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  Was die meisten Menschen über Marijuana zu wissen glauben ist unwissenschaftliche, paranoide und sogar rassistische Propaganda

Glauben Sie nicht den Marijuana-Schwindel!

Maia Szalavitz (The Fix 

 

Jeder glaubt etwas über Drogen zu wissen – sei es aus persönlicher Erfahrung oder aus dem Drogenpräventions-Unterricht oder einfach weil die Medien so viele Berichte darüber bringen. Leider ist das meiste, das die Menschen zu wissen glauben, falsch und stammt aus der Propaganda des jahrelangen Kriegs gegen Drogen, bei dem das Verständnis für den medizinischen und historischen Kontext kaum eine Rolle spielt.  

Nehmen Sie einige der neulich erschienen Anti-Marijuana-Kommentare und Tweets von einigen der Stützen des Medien-Establishments: David Brooks von der New York Times, Ruth Marcus von der Washington Post und Tina Brown, früher Redakteurin beim New Yorker und Gründerin des Daily Beast.

Brooks und Marcus erzählten Geschichten von ihren in ihrer Jugendzeit gerauchten Joints – keiner scheint zu dauernden negativen Konsequenzen geführt zu haben, was auch bei der weitaus überwiegenden Mehrheit der Marijuanakonsumenten der Fall ist. Dennoch behaupteten beide – offensichtlich ohne zu verstehen, dass es nicht wirklich Berichterstattung über „Fakten“ ist, wenn man sich auf eine einzige Untersuchung beruft, die in einem weiteren Artikel in derselben Zeitschrift in Frage gestellt wurde – dass Marijuana definitiv den IQ senkt.   

Und keine erwähnte den Elefanten im Raum: die Tatsache, dass Marijuanagesetze in erster Linie gegen schwarze Menschen angewendet werden und dass die Verhaftung von Millionen von ihnen, die dann mit Strafregistereintragungen belastet werden, nicht verhindert hat, dass rund die halbe erwachsene Bevölkerung (Weiße wie Schwarze) Gras ausprobiert hat. Das hat jedenfalls dazu geführt, dass schwarze Menschen eingeschränkte Möglichkeiten haben, Jobs bei Firmen wie New York Times oder Washington Post zu bekommen, während Brooks und Marcus nie verhaftet worden sind.

Bequemerweise haben die Kolumnistinnen die Tatsache beiseite gelassen, dass Länder wie Portugal, die Marijuana entkriminalisiert haben (oder Länder wie Holland, die einen kommerziellen Verkauf von Marijuana tolerieren), tatsächlich niedrigere Raten beim Drogenkonsum von Jugendlichen aufweisen als wir.  

Inzwischen twitterte Tina Brown auch, dass Marijuana Menschen dumm macht und eine Legalisierung unsere Fähigkeit reduzieren wird, mit China zu konkurrieren. Es sei nur soviel gesagt, dass sie wenige Anhaltspunkte für eine derartige Behauptung hat – auf der Grundlage ähnlich fadenscheiniger Daten könnte man argumentieren, dass es Kreativität und populäre Kultur fördert, was eine unserer wirklichen Stärken ist – aber das würde nicht entsprechend „seriös“ klingen. 

Und hier liegt der Hund begraben: Kolumnisten und Journalisten, die über Drogen schreiben, stellen selten die vorherrschende Meinung in Frage oder suchen Informationen jenseits dessen, was sie bereits „wissen.“

Aber warum sind wir so leichtgläubig in diesem Bereich, wo von Reportern doch erwartet wird, dass sie skeptisch sind? Ein Grund liegt sicher in der Tatsache, dass die Regierung in den vergangenen 40 Jahren Milliarden von Dollars für Werbung ausgegeben und sogar Zeitungsartikel und Botschaften in TV-Shows platziert hat, die uns dazu bringen sollen, „einfach nein zu sagen.“ Während diese Kampagnen oft unwirksam sind hinsichtlich der Vorbeugung des Gebrauchs, scheinen sie zu wirken bei der Vernebelung der Wahrnehmung.

Und die Wahrheit wird im Drogenkrieg als unerheblich betrachtet. In der Aufgabenbeschreibung des „Drogenzaren“ ist durch den Kongress festgelegt, dass wer immer das Amt für nationale Politik der Drogenkontrolle (ONDCP) leitet, „Maßnahmen ergreifen muss, welche notwendig sind, jedem Versuch der Legalisierung des Gebrauchs einer Substanz (in jeder Form),“ welche derzeit illegal ist, ungeachtet der Fakten entgegenzutreten. Als es – von einem Kongressabgeordneten - über seine Verteilung von „irreführender Information“ befragt wurde, zitierte ONDCP diese Bestimmung, um das zu rechtfertigen, und sagte, dass das „zu der für ONDCP gesetzlich festgelegten Rolle“ gehört. Anders gesagt, sie müssen lügen.

Selten ist der Journalist, der zugeben wird, dass er auf diese unverblümte Propaganda hereingefallen ist, und deswegen war auch das Bekenntnis des medizinischen Chefkorrespondenten von CNN Dr. Sanjay Gupta so verblüffend, dass er in Bezug auf Marijuana auf dem falschen Dampfer gewesen war.

