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  US-Scheinheiligkeit und Marionettentribunale

George Szamuely

Aus dem Gelärme aus Washington rund um den Internationalen Strafgerichtshof (International Criminal Court - ICC) könnte man schließen, dass aufrechte amerikanische „Friedenserhalter“, die selbstlos die Welt durchstreifen, jetzt aufgrund leichtfertiger Anklagen eingesperrt und vor ein Gericht gezerrt werden sollten, das von Medizinmännern, Stalinisten und Gefolgsleuten von Osama bin Laden geleitet wird. Dieser 1998 durch den Vertrag von Rom gegründete Gerichtshof soll für die Bestrafung von Verbrechen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen zuständig sein – Verbrechen, die bisher unter die Zuständigkeit nationaler Gerichte gefallen sind.

Hier eine typische Tirade des konservativen Kolumnisten Balint Vaszonyi in der Washington Times: „Die Mauer zwischen den legalen Grundbegriffen, Systemen und Vorgangsweisen in der englischsprechenden Welt und denen aller anderen Nationen ist höher und breiter als die Chinesische Mauer.“ In USA TODAY beklagte der nationale Sicherheitsberater Stephen J. Hadley „den Mangel entsprechender Ausgleichsmechanismen zwischen den Kompetenzen von ICC-Anklägern und Richtern. Die USA haben aus bitterer Erfahrung gelernt, dass unberechenbare Ankläger eine Gefahr für Rechte und Wohlergehen ihrer Bürger bilden.“ 

Derlei Bedenken klängen überzeugender, wären sie nicht so offensichtlich einseitig. Im November des Vorjahres wurden unter der Aufsicht von US-amerikanischen, britischen und französischen Einsatztruppen ungefähr 1.000 Kriegsgefangene von der Nordallianz in Mazar-e-Sharif hingeschlachtet. Das Massaker wurde unterstützt durch schwere Angriffe der Luftwaffe der Vereinigten Staaten von Amerika. Neulich berichtete Newsweek, dass „Amerikas afghanische Verbündete hunderte von kriegsgefangenen Taliban auf dem Weg in ein Gefängnis in Nordafghanistan in geschlossenen Containern erstickt und dann in einem Massengrab begraben haben.“ Ungefähr tausend Menschen sollen auf diese Weise ermordet worden sein. Militär der Vereinigten Staaten von Amerika, das in dieser Zeit in der Region stationiert war, war bei dieser Schlächterei behilflich oder tat nichts, um sie zu beenden. Wären das Streitkräfte eines anderen Landes gewesen, zum Beispiel jugoslawische oder russische, würde Washington aufschreien, die Übeltäter müssten vor Gericht kommen. Im gegenständlichen Fall war kaum ein Murmeln zu vernehmen. 

Heuer verabschiedete der US-Kongress den “American Service Members´ Protection Act“. Dieses Gesetz verbietet allen Stellen der US-amerikanischen Regierung die Zusammenarbeit mit dem ICC. Es verlangt, das jede Resolution des Weltsicherheitsrates betreffend „friedenserhaltende Einsätze“ an solchen beteiligte Mitglieder des Militärs der Vereinigten Staaten von Amerika „für alle Zeiten“ von Strafverfolgung ausnimmt. Keine militärische Unterstützung darf „Regierungen gewährt werden, die sich am ICC beteiligen“. Zusätzlich wurde der Präsident „ermächtigt, alle notwendigen und geeigneten Schritte zu unternehmen, um die Entlassung jeglicher US- oder verbündeter Personen herbeizuführen, die vom, im Auftrag oder auf Ersuchen des ICC festgehalten werden.“

Diese kühne Behauptung nationaler Souveränität ist Geschwätz und reinste Scheinheiligkeit. Dieses Gesetz beginnt mit der feierlichen Erklärung, dass es „ein grundlegendes Prinzip internationalen Rechts ist, dass ein Vertrag nur für seine Unterzeichner bindend ist und keine Verpflichtungen für diejenigen zur Folge hat, die nicht zugestimmt haben. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind dem Vertrag von Rom nicht beigetreten und daher auch seinen Verpflichtungen nicht unterworfen.“ Das ist in der Tat die Grundlage des internationalen Rechts. Schande daher über die Vereinigten Staaten von Amerika, die dieses so wenig respektieren! 1993 drängte die Clinton-Regierung den UNO Weltsicherheitsrat dazu, den „Internationalen Stafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien“ („ICTY“) einzurichten. Die Länder, die dessen „Rechtssprechung“ unterworfen werden sollten, hatten bei dessen Einrichtung nichts mitzureden und hatten auch nie zugestimmt. Bis zum heutigen Tag bestrafen die Vereinigten Staaten von Amerika Jugoslawien für mangelnden Eifer in der Zusammenarbeit mit diesem „Gerichtshof“.

Am 27. Mai unterschrieb Präsident Bush einen Erlass, der den nationalen Notstand in den Beziehungen zu Jugoslawien fortsetzte: “Da die Krise in Hinblick auf die Situation in Kosovo und Slobodan Milosevic, seine engsten Verbündeten und Vertrauten und Personen, die vom ICTY wegen Kriegsverbrechen angeklagt sind, nicht gelöst worden ist“, erklärte der Präsident, bestehe eine „ungewöhnliche und außerordentliche Bedrohung der nationalen Sicherheit, Außenpolitik und Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika.“ Bush ordnete an, dass alles Eigentum der jugoslawischen Regierung in den Vereinigten Staaten von Amerika weiterhin eingefroren bleiben müsse und dass „Handel und andere Geschäfte“ mit der Bundesrepublik Jugoslawien verboten seien. Das ein Jahr nach der Entführung und Übergabe von Slobodan Milosevic an das Haager „Tribunal“!  

Das Haager “Tribunal” diente als Vorbild für das ICC und hat alle Merkmale, über die die Amerikaner heute jammern: der Ankläger ist außer Kontrolle. Ankläger und Gerichtshof sind das gleiche. Berufungsinstanz und Gerichtshof sind auch das gleiche. Der Gerichtshof ist niemandem verantwortlich. Es gibt keine Geschworenen. Ankläger können einen Freispruch beeinspruchen und auf der weiteren Inhaftierung eines Angeklagten bestehen. Dennoch fordert der “American Service Members´ Protection Act“ den ungestörten Fortbestand des Haager „Gerichtshofs“: „Nichts in diesem Gesetz soll die Vereinigten Staaten von Amerika daran hindern, internationale Anstrengungen zu unterstützen, Saddam Hussein, Slobodan Milosevic, Osama bin Laden und andere Angehörige anderer Staaten vor Gericht zu bringen, die wegen Völkermords, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt sind.“

Es ist wenig erstaunlich, dass die Vereinigten Staaten von Amerika sich so viel auf den Haager „Gerichtshof“ einbilden. Hier haben wir ein Gericht, das von den USA, bestimmten NATO-Regierungen, US-amerikanischen Konzernen und natürlich dem allgegenwärtigen George Soros bezahlt wird. Der vorsitzende „Richter“ im „Verfahren“ gegen Milosevic, Richard May, ist Brite und eine prominente Figur in der Labour Party, deren Führer Tony Blair eine maßgebliche Rolle im Krieg gegen Jugoslawien 1999 spielte. Der „Ankläger“ Geoffrey Nice ist auch Brite.

Das also ist Rechtssprechung Modell NATO – was die Starken für die Schwachen auf Lager haben.

 
     
  Dieser Artikel erschien am 24. September 2002 auf > Counterpunch > Artikel  
     
 
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