HOME     INHALT     INFO     LINKS     ARCHIV     KONTAKT
 
     
     
 

Hier irrt sich Ron Paul

Philip Giraldi

 

Einer der erfrischenden Aspekte der Ron Paul-Revolution war deren Bereitschaft, Amerikas gebrochene Außenpolitik neu zu überprüfen und zurückzukehren zu den alten Grundsätzen, dass nationales Interesse und Verfassungsmäßigkeit als Richtlinien dafür dienen müssen, wie sich die Nation auf internationaler Ebene verhalten soll. Paul hatte den Mut zu erklären, dass Auslandshilfe, die wenig für den Empfänger bewirkt und den Geber herabwürdigt, eingestellt werden soll. Das hat Interessentenkreise vor den Kopf gestoßen, die besondere Nutznießer des Status Quo sind, darunter das Land Israel und dessen mächtige Lobby. Paul war auch der einzige Kongressabgeordnete, der öffentlich die Exzesse verurteilte, die von Israel bei dessen Invasion von Gaza im Jahr 2009 begangen wurden, wobei er so weit ging, die Zustände in der Enklave als „Konzentrationslager“ zu bezeichnen, eine extrem mutige Tat in einer gesetzgebenden Versammlung, die daran gewohnt ist, Israel mehr oder weniger einstimmig zu unterstützen, egal ob zu Recht oder zu Unrecht.

Pauls generelle Anregung, Amerika solle seine Selbstdarstellung im Ausland reduzieren, solle sich aus den Streitigkeiten anderer Völker heraushalten und solle nur einen Krieg führen, wenn ein vitales Interesse auf dem Spiel steht, ist nur zu empfehlen. Seine Forderung, dass Kriege nur verfassungskonform begonnen werden dürfen, nach einer Dabatte im Kongress und einer Kriegserklärung, würde die endlose Serie von Kriegen und Polizeiaktionen einbremsen, in die die Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg verwickelt waren. 

Gerade weil Ron Paul in seinem Denken so oft richtig und gesund gelegen ist, ist es beunruhigend, seine jüngsten Bemerkungen bezüglich Israels zu beobachten. Es wurde verlässlich berichtet, dass Ron Paul in einem Treffen mit Evangelikalen am 18. April in Fort Worth, Texas, sich dem republikanischen Mitbewerber um das Präsidentenamt Newt Gingrich anschloss bei der Befürwortung der Übersiedlung der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem. Wenn die Bemerkungen dazu, die er laut einem höheren Wahlkampfberater, der bei dem Treffen anwesend war, gemacht hat, wirklich so stimmen, dann sagte Paul, seiner makellos libertären Logik folgend, dass es Sache des Gastlandes einer diplomatischen Vertretung sei, zu entscheiden, wo seine Hauptstadt sein solle. Er stellte die rhetorische Frage in Form eines Vergleichs: „Was würden wir denken, wenn ein anderes Land uns sagte, wir sollten unsere Hauptstadt in New York einrichten und sich weigerte, seine Botschaft in Washington, D.C., einzurichten? Das geht uns nichts an.“ Es ist Paul zugute zu halten, dass er nicht bereit war, Anregungen der Evangelikalen zuzustimmen, dass er, falls er Präsident würde, eine Regierungsverordnung in diesem Sinne erlassen würde.

Es wurde berichtet, dass diese Bemerkungen den evangelikalen Zuhörern gefielen, die jetzt dem Wahlkampf Pauls größere Beachtung schenken und ihn positiv im Vergleich zu Mitt Romney sehen werden, der nur versprochen hat, die Botschaft irgendwann in der Zukunft zu übersiedeln. Paul war von pro-Israel-Gruppierungen heruntergemacht worden und wurde sogar von einem von der republikanisch jüdischen Koalition veranstalteten Hearing der Präsidentschaftskandidaten wegen seiner „fehlgeleiteten und extremen“ Ansichten ausgeschlossen. Es ist also verständlich, dass er das Thema Israel los sein wollte. Er hatte bereits davor versucht, seine Botschaft abzuschwächen, indem er gelegentlich seine Weigerung erwähnte, die Bombardierung des irakischen Reaktors Osirak im Jahr 1981 zu verurteilen, welche genau die Art von „präventiver“ Aggession war, die er sonst verabscheut. Paul zögert zu Recht, sich in die inneren Angelegenheiten anderer Länder einzumischen, aber vielleicht sollte er eine alternative Version in Betracht ziehen, nämlich dass der Reaktor in Osirak Teil des Atomwaffensperrvertrags der UNO war und regelmäßiger Kontrolle unterzogen wurde. Erst nach der Bombardierung begann Saddam Hussein mit einem geheimen Programm zur Konstruktion einer Waffe, hauptsächlich um sich gegen weitere Angriffe Israels zu verteidigen, und schuf dadurch die Bedrohung, die bis dahin nicht existiert hatte. Das war kein gutes Ergebnis, weder für Tel Aviv, noch für Washington.

Paul hat auch die mögliche Bombardierung des Iran durch Israel befürwortet, indem er sagte, dass Israel für seine eigene Sicherheit verantwortlich ist und alles machen kann, was notwendig ist, um sich selbst zu schützen. Allerdings hat er umsichtig festgestellt, dass er dagegen ist, dass die Vereinigten Staaten von Amerika in ein derartiges Unternehmen hineingezogen werden, indem er bemerkte, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nicht vom Iran bedroht werden und keinen Anlass haben, in den Krieg zu ziehen. Wäre er dieser Argumentationslinie etwas weiter nachgegangen, hätte er möglicherweise zugeben müssen, dass Amerika unter den gegebenen Umständen kaum vermeiden könnte, in einen solchen Krieg hineingezogen zu werden, eine Schlussfolgerung, die auch durch die neuesten Planspiele des Pentagon bestätigt wird. Einen israelischen Angriff gegen den Iran zu akzeptieren liegt nicht in unserem Interesse, ganz egal, was Israel tun zu müssen glaubt.