Auf der CNN-Website schrieb er:

Ich glaubte fälschlicherweise, dass die Drogenbehörde (DEA) Marijuana als Substanz der Stufe 1 aufgrund gut fundierter Beweise eingestuft hat. Sicher mussten sie qualitative Gründe dafür haben, dass sich Marijuana in der Kategorie der gefährlichsten Drogen befindet, die „keinen anerkannten medizinischen Nutzen und ein hohes Potenzial für Missbrauch aufweisen.“ 

Sie hatten keine wissenschaftlichen Argumente, um diese Behauptung zu unterstützen, und ich weiss jetzt, dass alle diese Dinge nicht stimmen, wenn es um Marijuana geht. Es hat kein hohes Potenzial für Missbrauch und es gibt sehr gerechtfertigte medizinische Anwendungen.

Die Wahrheit ist, dass unser Verständnis von Marijuana – und in Wirklichkeit aller unserer Drogengesetze – auf dem Rassismus des frühen 20. Jahrhunderts und der „Wissenschaft“ etwa der Jim Crow-Ära. In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde die Droge verbunden mit mexikanischen Immigranten und schwarzen Jazzmusikern, die als potenziell gefährlich betrachtet wurden.

Harry Anslinger, der erste Kommissar des Bundesbüros für Rauschdrogen (ein früher Vorgänger der DEA), war eine der treibenden Kräfte hinter der Hanf-Prohibition. Er drängte auf diese mit eindeutig rassistischen Argumenten, indem er sagte: „Reefer macht Schwarze glauben, dass sie so gut sind wie weiße Männer,“ und: 

„Es gibt insgesamt 100.000 Marijuanaraucher in den Vereinigten Staaten von Amerika, und die meisten davon sind Neger, Lateinamerikaner, Filipinos und Unterhaltungskünstler. Ihre satanische Musik, Jazz und Swing, resultieren aus dem Gebrauch von Marijuana. Dieses Marijuana führt dazu, dass weiße Frauen sexuelle Beziehungen mit Negern, Entertainern und dergleichen suchen.“

Der Hauptgrund für das Verbot von Marijuana, sagte er, waren „dessen Auswirkungen auf die degenerierten Rassen.“ (Und Gott verhüte, das Frauen mit Unterhaltungskünstlern schlafen!)

Obwohl es jetzt absurd klingt, so war es doch diese Art von Propaganda, die dazu führte, dass die Droge 1937 verboten wurde – mit der Unterstützung der Hearst-Zeitungen, welche Inserate brachten, in denen Marijuana als „Mörder der Jugend“ bezeichnet wurde, und Geschichten darüber veröffentlichten, wie es zu Gewalt und Wahnsinn führte. Anslinger blieb bis 1962 Chef der staatlichen Drogenbemühungen, danach verkündete er weitere zwei Jahre lang als amerikanischer Vertreter für Drogenpolitik in der UNO der Welt seine giftige Botschaft.

Bevor Marijuana verboten wurde, wurde der Widerstand der American Medical Association gegen die Prohibition ignoriert, ebenso ein früherer Untersuchungsbericht über Marijuana in Indien durch die britische Regierung, der befand, dass Marijuana weder besonders suchterregend noch gefährlich ist. Dieser Bericht des „Indian Hemp Drugs Committee“ (indisches Hanfdrogenkomitee) kam 1894 zum Ergebnis, dass „der mäßige Gebrauch von Hanfdrogen praktisch mit keinerlei negativen Folgen verbunden ist.“

Experten und Kolumnisten, die Behauptungen über die Gefahren des Marijuana aufstellen, scheinen absichtlich in Unkenntnis dieser Geschichte zu sein, welche sich leicht über jede Suchmaschine im Internet überprüfen lässt. Es dürfte wohl unwahrscheinlich sein, dass Brooks, Marcus und Brown wollen, dass ihre Namen mit einem Gesetz inVerbindung gebracht werden, das sowohl ausdrücklich rassistisch in der Zielsetzung – und anhaltend rassistisch in den Auswirkungen ist.

Aber bis wir Drogenangelegenheiten als medizinische und wissenschaftliche Fragen betrachten, werden wir verdammt sein, mit diesem bigotten Vermächtnis weiterzumachen – und wir werden nicht imstande sein, Sucht als das Gesundheitsproblem zu behandeln, das sie ist.

Sagen Sie also ruhig nein, wenn es um Drogen geht – und seien Sie sicher, dass das, was Sie wissen, auf Wissenschaft beruht, nicht auf veraltetem einseitigem Unsinn. (Obwohl bei genauerer Betrachtung Anslinger vielleicht nicht ganz daneben lag, was die Unratsamkeit sexueller Beziehungen mit Unterhaltungskünstlern, besonders Musikern betrifft.)

 
     
  erschienen am 13. Januar 2014 auf > The Fix > Artikel  
 
siehe dazu im Archiv:
  > David R. Henderson - Den Drogenkrieg beenden, um die Gewalt zu reduzieren!
  > Bernd Debusmann - Die wirtschaftlichen Gründe für die Legalisierung von Marihuana
 
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