" und Folter: Schmerz und Misshandlung setzen den Gefangenen einem unerträglichen Druck aus, etwas zu sagen, irgendetwas, damit der Schmerz aufhört, und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass er Geschichten erfinden wird, was zu Zeitverlusten und schlimmerem führt. Zumindest einige der Angaben, die die "andere Art von Methoden" erbrachte, etwa Zubaydahs angebliche "Information" über Angriffe auf Einkaufszentren und Banken, scheinen die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika bewogen zu haben, wie sich nachträglich herausstellte, unbegründete Warnungen an die Amerikaner zu erlassen. Khaled Shaik Mohammed stellte das in seinen Interviews mit dem IKRK direkt fest. "In der brutalsten Phase meiner Verhöre," sagte er,
Was all das Gerede über tickende Bomben betrifft, konnten sich die Behörden kaum jemals, wenn überhaupt auf Informationen beziehen, die sie durch die Verhöre von Gefangenen mit "verbesserten Methoden" bekommen hatten, die sie in die Lage versetzt hätten, einen Angriff zu verhindern, der bereits in der "operativen Phase" war (das heißt über Aufklärungs- und Planungsphase hinaus). Dennoch war die weit verbreitete Meinung, dass solche Techniken Angriffe verhindert haben, aktiv gefördert vom Präsidenten und anderen Politikern, politisch entscheidend für die Bereitschaft, die Regierung mit diesen Verfahrensweisen weitermachen zu lassen, auch nachdem diese weitgehend öffentlich bekannt worden waren. Meinungsumfragen weisen darauf hin, dass eine Mehrheit von Amerikanern Folter nur unterstützen will, wenn sie sicher sein kann, dass das "einen terroristischen Angriff vereiteln wird." Aufgrund der politischen Überzeugungskraft solcher Szenarien ist es von besonderer Bedeutung, dass eine zukünftige Untersuchung besonders den Behauptungen auf den Grund geht, dass Angriffe verhindert worden sind. Zur Zeit kann man unmöglich wissen, welche Vorteile - bei der Beschaffung von Informationen, im Bereich der nationalen Sicherheit, bei der Zerstörung von al-Qaeda - die Genehmigung der "anderen Art von Methoden" durch den Präsidenten den Vereinigten Staaten von Amerika gebracht haben könnte. Definitiv können wir allerdings sagen, dass diese Entscheidung amerikanische Interessen eindeutig nachweislich geschädigt hat. Einige davon praktisch und kennzeichnend: zum Beispiel wurden FBI-Agenten, unter diesen viele Fachleute mit großer Erfahrung und Ausbildung in Vernehmungen zurückgezogen, offensichtlich aufgrund von Bedenken ihrer Vorgesetzten nach der Entscheidung, gegen Abu Zubaydah die "andere Art von Methoden" einzusetzen. Weitläufiges Durchsickern von Informationen an die Presse von beiden Seiten, von Unterstützern sowie Kritikern der "anderen Art von Methoden" untergrub, was ein höchst geheimes Programm sein sollte; diese Lecks, hauptsächlich verursacht durch die großen Widersprüche, die dieses Programm in der nationalen Sicherheitsbürokratie hervorrief, trugen dazu bei, dass es nicht mehr länger haltbar war. Letztlich veranlasste diese Schwäche der Bürokratie Beamte der CIA, offensichtlich aus Angst vor Aufdeckung und möglicher Strafverfolgung einen Bestand von 92 Videoaufzeichnungen zu zerstören, die von den Verhören angefertigt worden waren, alle bis auf zwei von Abu Zubaydah. Ob der untersuchende Staatsanwalt befindet, dass diese Aktionen illegal sind, oder nicht, ist doch kaum anzunehmen, dass diese Aufnahmen keine wertvollen Informationen enthielten, die effektiv politischen Zwecken geopfert wurden. Ohne Zweifel hätten diese Aufnahmen eine entscheidende Rolle spielen können bei der Beantwortung der Frage, welche Vorteile, wenn überhaupt, dieses Programm für die Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika gebracht hat. Der weitaus größte Schaden entstand allerdings in legaler, moralischer und politischer Hinsicht. Nach dem Bekanntwerden des IKRK-Berichts