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"Europa krümmt sich wie der Wurm, ehe ihn der Stiefel zertritt." - Karl Kraus
"Fuck the EU" - Victoria Nuland
 
     
  Schön gesagt, Heuchler!

Klaus Madersbacher

 

Mit unüberhörbarer Betroffenheit labern uns Politiker und ihre Medienhuren die Ohren voll über den Genozid an den Armeniern vor 100 Jahren.

Nachdem von Kritik an diversen weiteren Genoziden, allesamt verübt von den Mächten des „Westens“ im Lauf des vergangenen Jahrhunderts, noch nix zu hören war, stellt sich höchstens die Frage, warum dieser Völkermord ausgerechnet jetzt so publicityträchtig ausgeschlachtet wird.

Das soll ja nicht heißen, dass der Mord an den Armeniern vergessen und nicht erwähnt werden soll, dass aber jeder der heftig Trauernden einmal zuerst vor seiner/ihrer Türe kehren und sich gefälligst entschuldigen soll für die Schandtaten seiner/ihrer Vorfahren, ehe über andere hergezogen wird. Von Wiedergutmachung zu reden, ja an solche nur zu denken, scheint wohl reichlich verfrüht zu sein ...

Geäußert hat sich zum Beispiel das österreichische Parlament, das bis dato noch keinerlei Worte des Bedauerns über die Massaker an der Zivilbevölkerung in den „Kronländern“ der Habsburgermonarchie gefunden hat, die nach wie vor in höchsten Ehren steht. Eine Entschuldigung für die Entfesselung eines Angriffskriegs – des Ersten Weltkriegs - war dieser Volksvertretung auch noch nicht der Rede wert. Die Verehrung der „Helden,“ die in Wirklichkeit vorgeblich bei der „Verteidigung der Heimat“ weißgottwo als Kanonenfutter verheizt wurden, wird nach wie vor von einschlägigen Gruppierungen betrieben, die bei allen möglichen Events wie Angelobungen der Rekruten des Bundesheeres noch immer nicht fehlen dürfen. Dass im Gegensatz zu „Kriegsteilnehmern“ des Nazikriegs bis vor wenigen Jahren politisch Verfolgte dieses Regimes wie z.B. „Deserteure“ in jeder Beziehung benachteiligt wurden, soll hier nur am Rande erwähnt werden. Dass nach 70 Jahren noch immer Forderungen betreffend gestohlene Kunstwerke usw. offen sind – ja was soll man da sagen? Dass wahrscheinlich an wichtigen Schaltstellen noch immer Nazis sitzen? Oder deren Nachkommen ...

Könnte einem das auch in Bezug auf das nördliche Nachbarland in den Sinn kommen?

Deutschland, hahaha, macht sich lustig über die abstrusen Vorstellungen der Griechen, die mit Rechnungen aus der Zeit des Naziterrors daherkommen. Die sind doch längst vergessen! Jetzt müssen die neuen offenen Rechnungen bezahlt werden, das Geld dafür muss unter allen Umständen aufgetrieben werden, um die „Geldgeber“ zu befriedigen, wie die Medienhuren herumbrüllen. Vergessen auch die Genozide und Massaker in den deutschen Kolonien, nicht der Rede wert die Millionen abgeschlachteter Polen, Russen – slawische Untermenschen – die die Zahl der ermordeten Juden weit übertreffen. Tränen für die Armenier, stolzer Boykott der Feiern in Moskau, ja da könnte man sich schämen, wenn man nicht gerade zu dem erhabenen Kreis der Mächtigen zählt, denen jede Scham fremd ist. Nun ja, fremdschämen für die werden wir uns nicht ...

Haben die Anführer der Grande Nation schon Worte des Bedauerns und der Entschuldigung für die Massaker gefunden, die in den französischen Kolonien begangen worden sind? Oder, ganz aktuell, für die Verwüstung des friedlichen Landes Libyen? Noch nicht? Was hat dann dieser Hollande Krokodilstränen für die Armenier zu vergießen?

Oder die Anführer des Vereinigten Königreichs, Belgiens, der Niederlande, Italiens, Portugals, haben die sich schon für die vielen Verbrechen, Genozide oder „nur“ Massaker in Afrika, Asien und sonstwo entschuldigt?

