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  Wer braucht Antisemiten, wo wir doch Bibi haben?

Larry Derfner

 

Dieses Mal stimmt es: Israel versucht wirklich, die Vereinigten Staaten von Amerika zu manipulieren, in den Krieg zu ziehen.

Wer kann noch länger bestreiten, dass Israel drauf und dran ist, Amerika in den Krieg zu stoßen – und noch eine ziemliche Show daraus macht? Die Obama-Administration versucht, das Atomprogramm des Iran auf diplomatischem Weg zu neutralisieren, und Bibi Netanyahu und die Israel-Lobby sind zweifellos die höchstmöglichen Anführer der Kampagne, die sie stoppen will. Netanyahu bevölkert die TV-Schirme rund um die Welt und schlägt die Trommel gegen diesen „sehr, sehr schlechten Handel“ der bei den Genfer Gesprächen getrieben wird, die am Mittwoch fortgesetzt werden. Sein mit amerikanischem Akzent ausgestatteter Emissär Naftali Bennett durchstreift die Hallen des Kongresses gerade in Sicht des Weissen Hauses und beschwatzt Senatoren und Kongressabgeordnete, die Sanktionen gegen den Iran zu verstärken. Inzwischen sind natürlich auch AIPAC und der Rest der Israel-Lobby voll am Werk, dieses Thema zu pushen.

Amerika versucht gemeinsam mit Russland, China, Britannien, Deutschland (aber offensichtlich nicht Frankreich), mit dem Iran Frieden zu schließen, eine ziemlich wichtige, sehr historische Aufgabe – und Israel steht an erster Stelle mit dem Versuch, das zu torpedieren. Nach der Warnung, dass das Scheitern der Genfer Gespräche „ein Weg sein könnte, der in den Krieg führt,“ schloss ein Leitartikel in der New York Times vor kurzem folgendermassen: 

Wenn Verhandlungen jetzt scheitern, werden Herr Netanyahu und die Hardliner der Interessengruppen für das Scheitern zuständig sein, der Rest von uns wird den Preis dafür bezahlen.

Das gibt zu denken, nicht?

Aber Netanyahu sagt nicht, dass er ein Scheitern der Gespräche will - da sei Gott vor - damit Amerika einen Krieg beginnt, indem es die Atomanlagen des Iran bombardiert. Nein, das will er verhindern, durch eine Verstärkung der Sanktionen und durch Druck auf den Iran, damit dieser zustimmt, sein Atomprojekt komplett aufzugeben und Inspektoren nachsehen zu lassen, wo immer sie wollen. Das ist doch vernünftig, oder nicht? Ein Vertreter der Obama-Administration fasste diese Woche die Strategie Netanyahus der New York Times gegenüber folgendermassen zusammen:

Herr Netanyahu „wird mit nichts weniger zufrieden sein als mit der völligen Zerschlagung der nuklearen Infrastruktur des Iran,“ sagte ein Stratege der Administration vor kurzem. „Das möchten wir auch haben – aber das wird sicher nicht zu diesem Zeitpunkt der Verhandlungen geschehen.“ 

Netanyahus Vorstellung der Diplomatie gegenüber den Iranern besteht darin, ihnen Kapitulationsbedingungen zu präsentieren – sie sollen zustimmen, dass sie kein Recht haben, auch nur irgendetwas irgendwie atomares zu bauen, während die Vereinigten Staaten von Amerika und die anderen Weltmächte, von Israel gar nicht zu reden, die Freiheit haben, alle Wasserstoffbomben zu bauen, die sie haben wollen. Wenn die Iraner diesen Bedingungen nicht zustimmen, wenn sie stattdessen heimfahren und weiterhin uneingeschränkt ihr Atomprogramm betreiben, dann wird es nicht Netanyahu gewesen sein, der die Vereinigten Staaten von Amerika dazu brachte, sie zu bombardieren – die Iraner selbst werden es gewesen sein.

So denken Netanyahu und seine zahllosen Bewunderer in Israel und den Vereinigten Staaten von Amerika. Sie machen der anderen Seite ein Angebot, das sie ablehnen muss, und wenn dann Krieg dabei herauskommt, ist es nicht ihre Schuld. Wenn also das Team Netanyahu erfolgreich Obamas Bestreben blockieren kann, das Atomprojekt des Iran friedlich zu entschärfen, wird der nächste Schritt dieser Truppe sein, den Präsidenten unter Druck zu setzen, sein Versprechen einzulösen, den Iran daran zu hindern, die Bombe zu bekommen, wobei dann nur mehr ein Weg übrig sein wird, das zu tun: mit Raketen.

Obama will keinen weiteren Krieg im Mittleren Osten riskieren. Das will auch das amerikanische Volk nicht. Aber das lässt den israelischen Premierminister kalt.

Die Medien berichten, dass die Chancen für ein Abkommen in den nächsten Tagen in Genf zwischen den Weltmächten und dem Iran gut stehen. Der Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika jedoch, auf den Israel großen Einfluss besitzt, könnte sehr wohl ein solches Abkommen kurz danach zu Fall bringen, indem er die bereits verheerenden Sanktionen verschärft. 

Israels Führer und seine Anhänger könnten tatsächlich Amerika gegen seinen Willen in einen Krieg hineintreiben. Sicher geben sie sich grösste Mühe, das zu erreichen. Das ist die Art von Behauptung gegen Israel, welche üblicherweise nur von Extremisten und Antisemiten erhoben wurde, weil sie in der Vergangenheit nicht den Tatsachen entsprach, sie war eine grosse Übertreibung. Aber jetzt wird diese Behauptung von Kreisen wie der New York Times erhoben, und sie stimmt. Ihre Wahrhaftigkeit ist für jeden ersichtlich, laut und klar.

 
     
  erschienen am 20. November 2013 auf > +972magazine > Artikel  
 
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