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  Die Schandtat der Anklage gegen Bradley Manning wegen „Feindbegünstigung”

John Glaser

Allein die Tatsache, dass Bradley Manning dafür bestraft wird, dass er Verbrechen, Lügen und Missetaten der Regierung ans Licht gebracht hat, ist eine Ungeheuerlichkeit, wenn Sie mich fragen. Aber ihm eine Anklage wegen „Feindbegünstigung“ anzuhängen – welche mit der Todesstrafe bedroht ist – stellt das in den Schatten.

Beim Gerichtstermin am Dienstag versuchte Mannings Verteidiger, eine bedeutend reduzierte Haftstrafe aufgrund der Tatsache zu erreichen, dass Manning unter folterähnlichen Umständen – Einzelhaft 23 Stunden am Tag, strenge Beobachtung wegen Suizidgefahr und oftmalige befohlene Nacktheit angehalten worden war. Der Richter ließ erbärmliche 112 Tage von Mannings möglicher lebenslänglicher Freiheitsstrafe nach. 

Die absurde Anklage wegen Feindbegünstigung – als hätte Manning eine Beziehung oder Absicht mit al-Qaeda gehabt – bezieht sich auf Mannings angebliche Weitergabe von geheimem Material an WikiLeaks, eine Website. Die ACLU (amerikanische Bürgerrechtsunion) erklärt:

Der Schlüssel zum Standpunkt der Regierung ist diese einfache Behauptung: geheimdienstliche Information ins Internet zu stellen begünstigt al-Qaeda, weil al-Qaeda Zugang zum Internet hat.

… die Regierung behauptet nicht, dass Manning Informationen an al-Qaeda weitergab, oder dass er auch nur anstrebte, dass al-Qaeda diese bekommt. Viel mehr behauptet sie, dass Manning al-Qaeda „indirekt“ begünstigte, indem er die Ursache dafür war, dass Geheimdienstinformationen auf der WikiLeaks-Website veröffentlicht wurden, wobei er wusste, dass al-Qaeda Zugang zum Internet hat. Insbesondere besteht die Regierung darauf, dass Manning gegen §104 des Militärstrafgesetzes verstoßen hat, welcher vorsieht, dass „jede Person, die ... geheime Informationen weitergibt oder mit dem Feind korrespondiert oder mit diesem eine Beziehung unterhält, sei es direkt oder indirekt, mit dem Tod oder einer anderen Strafe bestraft werden soll, die von einem Kriegsgericht oder einer Militärkommission bestimmt wird.“ 

§ 104 gilt nicht nur für sensitive oder geheime Information – er verbietet jede nicht genehmigte Kommunikation oder Kontakt mit einem Feind. Wenn also die Regierung damit Recht hat, dass ein Soldat „indirekt“ den Feind begünstigt, wenn er Informationen an Stellen bekannt gibt, zu denen der Feind Zugang haben könnte, dann hängt die Drohung der Strafverfolgung über jedem Militärangehörigen, der einem Reporter ein Interview gibt, der einen Leserbrief schreibt oder einen Blog ins Internet stellt.

Mannings Verteidigung hat versucht, den Richter dazu zu bewegen, diese lächerlichen Anklagen zu streichen, aber der Richter hat sich geweigert. Während die Staatsanwaltschaft behauptet, dass die Anklage in Ordnung sei, sagen Mannings Anwälte, offensichtlich ohne auf Widerspruch zu stoßen, dass derartige Anklagen wegen Feindbegünstigung in dieser Art noch nie zur Anwendung gekommen sind. Josh Gerstein von Politico:

„Informationen in einer Zeitung zu veröffentlichen (kann) indirekt Information an den Feind weitergeben,“ sagte Staatsanwältin Captain Angel Overgaard bei der Voruntersuchung am Dienstag. Sie sagte, dass Gerichte in früheren Fällen festgestellt hätten, dass solche Veröffentlichungen Feindbegünstigung sein könnten.

Wie auch immer, Verteidiger David Coombs sagte, dass es solche Fälle im Bürgerkrieg gab und es bei diesen um die Veröffentlichung verschlüsselter Botschaften ging, nicht um die Veröffentlichung von Informationen, die offensichtlich für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

„In jedem der Fälle von §104 (Feindbegünstigung) geht es um jemanden, der Informationen direkt an den Feind weitergab. Dieser Fall ist ohne Beispiel,“ sagte Verteidiger David Coombs in der Verhandlung. „Es gibt keinen einzigen Fall in der gesamte Geschichte der Militärgerichtsbarkeit, in dem es um jemanden ging, der Informationen an eine legitime journalistische Organisation zur Veröffentlichung weitergab und das als Feindbegünstigung bewertet wurde.“

Daniel Ellsberg wird heute nahezu allgemein als Held betrachtet, weil er 1971 die Pentagon Papers weitergab. Er bekommt Preise, tritt im Fernsehen auf, er ist eine berühmte Persönlichkeit und ein Aktivist. Das Material, das er an die Presse weitergab, war als streng geheim eingestuft, und er konnte sein Leben in Freiheit verbringen – teilweise aufgrund der schlechten Behandlung durch die Regierung, der er darob ausgesetzt war. Vergleichen Sie das mit Manning, der nichts weitergab, was als streng geheim klassifiziert war, sondern nur als geheim oder so – auf viel niedrigeren Geheimhaltungsstufen. Dennoch wird gegen ihn eine Anklage erhoben, die auf Hochverrat hinausläuft und mit dem Tod bestraft werden kann. Was für eine Schandtat! 

 
     
  erschienen am 8. Januar 2013 auf > www.antiwar.com > Artikel  
     
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