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  Die Eigendynamik des Zynismus

 

„Aber ganz egal, wie nutzlos, abstoßend oder dysfunktional Krieg auch sein mag,“ schrieb Barbara Ehrenreich in ihrem Buch Blood Rites (Blutriten), „er hält sich hartnäckig.“ 

Eine faszinierende Geschichte in der New York Times kurz nach Weihnachten zeigte diese Hartnäckigkeit, wie sie sich vor unseren Augen entfaltet.

Der Verkauf von Waffen an den Irak (Sie erinnern sich noch an den Irak?) – im Wert von $11 Milliarden für Kampfflugzeuge, Kampfpanzer, Kanonen, gepanzerte Personentransporter, Rüstung und Helme, sogar Geländeautos – geht weiter, obwohl er wenig Sinn macht aus einer Reihe von Sichtweisen, darunter geopolitische Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika. Soweit ich das sagen kann, geht der Verkauf weiter, weil „der Krieg weitergeht“ – oder irgendetwas anderes weitergeht, eine Kraft, unsichtbar für Reporter und jenseits der Kontrolle von Diplomaten (zumindest derjenigen, die Interviews geben).  

„Die Regierung Obama macht weiter mit dem Verkauf ...“ informiert uns die New York Times, „trotz Bedenken, dass Premierminister Nuri Kamal al-Maliki versucht, die Autorität unter (s)einen Hut zu bekommen, einen Einparteien- von Schiiten dominierten Staat zu errichten und den von den Amerikanern unterstützten Teil der Regierung loszuwerden.“

So viel zur Demokratie. So weit das, was über das Edle zu sagen ist. Entschuldigen Sie, wenn ich den Eindruck erwecke, als wäre ich überrascht. Das Einzige, was mich überrascht, ist wie schnell und gründlich unsere Ansprüche sich auflösen, wenn wir sie erst erfüllt haben, und wie ungeniert wir weitermachen. Oder vielmehr wie mit uns weitergemacht wird. 

Malikis Absicht ist es, die Sunniten aus der Regierung zu werfen, und das irakische Militär hat sich entwickelt „zu einem Mischmasch schiitischer Milizen, die mehr Interesse daran haben, die Sunniten an den Rand zu drängen als die Souveränität des Landes zu schützen,“ was die Voraussetzungen für den Bürgerkrieg schafft, den der Waffenverkauf schmieren würde. Moralische Bedenken spielen natürlich immer die zweite Geige in solchen Dingen.

Die New York Times bemerkt aber auch, dass sich die amoralischen Interessen des amerikanischen Imperiums bei diesem Geschäft kaum durchsetzen werden: „Während die Vereinigten Staaten von Amerika darauf aus sind, das irakische Militär zu stärken, zumindest teilweise als einen Wall gegen iranischen Einfluss, gibt es auch Befürchtungen, dass dieser Zug zurückschlagen könnte, wenn sich die Regierung in Bagdad letztlich enger mit der schiitischen Theokratie in Teheran zusammenschließt als mit Washington.“

Der Artikel informiert uns weiters, dass die amerikanische Botschaft in Bagdad, besonders deren Büro für Sicherheitszusammenarbeit, die Drehscheibe bei den Bemühungen bildet, das Militär des Irak zu bewaffnen. Das Büro „dient als Vermittler zwischen der irakischen Regierung und Verteidigungspartnern wie Lockheed Martin und Raytheon.“

Und die finstere Macht beginnt sich selbst zu enthüllen. In dieser Spätphase der amerikanischen Republik durchdringt die militärisch-industrielle Korruption nicht nur unsere Außenpolitik, sondern unsere Ideale. Wir ziehen in den Krieg, weil das Geschäft des Krieges keinerlei Einschränkungen unterliegt.

„In einer bemerkenswerten Abwendung von den ideologischen Präferenzen der Demokratischen Partei der Nach-Vietnam-Ära hat Präsident Barack Obama Waffenverkäufe nach Übersee zu einem Pfeiler der Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika gemacht,“ schrieb Loren Thompson, Leiter des Lexington Institute, einer Washingtoner Denkfabrik – unkritisch – für Forbes in der vergangenen Woche. 

Tatsächlich, „was der Präsident und seine Berater herausgefunden haben, ist, dass im Gegensatz zur Entsendung von Soldaten, die in Übersee kämpfen sollen, die Sendung von Waffen nahezu keine Nachteile hat.“

Indem er den vor kurzem von der Regierung Obama bekannt gegebenen Waffenverkauf in der Höhe von $30 Milliarden an Saudiarabien (nach dem $60 Milliarden-Verkauf im letzten Jahr) behandelt, führt er ohne jegliche Ironie aus, dass „Boeing die F-15 Kampfflugzeuge, die im Mittelpunkt dieses Handels stehen, in Missouri zusammenbaut, und General Electric die Maschinen in Ohio produzieren wird. Beides sind Wechselwählerstaaten, deren Stimmen in den Wahlgremien ausschlaggebend sein könnten für das Ergebnis der Präsidentenwahl 2012.“

Eine Eigendynamik des Zynismus kommt hier in Schwung und ihr entscheidender Punkt ist: Arbeitsplätze. Wann immer der Kongress seine jährlichen Multimilliarden-Zuteilungen beschloss, um den Krieg gegen den Irak fortzusetzen, war die Begründung „um die Soldaten zu unterstützen.“ In ähnlicher Weise sind unsere atemberaubend riesigen Waffenverkäufe in Wirklichkeit Geschäfte zur Schaffung von Arbeitsplätzen, und win-win ist es für den Präsidenten, wenn er diese Arbeitsplätze in Wechselwählerstaaten schaffen kann. 

Natürlich sind es nicht die Gewerkschaftsfunktionäre, die im außenpolitischen Ausschuss sitzen oder das Weiße Haus außenpolitisch beraten. Es sind die Vorstände der größten Waffenkonzerne, die das tun, und ihre Firmen machen jährliche Geschäfte im Ausmaß von Wirtschaften von Staaten der Dritten Welt – und die Geschäftsführer verdienen sich dumm und dämlich – indem sie sicherstellen, dass Krieg, jeder Krieg, im Zentrum unserer Außenpolitik steht. Er braucht nicht einmal in unserem nationalen Interesse zu sein.

Das lässt mich an Murat Kurnaz denken, den türkischstämmigen Deutschen, der fünf Jahre als Gefangener in Guantánamo Bay verbrachte, wo er gefoltert und gedemütigt wurde – an die Decke seiner Zelle gekettet, geschlagen, der Wasserfolter unterzogen („waterboarding“) – weil er plötzlich zu einem menschlichen Wesen ohne Rechte geworden war. Nach fünf Jahren wurde er entlassen, nur weil die deutsche Regierung in die Angelegenheit eingeschaltet wurde und bei den Vereinigten Staaten von Amerika auf seine Freilassung drängte.

Er war als junger Student in Pakistan, als er von der Polizei aus einem Bus geholt und den Behörden der Vereinigten Staaten von Amerika als „Terrorist” übergeben wurde. Er hatte nichts zu tun mit den Taliban oder al-Qaida, aber das spielte keine Rolle. Jemand kassierte $3.000 Kopfgeld für ihn. So funktioniert das System. Das ist die Logik des Krieges. Das ist die Moral des Geldes.

 
     
  Robert Koehlers Artikel erscheinen auf COMMONWONDERS.COM, HUFFINGTON POST und vielen weiteren Websites und Zeitungen  
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