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  Auf nach Timbuktu, 3. Akt  

Eric S. Margolis

 

PARIS – Verwirrt ob der eskalierenden Gewalt in Mali und jetzt Algerien? Versuchen Sie gerade Mali auf der Landkarte zu finden?

Krieg, so schrieb der große römische Geschichtsschreiber Tacitus, lehrt Geografie. Die neue Lektion diese Woche handelt von West- und Nordafrika, die vor nicht allzu langer Zeit im Besitz Frankreichs waren. 

Große Ironie: die Vereinigten Staaten von Amerika behaupteten, ihre Energiequellen wären bedroht durch Instabilität in der arabischen Welt. Daher begannen sie damit, Westafrika als „sichere“ Alternative auszubeuten.

Regierungen und Medien des Westens haben der Öffentlichkeit einen Bärendienst erwiesen, als sie sie groß vor einer „islamistischen Bedrohung“ in Mali warnten. Als wäre Osama bin Laden aus dem Niger-Fluss auferstanden. Unsere neueste Krise in Afrika ist nicht in erster Linie auf Religion zurückzuführen, sondern auf einen sich ausbreitenden Aufstand gegen durch und durch korrupte vom Westen gestützte Oligarchen-Regierungen und gegen die endemische Armut. 

Malis Probleme begannen im letzten Jahr, als seine wackelige Regierung gestürzt wurde. Mittlerweile strömten schwer bewaffnete nomadische Tuareg-Stammesleute, die in Libyen dem ermordeten Colonel Muammar Gaddafi als Söldner gedient hatten, bis er durch den Überfalls Frankreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika gestürzt wurde, zurück in ihre Heimat im Norden Malis. Als bedeutendere unerwartete Konsequenz kämpften wilde Tuareg-Krieger, die über ein Jahrhundert lang gegen die französische Kolonialherrschaft gekämpft hatten, für ein unabhängiges Heimatland unter dem Namen Azawad.

Sie, eine kleine gewalttätige Gruppe von Jihadisten, Ansar Din, und eine weitere Handvoll obskurer Islamisten vertrieben die Soldaten der Zentralregierung aus dem Norden, den sie für unabhängig erklärten und begannen, in Richtung der fliegengeplagten Hauptstadt Bamako zu marschieren.

Frankreich, der koloniale Beherrscher des größten Teils von Westafrika bis 1960, hat seither in dieser Region Klientenregimes gestürzt und eingesetzt. Französische Politik-, Finanz- und Militärberater und Geheimdienste regierten Westafrika hinter einer Fassade angeblich unabhängiger Regierungen. Ungehorsame Regierungen wurden schnell abserviert von französischen Elitetruppen und Fremdenlegionären, die in Westafrika stationiert waren und über Frankreichs Bergbau- und Erdölinteressen in „Französisch Afrika“ wachten. 

Afrikanische Regimes zu stürzen war o.k. für Frankreich, aber nicht für Einheimische. Als Malis von Frankreich gestütztes Regime unter Druck kam, fürchtete Frankreich, dass seinen anderen westafrikanischen Klienten ein ähnliches Schicksal blühen könnte und begann, Soldaten zu entsenden, um das Regime in Bamako zu unterstützen. Präsident Francois Hollande, der erst vor ein paar Wochen versprochen hatte, nicht in Westafrika zu intervenieren, sagte, dass etwa 2.500 französische Soldaten in Mali eingesetzt würden. Aber nur auf „temporärer Basis,“ behauptete Hollande, indem er de la Rochfoucaulds Maxime vergaß: „Nichts hat soviel Bestand wie das Temporäre!“

Andere wackelige vom Westen gestützte westafrikanische Regierungen packte angesichts der Ereignisse in Mali der Schrecken, da sie fürchteten, auch sie könnten von wütenden Islamisten gestürzt werden, die nach strenger Justiz und dem Ende der Korruption riefen. Nigeria, die große Macht in der Region versprach, Truppen nach Mali zu schicken.

Nigeria war bereits bedrängt von seiner eigenen revolutionären jihadistischen Bewegung Boko Haram, welche behauptet, dass den muslimischen Nigerianern ihr entsprechender Anteil an dem riesigen Ölreichtum des Landes vorenthalten worden ist, während das meiste davon von korrupten Regierungsleuten gestohlen wurde. 

Frankreichs überhitzte Behauptung, dass es im obskuren Mali mit einer düsteren islamischen Bedrohung konfrontiert ist, könnte die Aufmerksamkeit von Scharen freischaffender Jihadisten hervorrufen, von denen derzeit viele damit beschäftigt sind, Syrien aufzumischen. Paris hätte besser behauptet, dass seine Soldaten die antiken Moslem-Schreine in Timbuktu beschützen sollten. Oder es hätte still und leise die Fremdenlegion schicken können, wie in der Vergangenheit.

Stattdessen entwickelte sich Mali zu einer Krise, wobei die Vereinigten Staaten von Amerika, das Vereinigte Königreich, westafrikanische Staaten und die UNO an diesem Sturm im afrikanischen Wasserglas beteiligt sind. Eine nette Ablenkung von der Budgetkrise.

Eine andere algerische Jihadistengruppe attackierte gerade eine wichtige staatliche Erdgaseinrichtung als Rache für Frankreichs Überfall auf Mali. Diese blutige Aktion hat Algeriens bislang ruhige islamischen Widerstandsgruppen aufgeweckt.

Diese hatten einen zehn Jahre langen Krieg geführt gegen das algerische von den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich gestützte Militärregime, eines der repressivsten Regimes des Kontinents, nachdem Algeriens bewaffnete Streitkräfte die Islamisten nach dem Sieg niedergeschlagen haben, den diese 1991 in fairen Wahlen errungen hatten.

Über 250.000 Algerier starben in einem langen blutigen Bürgerkrieg. Die Regierung in Algiers benutzte oft aus ihren Soldaten gebildete Banden, die als aufständische Kämpfer verkleidet grässliche Massaker begingen, um den Ruf der Opposition anzuschwärzen.

Algerien ist vielleicht schon wieder auf dem Weg in ein neues Blutbad, dieses Mal mit der Minderheit des Berbervolks, das seinen unabhängigen Staat fordert.

Luftwaffe der Vereinigten Staaten von Amerika und kleine Einheiten von Spezialkräften des neuen Afrika-Kommandos werden jetzt aktiv in Mali und Algerien. Mehr werden sicher folgen, während Westafrika schwelt.

 
     
  erschienen am 18. Januar 2013 auf > www.ericmargolis.com  
  Archiv > Artikel von Eric Margolis auf antikrieg.com  
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