kann man einige definitive Aussagen machen: 1. Ab dem Frühjahr 2002 begann die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika Gefangene zu foltern. Diese Folter, genehmigt vom Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und in ihrer täglichen Anwendung und Entwicklung überwacht von hohen Beamten einschließlich des höchsten Gesetzeshüters der Nation verstößt eindeutig gegen Verpflichtungen der Vereinigten Staaten von Amerika, die sich aus wichtigen internationalen Verträgen einschließlich der Genfer Konvention und der Konvention gegen die Folter ergeben, sowie gegen amerikanisches Recht. 2. Die höchsten Vertreter der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, als höchster von diesen Präsident George W. Bush selbst, haben in dieser Angelegenheit wiederholt und eindeutig sowohl internationale Institutionen als auch direkt die Öffentlichkeit angelogen. Der Präsident log diesbezüglich in Pressekonferenzen, Interviews, und besonders eindeutig in Reden, die ausdrücklich das Ziel hatten, die Politik der Regierung im Bereich Vernehmungen den Menschen darzulegen, die ihn gewählt hatten. 3. Der U.S.-Kongress, bereits im Besitz eines großen Teils der Information über die von der Regierung betriebene Folter - über die breit in den Medien berichtet worden war und über die zumindest teilweise von Anfang an einige wenige Abgeordnete informiert worden waren - verabschiedete 2006 den Military Commissions Act (Gesetz über Militärkommissionen) und versuchte auf diese Weise, die Verantwortlichen vor Strafverfolgung nach dem Kriegsverbrechergesetz zu schützen. 4. Demokraten, die die Gesetzwerdung durch "Filibustering" (extensive Ausnützung von Redezeiten bis zum Fristablauf) verhindern hätten können, haben das nicht getan - was wohl hauptsächlich auf den heranrückenden Termin für die Halbzeitwahlen zurückzuführen war. Sie befürchteten nämlich, der Präsident und seine republikanischen Verbündeten könnten dadurch einen Vorteil erringen, dass sie sie bezichtigten, "Terroristen zu verhätscheln." Ein Senator fasste die Politik des Military Commissions Act mit bewundernswerter Offenheit zusammen:
Senator Barack Obama sagte nur laut, was jeder andere Abgeordnete wusste: dass in Bezug auf alle schrecklichen und grausigen Darstellungen, auf alle bekannt gewordenen Fotos und Dokumente und entsetzlichen Aussagen die rohe Politik in die andere Richtung verlief, sobald es um Folter nach dem 11. September ging. Die meisten Politiker bleiben davon überzeugt, dass die immer noch angsterfüllten Amerikaner - wenn sie die Wahl zwischen einem Jack Bauer aus der TV-Serie "24", dem Fantasiesymbol für ungehinderte Macht, die "tut, was es braucht", um sie vor dieser tickenden Bombe zu schützen und schwächlichen Liberalen haben, die "den Terroristen die Miranda-Rechte vorlesen" - jederzeit Bauer vorziehen würden. Wie Senator Obama sagte, nachdem das Gesetz, gegen das er gestimmt hat, beschlossen worden war, "hat heute die Politik gewonnen." 5. Der politische Schaden für das Ansehen der Vereinigten Staaten von Amerika und die "weiche Macht" ihrer verfassungsmäßigen und demokratischen Ideale war, obwohl schwierig zu bemessen, enorm und anhaltend. In einem Krieg, der im Grund ein Aufstand in weltweitem Ausmaß ist - sozusagen ein politischer Krieg, in dem die Haltungen und Loyalitäten junger Moslems den kritischen Angelpunkt bilden - hat der Entschluss der Vereinigten Staaten von Amerika, Folter einzusetzen, zu einer ungeheuren selbst verschuldeten Niederlage geführt, hat liberale Sympathisanten abgeschreckt und andere davon überzeugt, dass das Land genau so ist, wie es seine Feinde beschreiben: eine skrupellose imperialistische Macht, die dazu entschlossen ist, Moslems zu unterdrücken und zu misshandeln. Indem wir die Folter wählten, wurden wir freiwillig zu dem Zerrbild, das sie aus uns gemacht hatten.