Angesichts der vielen schönen Worte und Gesten der terroristischen Supermacht getraut man sich fast nicht, die Worte Korea, Vietnam, Laos, Kambodscha, Philippinen, Irak, Afghanistan und einige mehr zu erwähnen. Hat der Friedensnobelpreisträger sich dafür schon entschuldigt? Na ja, zur Zeit muss er sich um den Jemen kümmern, und alles auf einmal machen kann nicht einmal der Obama. Wichtig ist natürlich, beim Wolfsgeheul in Sachen Mord an den Armeniern mitzuheulen, soviel Zeit muss sein.  

Sich „entschuldigen“ klingt gut. Ist fast wie bei der Beichte – man „bekennt,“ gesündigt zu haben, und flugs ist man wieder auf dem rechten Weg. Entschädigung, Wiedergutmachung? Was sonst noch alles?

Wie anders als Rassismus pur soll man es bezeichnen, wenn Herrenmenschen sich herablassen, sich bei den Untermenschen zu entschuldigen und demütig Krokodilstränen vergießen. Um es sich danach mit erleichtertem Gewissen umso unbeschwerter inmitten der auf der ganzen Welt zusammengestohlenen und geraubten Schätze und Reichtümer gut gehen zu lassen. Und weiterhin die ehemaligen Kolonien mittels IWF usw. bis aufs Blut ausbeuten.

Während die Armenier heftig betrauert werden, vielleicht weil die Täter Moslems waren, von denen der durchschnittliche westliche Medienkonsument genau weiß, was von ihnen zu halten ist und zu welchen barbarischen Handlungen die fähig sind, fallen die Krokodilstränen für die Tausenden Menschen, die im Mittelmeer auf der Flucht ertrinken, deutlich mäßiger aus. Sei es, dass es sich bei diesen auch nur um Moslems handelt, sei es, dass es nur Dunkelhäutige aus dem Schwarzen Kontinent (Neger sagen wir hochzivilisierte Menschen im Westen nicht mehr) sind, sei es, dass ein paar Tausend Menschen mehr oder weniger eh keine Rolle spielen.

Bezeichnend die Reaktion der besonders reaktionären „christlichen“ Fraktionen (was hat denn dieser Jesus nur verbrochen, dass er für diese Pharisäer herhalten muss?), die mit militärischen Maßnahmen „helfen“ wollen, dass nicht so viele Menschen ertrinken müssen. Wenn die Schiffe zerstört sind, können sie nicht untergehen, so die Logik dieser besonders zynischen Vertreter der „christlichen“, „westlichen“ usw. „Werte“.

Wie es aussieht, ist die Zeit noch nicht reif für Krokodilstränen und Entschuldigungen für die Verbrechen, die heute begangen werden. Wer weiß, wie lange es noch dauern wird, bis die ersten diesbezüglichen Entschuldigungsvorstellungen erfolgen.

Das bedeutet wohl, dass die heutigen Täter – diejenigen, die die Armenier auf dem Gewissen haben, sind ja schon lange tot – annehmen könnten, dass viele Jahrzehnte oder gar ein Jahrhundert vergehen werden, bis sie zur Verantwortung gezogen werden. Von den Nachfolgern der Heuchler, falls es die dann noch gibt ...

 
     
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siehe dazu im Archiv:
  Robert C. Koehler - Jeden Monat ein My Lai
  Robert C. Koehler - Sich aus einem verlorenen Krieg davonstehlen
  Walter Rockler - U.S.-Aggression
  Klaus Madersbacher - Nazikonglomerat
  Klaus Madersbacher - Verbrechen gegen den Frieden
  Klaus Madersbacher - Bomben auf Libyen, Sand in unsere Augen
  Jonathan Turley - Das Große Geld hinter dem Krieg: der militärisch-industrielle Komplex
  John V. Walsh - Warum sind Russland und China (und der Iran) vorrangige Feinde der herrschenden Elite der Vereinigten Staaten von Amerika?
  Dmitry Orlov - Lizenz zum Töten
  Ismael Hossein-zadeh - Das Chaos im Mittleren Osten und darüber hinaus ist geplant
  Robert Parry - Washingtons einzige Moral ist die Doppelmoral
 
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