Ron Paul war sowohl ein Modell für Ehrlichkeit und feste Standpunkte als auch ein Politiker, der immer Amerika und die amerikanischen Menschen an die erste Stelle setzt, aber seine Ansicht betreffend den richtigen Ort für die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Israel, die er gerechtfertigt haben könnte durch den berichteten Ausspruch „es geht hier in Wirklichkeit nicht darum, was Amerika will, sondern was Israel will,“ setzt voraus, dass eine derartige Entscheidung in einem Vakuum stattfindet ohne politische Konsequenzen. Wenn Paul das wirklich gesagt hat, ist das nicht nur moralisch in keiner Weise zu rechtfertigen, sondern auch völlig falsch in Hinblick auf reale Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika. Paul würde nicht anders als Mitt Pomney und die anderen Republikaner Israel erlauben, Handlungen der Vereinigten Staaten von Amerika zu diktieren, die schwerwiegende Folgen haben für die Menschen Amerikas. Was gut ist für die Vereinigten Staaten von Amerika sollte Außenministerium und Weißes Haus bei der Entscheidung leiten, bei der es um die Platzierung einer Botschaft geht in einer Situation, in der es mehrere Optionen gibt, und nicht notwendigerweise das, wovon die Israelis meinen, dass es für sie das beste ist.

In diesem Fall will Israel, dass die Welt anerkennt, dass Jerusalem seine Hauptstadt ist, aber sogar Länder mit vollen diplomatischen Beziehungen mit Israel haben sich dieser Forderung widersetzt und ihre Botschaften in Tel Aviv belassen. Zur Zeit hat kein einziges Land seine Botschaft in Jerusalem und es gibt gute Gründe dafür, dass das so ist. 

Unter normalen Umständen wäre die Platzierung einer Botschaft überhaupt keine Frage, wie Ron Paul richtig bemerkt, aber ein großer Teil Jerusalems ist von Israels Militär okkupiert und der Status der Stadt ist insgesamt umstritten. Der Versuch Israels, die arabischen Wohngebiete zu kolonisieren, die es sich angeeignet hat, und sein Bau von Siedlungsblocks in der angrenzenden West Bank, um die Stadt von den weitgehend palästinensischen Gebieten im Osten abzuriegeln, sind allgemein verurteilt worden. Wenn die Vereinigten Staaten von Amerika Israels einseitigem Beschluss, Jerusalem zum Teil Israels zu erklären, dadurch zustimmen, dass sie ihre Botschaft übersiedeln, würde das die muslimische Welt überzeugen, dass amerikanische und israelische Politik untrennbar verbunden sind (falls es diesbezüglich überhaupt noch Zweifel gibt) und würde in einer Reihe von Ländern eine möglicherweise gewalttätige Reaktion dagegen auslösen. Das würde Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika in der Region gefährden und würde auch jede Art von Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern unmöglich machen. Das sind genau die Gründe, warum die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Botschaft noch nicht übersiedelt haben, ungeachtet zahlreicher Versprechen von Präsidentschaftskandidaten und Kongress, das zu tun: das wäre ein sehr schlechter Zug für das amerikanische Volk. Jeder neue Präsident findet das ziemlich schnell heraus.

Verständlicherweise sieht Paul in den Vereinten Nationen keinen besonderen Nutzen, respektiert aber sicher die Weltmeinung, die diese repräsentieren, da diese sich direkt auf amerikanische Interessen auswirkt. Israel war Gegenstand von nicht weniger als 19 UNO-Resolutionen zwischen 1967 und 2004, die die anhaltende militärische Okkupation Jerusalems und die Errichtung von Siedlungen auf palästinensischen Land als illegal verurteilen. Die am besten bekannte ist Resolution 242 aus dem Jahr 1967, die „die Unzulässigkeit der Aneignung von Land durch Krieg“ feststellte. Viele weitere Resolutionen zum selben Thema wurden im UN-Sicherheitsrat durch das Veto der Vereinigten Staaten von Amerika abgeschmettert. 

Ich habe großen Respekt für Ron Paul und alles, wofür er steht, aber ich schlage vor, dass er in dieser Angelegenheit die Faktenlage noch einmal überprüft und die Position überdenkt, die er eingenommen hat. Israel ist nicht irgendein Land. Es ist ein Land, das von einer mächtigen inländischen Lobby unterstützt wird, die es geschafft hat, die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika zu manipulieren, seinen eigenen Interessen zu dienen. Als Kongressabgeordneter weiß Ron Paul das aus erster Hand. Wenn Israel will, dass Washington Jerusalem zu seiner Hauptstadt erklärt, ist das kein Zug, hinter dem keine Interessen stecken. Das wird Konsequenzen haben und kann leicht ernsten Kollateralschaden für die Vereinigten Staaten von Amerika herbeiführen. Ich weiß, dass Ron Paul ein aufrechter Patriot ist, er sollte also die Außenpolitik als Instrument sehen, das so einzusetzen ist, wie es für das amerikanische Volk am besten ist, wie es die Gründerväter vorgesehen haben. Die Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika nach Jerusalem zu übersiedeln würde nichts bewirken als Schaden.  

 
     
  erschienen am 3. Mai 2012 auf > www.antiwar.com > Artikel  
  Archiv > Artikel von Philip Giraldi auf antikrieg.com  
  Die Weiterverbreitung der Texte auf dieser Website ist durchaus erwünscht. In diesem Fall bitte die Angabe der Webadresse www.antikrieg.com nicht zu vergessen!  
  <<< Inhalt