8. Nach den Attacken des 11. September 2001 erschien Cofer Black, der ehemalige Leiter der Antiterrorismuszentrale der CIA und ein bekannt vielseitiger Hardliner vor dem Geheimdienstausschuss des Senats und gab die vielsagendste Äußerung dieser Zeit von sich: "Ich möchte nur sagen, dass es ein 'vor' 9/11 und ein 'nach' 9/11 gibt. Nach 9/11 wurden die Handschuhe ausgezogen." In den Tagen nach der Attacke konnte man das überall hören. Die Zeitungskommentatoren zitierten sie, die TV-Kommentatoren stolzierten damit herum, die Vernehmungsbeamten in Abu Ghraib benutzten sie in ihren Telegrammen. ("Meine Herren, bei diesen Gefangenen werden die Handschuhe ausgezogen, Colonel Boltz hat klar gemacht, dass wir wollen, dass diese Individuen gebrochen werden.") (17) Die Handschuhe wurden ausgezogen: vier einfache Wörter. Dennoch stehen sie für eine komplizierte Denkweise. Wenn die Handschuhe ausgezogen werden mussten heisst das, das sie vor der Attacke anbehalten wurden. In diesem Bild liegt eine Erklärung verborgen, was es besonders attraktiv für die Vertreter einer Regierung macht, die die tödlichste Attacke in der Geschichte des Landes aushalten musste. Wenn die Attacke Erfolg hatte, durfte das nichts damit zu tun haben, dass Informationen nicht weitergeleitet, Warnungen nicht beachtet oder hohe Beamte dem Terrorismus als größter Bedrohung zu wenig Beachtung gewidmet haben. Es musste zumindest zum Teil daran liegen, dass die Handschuhe anbehalten wurden - da die Reformen nach Watergate in den 1970ern, wo der Senat versuchte, der CIA Grenzen zu setzen, deren Freiheit, geheime Operationen durchzuführen und "abzustreiten" und Überwachungen in und außerhalb des Landes durchzuführen in gesetzwidriger Weise die Macht des Präsidenten eingeschränkt und dadurch das Schicksal des Landes gefährlich aufs Spiel gesetzt hatte. Es ist kein Zufall, dass zwei der mächtigsten Mitglieder der Regierung, Dick Cheney und Donald Rumsfeld als junge Männer in sehr hohen Positionen in den Regierungen Nixon und Ford gedient haben. Sie hatten aus nächster Nähe beobachtet, wie die Handschuhe angezogen wurden und behaupteten in den Wochen nach den 9/11-Attacken entsprechend nachdrücklich, dass es diese Einschränkungen waren - und nicht, wie stillschweigend angedeutet wurde, ein Fehler bei der Beachtung von Warnungen -, die zu der Verwundbarkeit des Landes gegenüber Attacken zumindest indirekt geführt hätten. Und so wurden nach einer verheerenden und unvermuteten Attacke die Handschuhe ausgezogen. Unter der Führung des Präsidenten und seiner engsten Berater vollzogen die Vereinigten Staaten von Amerika die Wandlung von einem Land, das zumindest offiziell die Folter verurteilte zu einem Land, dass sie praktizierte. Und diese verhängnisvolle Entscheidung wird nicht verschwinden, so sehr wir uns das auch wünschen, genauso wie auch die vierzehn "besonders wertvollen Gefangenen," gefoltert und daher nicht gerichtlich verfolgbar, nicht verschwinden werden. Wie die grotesken Schilderungen im IKRK-Bericht liegt diese Entscheidung vor uns, als eine giftige Tatsache, die unser politisches und moralisches Leben verseucht. Seit der Inauguration Präsident Obamas nehmen die "besonderen Methoden" der vorhergehenden Regierung eine prominente Stellung in der Presse, besonders im Kabelfernsehen ein, die sie kaum jemals erreichten, als diese noch an Gefangenen praktiziert wurden. Das betrifft besonders die Wasserfolter, die laut dem ehemaligen CIA-Direktor seit 2003 nicht angewendet wurde. An seinem ersten Tag im Amt gab Präsident Obama Anweisungen, die die Anwendung diese Techniken stoppten und die Untersuchung von Vorgangsweisen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika in Bereichen wie Auslieferung, Anhaltung, Verhörmethoden und anderen in die Wege leiteten. Mittlerweile haben sich Führer der Demokraten im Kongress, die seit 2006 die Mehrheit haben, endlich zu ernsthaften Untersuchungen entschlossen. Die Senatoren Dianne Feinstein und Christopher Bond, Vorsitzender und hochrangiges Mitglied des Geheimdienstausschusses haben eine "Überprüfung des CIA-Anhaltungs- und Verhörprogramms" angekündigt, die unter anderem die Frage behandeln, "wie die CIA ihr Anhaltungs- und Verhörprogramm einrichtete, betrieb und aufrecht erhielt," "eine Auswertung der Informationen, die durch die Anwendung von verschärften und normalen Techniken der Vernehmung erzielt worden sind" durchführen