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Abweichende Meinung im Krieg gegen die Drogen „unpatriotisch“

Als ich Vogt früher in diesem Jahr für eine Kolumne interviewte, ergab alles, was er über die hohen Kosten und die mickrigen Ergebnisse des Kriegs gegen die Drogen sagte, perfekt Sinn. Er machte jedoch eine Behauptung, die ich, obwohl ich höflich lächelte, nicht glaubte und auch nicht in meiner Kolumne erwähnte: dass nämlich viele Dutzende von Drogenfahndern Kontakt mit LEAP aufgenommen hätten, um ihre Unterstützung auszudrücken.

„Sie haben Angst,“ sagte Vogt. „Jeder Polizist, der sagt, dass er der Auffassung ist, dass Drogen legalisiert werden sollten, wird gefeuert.“ Im bürgerrechtsbewussten Amerika, in dem die Anwälte in den Angriffsschwadronen der ACLU (Bürgerrechtsbewegung) patrouillieren? Bleib auf dem Boden, Freund, dachte ich. Der Krieg gegen die Drogen richtet so schon genug Schaden an, ohne dick aufgetragene paranoide Vorstellungen. 

Aber es stellt sich heraus, dass die Grenze zwischen Paranoia und Realität im Krieg gegen die Drogen in der Tat sehr schmal ist. Am Wochenende brachte die New York Times einen Bericht über Bryan Gonzalez, einen jungen Agenten, der von der Grenzwache der Vereinigten Staaten von Amerika gefeuert wurde. Grund: Gonzalez sagte zu einem anderen Agenten, dass die Legalisierung von Marihuana sowohl in den Vereinigten Staaten von Amerika als auch in Mexico Leben retten würde. Und er erwähnte LEAP.

Als der andere Agent die Unterhaltung seinen Vorgesetzten berichtete, löste das eine interne Untersuchung aus, die mit einem offiziellen Brief endete, mit dem Gozalez entlassen wurde wegen „seiner persönlichen Ansichten, die den Grundwerten von Agenten der Grenzwache zuwiderliefen, welche da sind Patriotismus, Engagement und Korpsgeist.“ 

Fürs erste ist dieser Satz eine glatte Lüge. Die „Grundwerte“ der Grenzwache, geht man nach deren eigener Website, bestehen darin, der amerikanischen Öffentlichkeit zu dienen mit „Wachsamkeit, Integrität und Professionalismus.“ Kein Wort von Patriotismus, Engagement oder Korpsgeist. 

Wenn es aber so wäre? Seit wann ist es denn unpatriotisch, für eine Änderung der Strafgesetze der Vereinigten Staaten von Amerika zu sein? Hätte Gonzalez zu seinem Kollegen von der Grenzwache gesagt, er sei der Meinung, dass die Haftstrafen für Drogenschmuggler verdoppelt werden sollten, wäre das auch unpatriotisch gewesen?

Gonzales zündete sich keinen Joint an und brachte auch keine Dose voller Haschischkekse mit in die Arbeit. Er ließ keinen Drogenschmuggler laufen. Er verkaufte nicht einmal Schusswaffen an das Sinaloa-Kartell. (Der Fairness halber soll allerdings gesagt werden, dass das offenbar kein Entlassungsgrund in der Regierung Obama ist.) Alles, was er tat, war eine Meinung zum Ausdruck zu bringen.

Wie Kyle Vogt mir jedoch zu sagen versuchte, genügt es, die falsche Meinung über den Krieg gegen die Drogen zu haben, um heutzutage aus einem Job bei der Exekutive gefeuert zu werden:

-  Letzten Monat reichte der ehemalige Bewährungshelfer in Arizona Joe Miller eine Klage ein, um seine Stelle wieder zu bekommen, nachdem er entlassen worden war wegen seiner Unterschrift auf einem Unterstützungsbrief für eine Volksabstimmung (in einem anderen Bundesstaat!) für die Legalisierung des privaten Gebrauchs von Marihuana.

-  Jonathan Wender, ein Sergeant der Polizeiwache in Mountlake Terrace, Washington, wurde entlassen, weil er die Entkriminalisierung von Marihuana unterstützt hatte. Er gewann vor Gericht und bekam eine Abfindungszahlung von $815.000 zugesprochen und erhielt seinen Job zurück, entschied sich aber dafür, doch den Dienst zu quittieren.

-  Kanada, das so vielen amerikanischen Wehrdiensverweigerern Zuflucht gewährt hat, die versuchten, dem Krieg gegen Vietnam zu entkommen, ist offensichtlich dabei, einen weniger toleranten Standpunkt in seinem eigenen Krieg gegen die Drogen einzunehmen. Als Stadtpolitiker in Victoria in British Columbia den Polizisten David Bratzer von der lokalen Polizei einluden, über seine Unterstützung der Legalisierung zu referieren, strich Bratzers Chef den Termin und warnte ihn, nicht die Drogengesetze zu kritisieren, so lange er sich im Stadtgebiet aufhielt.  

Ganz klar, der Krieg gegen die Drogen ist eskaliert zu einem Krieg gegen das Reden über den Krieg gegen die Drogen.

Es tut mir leid, dass ich Vogt nicht geglaubt habe. In einem alten Witz heißt es, dass sogar Paranoide richtige Feinde haben. Über diesen lacht allerdings niemand. 

 
     
  erschienen am 5. Dezember 2011 in The Miami Herald > Artikel  
     
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