Die neue
Weltmacht: Der digital-finanzielle Komplex Ernst Wolff
US-Präsident Eisenhower hat in seiner Abschiedsrede 1961 vor den Verflechtungen und Einflüssen des militärisch-industriellen Komplexes in den USA gewarnt. Er gebrauchte damit einen Begriff, den zwei amerikanische Soziologen 1956 geschaffen hatten, um die engen Verbindungen zwischen Militär, Politik und wirtschaftlichen Eliten in den USA zu verdeutlichen. Tatsächlich hatten sowohl die großen Industriekonzerne als auch die Rüstungsunternehmen in den 50er Jahren einen gewaltigen Aufschwung erlebt, der bis in die Mitte der 70er Jahre anhalten sollte. Dann aber änderte sich das Bild. Mit dem Ende des Nachkriegsbooms begann eine neue Ära, in der sich die Machtverhältnisse vor allem in zwei Bereichen immer stärker verschoben. Zum einen setzte mit der Deregulierung des Finanzsektors eine zunehmende Finanzialisierung der Weltwirtschaft ein. Durch die fortschreitende Abschaffung einschränkender Regeln im Bankwesen wurden vor allem Investmentbanken immer stärker. Zum anderen entstand mit der Entwicklung von Computern für die breite Allgemeinheit ein ganz neuer Industriezweig die Digitaltechnologie. Zu den Pionieren ihrer Entwicklung zählten die 1975 und 1976 gegründeten Unternehmen Microsoft und Apple, die einen kometenhaften Aufstieg erlebten. Zur Jahrtausendwende kam es dann im Finanzsektor zu einer allmählichen Wachablösung der Investmentbanken durch die immer stärker werdenden Hedgefonds, die das Finanzgeschehen heute weitgehend dominieren. Im IT-Bereich gesellten sich der 1994 gegründete Online-Versandhändler Amazon, das 1998 gegründete Technologie-Unternehmen Google und die 2004 als soziales Netzwerk gegründete Plattform Facebook zu Microsoft und Apple und erlebten ebenfalls einen steilen Aufstieg. Während der Beinahe-Crash von 2007/08 zahlreiche Konzerne und Banken in Schwierigkeiten brachte, gehörten sowohl die großen Hedgefonds als auch die führenden IT-Konzerne zu den Gewinnern. Nach der Krise trieben die Technologiegiganten ihre Aktienkurse auch noch durch milliardenschwere Aktienrückkäufe in die Höhe, was die größten Vermögensverwaltungen der Welt wie BlackRock und sogar Zentralbanken wie die Schweizer Nationalbank dazu veranlasste, immer größere Summen in deren Aktien zu investieren. Heute beherrschen diese Unternehmen weite Teile des globalen IT-Marktes, kontrollieren rund um den Globus Daten- und Geldströme und sind durch ihre Finanzkraft und ihre Verquickung mit Großinvestoren in der Lage, die globalen Märkte entscheidend zu beeinflussen. Zusätzlich haben sie ihre wechselseitigen Beziehungen erweitert, sich aber auch politischen Einfluss verschafft und vor allem mittels Stiftungen die mächtigste Lobby geschaffen, die die Welt je gesehen hat. So hat Microsoft-Gründer Bill Gates über die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung im Jahr 2000 die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung GAVI ins Leben gerufen. Ihr gehören unter anderen auch die Weltbank und zahlreiche Impfstoffhersteller an, deren Markt sich seit der Gründung versechsfacht hat. Außerdem ist die Stiftung mittlerweile größter Einzelgeldgeber der Weltgesundheitsorganisation WHO, die in der Corona-Krise für den weltweiten Lockdown gesorgt und Microsoft und den übrigen IT-Konzernen damit zu noch größerer Marktmacht verholfen hat. 2012 hat die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung zusammen mit den Vereinten Nationen, der US-Großbank Citigroup, Mastercard, der Ford-Stiftung und anderen die Better-Than-Cash-Alliance gegründet, der mittlerweile dreißig Regierungen angehören und die auch von der deutschen Regierung finanziell unterstützt wird. Größte Profiteure des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind: Microsoft und Apple. Sowohl das Impfgeschäft als auch die Bargeldabschaffung sind durch den Lockdown infolge der Corona-Pandemie kräftig vorangetrieben worden und haben den IT-Konzernen lukrative Aufträge beschert. So sind Apple und Microsoft zusammen mit Google führend an der Entwicklung einer Kontaktverfolgungs-Plattform für Covid-19-Fälle beteiligt, an der auch der ehemalige New Yorker Bürgermeister und Milliardär Bloomberg mitarbeitet. Bloomberg, Chef einer Finanzdaten-Agentur und eines Nachrichtendienstes, hat vor zwei Jahren 1,6 Milliarden Dollar an die Johns-Hopkins-Universität gespendet, die der WHO seit Monaten die Pandemie-Daten liefert. Apple, Microsoft und Bloomberg werden auch auf Ex-Google-Chef Eric Schmidt treffen, der zusammen mit der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung vom Gouverneur des US-Bundesstaates New York beauftragt worden ist, ein Konzept zur Neugestaltung des Gesundheits- und Bildungswesens nach dem Ende der Covid-19-Pandemie auszuarbeiten. Außerdem werden sie es dort mit mehreren Private-Equity-Firmen zu tun bekommen, die den New Yorker Gouverneur bei der Aufhebung des Lockdowns und der Wiedereröffnung der lokalen Wirtschaft beraten. Während also die Politik den IT-Unternehmen jetzt im Gefolge der Corona-Pandemie die Möglichkeit gibt, sich das US-amerikanische Schul- und Gesundheitswesen zu unterwerfen, ermöglicht sie den als Geierfonds bekannten Private-Equity-Firmen, ihre Beraterposition zu nutzen, um sich so viele der vom Bankrott bedrohten mittelständischen Unternehmen wie möglich einzuverleiben. Knapp sechzig Jahre nach der Rede von Ex-Präsident Eisenhower kann man heute mit Fug und Recht behaupten: Der militärisch-industrielle Komplex gehört der Vergangenheit an, die Welt ist im Zeitalter des digital-finanziellen Komplexes angekommen. |
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erschienen am 25. Mai 2020 auf > KenFM > Artikel | ||||||||||||||
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