und untersuchen werde "ob die CIA das Anhaltungs- und Verhörprogramm gegenüber anderen Abteilungen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika richtig dargestellt hat," einschließlich, man beachte, "dem Geheimdienstausschuss des Senats." Laut Berichten werden diese Hearings allerdings kaum öffentlich stattfinden. Im Februar forderte Senator Patrick Leahy, der Vorsitzende des Justizausschusses, die Einrichtung einer, wie er sie bezeichnet "unparteiischen Untersuchungskommission," besser bekannt als "Wahrheits- und Versöhnungskomitee," um zu untersuchen, "wie unsere Politik und Praktiken der Anhaltung, von Guantánamo bis Abu Ghraib fundamentale amerikanische Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit schwerwiegend untergraben haben." Nachdem Senator Leahys Kommission in erster Linie den Zweck haben sollte, alles zu untersuchen und öffentlich zu machen, was getan worden war - "um unsere moralische Führungsposition wieder herzustellen," sagte er, "müssen wir anerkennen, was in unserem Namen gemacht worden ist" -, würde er betroffenen Beamten Immunität im Gegenzug für wahrheitsgemäße Aussagen zusichern. Er sucht nicht Verfolgung und Gerechtigkeit, sondern Wissen und Aufdeckung: "Wir können die Seite nicht weiter blättern, ehe wir sie nicht gelesen haben." Viele Vertreter von Menschenrechtsorganisationen, die lang und tapfer gekämpft haben, um Aufmerksamkeit und Gesetz auf diese Vorgänge zu lenken, weisen strikt jeden Vorschlag zurück, der weit gefasste Zusagen von Immunität enthält. Sie fordern Untersuchungen und strafrechtliche Verfolgungen von Vertretern der Regierung Bush. Die Wahlmöglichkeiten sind kompliziert und schmerzhaft. Soweit wir wissen, handelten Beamte mit der gesetzlichen Genehmigung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und auf Anweisungen der höchsten politischen Autorität, des gewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Politische Entscheidungen gewählter Vertreter haben zu diesen Verbrechen geführt. Aber die politische Meinung innerhalb der Regierung, und im Lauf der Zeit auch in einem gewissen Ausmaß außerhalb erlaubte es, dass diese weiter betrieben werden konnten. Wenn es eine Notwendigkeit der Strafverfolgung gibt, besteht auch ein grundlegender Bedarf an Erziehung. Nur eine glaubwürdige Untersuchung dessen, was getan wurde und welche Informationen dadurch gewonnen worden sind kann dazu führen, dass die politische Debatte rund um die Folter in eine andere Richtung geht, indem die öffentliche Auffassung von der tickenden Bombe durch ein Verständnis dessen ersetzt wird, was Folter ist und was erreicht und was verloren wird, wenn die Vereinigten Staaten von Amerika darauf zurückgreifen. Während Präsident Obama erklärte, dass "niemand über dem Gesetz steht, und wenn es klare Fälle von Verstößen gibt ... sollen diese Leute verfolgt werden," hat er auch seine Vorliebe ausgedrückt, "nach vorne zu blicken" und nicht "nach rückwärts." Man kann dieses Gefühl verstehen, aber sogar einige der Entscheidungen, die seine Administration bereits getroffen hat - zum Beispiel in Hinblick auf Staatsgeheimnisse - lassen das Ausmaß erkennen, in dem er und sein Justizministerium von den Taten seines Vorgängers verfolgt sein werden. Man denke an die kompromisslosen Worte von Justizminister Eric Holder, der auf eine direkte Frage in dem Senatshearing vor seiner Bestellung erklärte: "Waterboarding ist Folter." An dieser Äußerung ist nichts zweideutig - genauso wenig wie an den gleich unverblümten Äußerungen von hohen Vertretern der Regierung Bush einschliesslich Vizepräsident und CIA-Direktor, die eindeutig bestätigt haben, dass die Regierung Anweisung gegeben hat, Gefangene in ihrer Gewalt der Wasserfolter zu unterziehen. Wir leben also in einem furchtbaren Widerspruch, der uns erhalten bleiben wird, und nichts daran ist spitzfindig, genauso wie die Schilderungen in dem IKRK-Bericht in keiner Weise spitzfindig sind. "Es war," sagte Herr Cheney über die Wasserfolter "ein Kinderspiel für mich." Jetzt sind Abu Zubaydah und seine Mitgefangenen aus dem Dunkel herausgetreten, um den ehemaligen Vizepräsidenten an den Händen zu nehmen und seine Wahrhaftigkeit zu bezeugen. |
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erschienen am 20. April 2009 auf The New York Review of Books und Professor Mark Danners Website > Artikel | ||
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