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  Progressive begrüßen humanitären Imperialismus – schon wieder veranstaltet DemocracyNow! eine Nicht-Debatte über Syrien 

John V. Walsh 

 

„Ausländische Intervention in Syrien? Eine Debatte mit Joshua Landis und Karam Nachar.“ versprach die Titelzeile von DemocracyNow! am 22. Februar. Erwartungsvoll schaltete ich ein in der Hoffnung, eine ausführliche Erörterung der Machenschaften des Imperiums der Vereinigten Staaten von Amerika in Syrien auf seinem Marsch in den Iran zu hören.

Aber da gab es weder eine Erörterung noch eine Debatte. Beide, Landis und Nachar, waren für eine Intervention aus „humanitären“ Gründen. Auch die Moderatorin Amy Goodman oder ihr Mitmoderator unternahmen nichts, um die beiden auf ihre rückständigen Ansichten betreffend imperiale Militäraktionen gegen ein souveränes Land hinzuweisen, das den Vereinigten Staaten von Amerika nichts getan hatte. Es war ein neuerliches Anzeichen dafür, dass die „progressive“ Bewegung im Westen weitgehend ihre Antikriegs- und Antiinterventionspositionen aufgegeben hat.

Der Abschnitt begann mit einer Einblendung von John McCain, der einen neuen Krieg befürwortete, zum Wohl der Syrer natürlich, die bombardiert werden sollten um sie zu retten. Der erste Gast war Joshua Landis, ein Professor in Oklahoma, dessen Lebenslauf uns mitteilt, dass er „regelmäßig nach Washington DC fährt, um das Außenministerium und andere Regierungsagenturen zu beraten.“ Welche andere Agenturen das sind, wird nicht erwähnt, aber er spricht vor dem Rat für Auslandsbeziehungen und dergleichen. Professor Landis vertritt die Stimme der Antiintervention im Universum der Amy Goodman, aber seine Eröffnungsworte zeigten die Grenzen dieses Universums auf : „Ich bin nicht dagegen, dass man der (syrischen) Opposition hilft.“ Und weiter: „das Problem gerade jetzt, die Gefahr bei der Bewaffnung der Opposition besteht zur Zeit darin, dass wir nicht sicher sind, wen wir bewaffnen sollen.“ 

Ganz verwirrt dachte ich, dass sicher der nächste Gast der Antiinterventionist sein werde. Es war Karam Nachar, „Cyber-Aktivist“ und Kandidat für ein Doktorat in Princeton, der mit syrischen „Demonstranten“ via „Social Media-Plattformen“ arbeitete. Das heißt, er saß gemütlich in New Jersey, weit weg von da, wo die Bomben der Vereinigten Staaten von Amerika fallen würden. Vielleicht würde dieser Typ laut und klar sagen, dass die Syrer keine Einmischung des Westens brauchen, keine Sanktionen brauchen, um sie auszuhungern und auch keine Bomben, um ihre Städte zu zerstören. Vielleicht würde er den chinesisch/russischen Vorschlag loben, der beide Seiten auffordert, das Schießen einzustellen und über eine Lösung zu verhandeln.

Aber das tat er nicht. Auch er war für eine Intervention durch den Westen. Und er glaubte nicht, dass die Desorganisation der Opposition, von der Landis spricht, eine Verzögerung oder einen Aufschub der Bewaffnung dieser Opposition rechtfertige. Das, und nicht ein Antiinterventionismus auf der Grundlage von Prinzipien unterschied die beiden Seiten in dieser „Debatte.“ Sagte der Cyber-Aktivist: „Fürs erste stimme ich nicht überein mit Professor Landis’ Darstellung der Situation der syrischen Opposition. Es stimmt zum Beispiel, dass im SNC (syrischer Nationalrat) viele Meinungsverschiedenheiten bestehen. Aber die Opposition ist noch immer frustriert über die Führung des SNC, weil diese es nicht schafft, mehr internationale Unterstützung zu mobilisieren ... Und ich glaube, dass das Außenministerium, Ministerin Clinton und die amerikanische Regierung in diese Richtung gehen ... Es wird viel Geld brauchen und viel Mut und viel Mitwirkung von Seiten der internationalen Gemeinschaft. (Hervorhebungen vom Autor)

Und dann ließ der junge Cyber-Aktivist die Sau raus. „Ich bin nur etwas misstrauisch, dass diese Überbetonung, wie führungslos die syrische Opposition ist, sogar eine Taktik ist von Leuten, die nicht wollen, dass das Regime gestürzt wird und die immer die Rechtmäßigkeit des syrischen Regimes und besonders von Bashar al-Assad verteidigt haben.“ Da haben wir´s. Sogar wenn einer im Prinzip für die Intervention ist, darf kein Aufschub zugelassen werden. Solche Leute sind sicher auf der Seite von Bashar al-Assad.  

Diese Art „Debatte“ präsentieren uns „progressive“ Medien. Es gibt nicht einmal eine Debatte darüber, ob es eine imperiale Intervention geben solle, seinerzeit total verpönt in der Linken, sondern wann und unter welchen Umständen es zu einer militärischen Intervention kommen soll. Diese verlogene Debatte sollte einfach ignoriert werden, egal ob sie auf DemocracyNow! stattfindet oder auf NPR („Kultursender“ in den Vereinigten Staaten von Amerika), zunehmend ununterscheidbar in Inhalt und Perspektiven oder anderswo. Prinzipienfeste Erklärungen betreffend Antiinterventionismus findet man auf der Linken bei Jean Bricmont oder auf der libertären Seite bei Ron Paul und Justin Raimondo.

Um fair gegenüber Amy Goodman zu sein, vor wenigen Wochen hatte sie am 7. Februar den britischen Schriftsteller Patrick Seale zu Gast, der sich schon lange mit Syrien beschäftigt. Seale sagte: „Ich glaube, dass der Dialog den einzigen Ausweg aus dieser Situation bildet. In der Tat haben die Russen beiden Seiten vorgeschlagen, nach Moskau zu kommen und einen Dialog zu beginnen. Aber die Opposition sagt: ‚Nein, wir können keinen Dialog mit Bashar al-Assad führen. Er muss zuerst gestürzt werden.’ Das ist eine gefährliche – eine gefährliche Position, die da bezogen wird.“ Dieses Interview ist sehr wohl lesenswert. Amy Goodman täte gut daran, auf dieser Linie zu bleiben, anstatt zu leeren Debatten über Interventionismus jetzt gegen Interventionismus später überzugehen. Nachdem sie wiederholt den CIA-Berater Juan Cole zu Gast gehabt hatte, um den grausamen Krieg gegen Libyen zu bejubeln, scheint Goodman jetzt den selben Weg mit Syrien einzuschlagen. Es ist ein trauriges Spektakel und ein weiterer Hinweis darauf, wie wenig die „Progressiven“ im Westen die Natur des Humanitären Imperialismus durchschauen, der die Menschenrechte benützt, um Krieg zu verkaufen. Es sieht so aus, als wäre es Zeit, Goodman links liegen zu lassen und zu Alyona (RT-Russian Television) umzuschalten. 

 
     
  erschienen am 25. Februar 2012 auf > www.antiwar.com > Artikel  
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