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  Totalstillstand in der UNO und in New York

Eric S. Margolis 

 

Scheißwoche! So bezeichnen die verärgerten frustrierten Taxifahrer jedes Jahr die Zeit der Eröffnungssitzung der Vereinten Nationen. Heuer war es noch schlimmer als in den beiden letzten Jahren.

Die schmale verkehrsreiche Insel Manhattan wurde zu einem Alptraum aus Verkehrsinfarkt, blockierten Straßen, heulenden Sirenen und wütenden Fahrern. Konvois mit Großkopferten, deren Mitarbeitern und Leibwächtern versuchten sich mit Blaulicht und Sirenengeheul einen Weg durch heillos verstopfte Straßen zu erzwingen. Eine VIP-Gasse wurde geschaffen – Leonid Breschnew lässt grüßen.

Überall nervöse Polizisten und Sicherheitsleute. Ich beobachtete, wie Präsident Barack Obamas Konvoi auf der Park Avenue nach Norden raste, mit Sicherheitsbeamten, die mit automatischen Waffen aus offenen Fenstern zielten.

New York glich einem Militärlager oder dem belagerten Damaskus. Ich hatte ein Interview im Regency Hotel, wo der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu mit einer Armee von Wächtern und Presseleuten logierte. Bewundernde Menschenmengen in der größten jüdischen Stadt der Welt jubelten Netanyahu zu, der in New York populärer ist als in Tel Aviv. 

Scharen von Unterstützern der iranischen Mujahidin-I-Khalq, einem Anti-Teheran-Kult, wurden mit Bussen von nah und fern herbeigekarrt. Ich fragte einen schwarzen Amerikaner, der eine gelbe Weste mit Bildern des Kultführers trug, warum er gekommen sei. „Sie haben mich dafür bezahlt,“ antwortete er. Die Mujahidin, bisher auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika, waren dank der Hilfe Israels jetzt von dieser Liste genommen worden. Israel hat den Mujahidin gefälschte „Beweise“ über das angebliche Atomwaffenprogramm des Iran zukommen lassen. Die Mujahidin ihrerseits reichten die Falschinformation an die Geheimdienste der Vereinigten Staaten von Amerika weiter. 

Aufgebrachte Mengen buhten Irans Ahmadinejad aus, der sich Jahr für Jahr eine Hetz daraus macht, die jüdischen New Yorker auf die Palme zu treiben, indem er den Holocaust und die Existens Israels als jüdischer Staat in Frage stellt. Seine unbekümmerten aufrührerischen Reden boten Israel einen ausgezeichneten Vorwand, den Iran zu attackieren, indem sie behaupteten, dessen Führer seien verrückt und entschlossen, den jüdischen Staat mit Atomwaffen auszulöschen. Der Iran hat ein Faible für besonders schlechte Werbung. 

Es ist nicht ausgeschlossen, dass Israel die nukleare Infrastruktur des Iran mit Atomwaffen angreift und behauptet, dass der Iran dabei war, es mit einer oder zwei geheim produzierten Atomwaffen anzugreifen.  

Netanyahu übertrieb es vor der UNO, indem er eine dumme Kartonbombe und einen roten Filzstift benutzte, um seine Forderung durchzudrücken, die Vereinigten Staaten von Amerika müssten den Iran angreifen. Sogar viele Israelis waren der Meinung, dass dieser Bluff zu weit ging und trugen Zeichen mit der Aufschrift „nicht jetzt, nicht allein“. Im Pentagon, im Außenministerium und in der CIA wächst der Ärger über Netanyahus Anstrengungen, einen Krieg zwischen der Vereinigten Staaten von Amerika und dem Iran zu provozieren.

Der israelische Führer hat sich schamlos in die Wahlen in den Vereinigten Staaten von Amerika eingemischt, indem er Präsident Obama unterminierte und offen den stolpernden Republikaner Mitt Romney unterstützte. Israel und seine Unterstützer in den Vereinigten Staaten von Amerika betreiben eine lärmende Kampagne im entscheidenden Swing-Staat Florida, wo sie kleine alte jüdische Damen in den Glauben schrecken, dass Israel dabei ist, in einem zweiten Holocaust vernichtet zu werden.

Ahmadinejad ist zu einem wesentlichen Ermöglicher von Netanyahus Schrecktaktiken geworden. In Wirklichkeit spielen beide für ihr heimisches Publikum. Netanyahu kämpft um eine dritte Amtsperiode, während Israel an großen wirtschaftlichen Problemen leidet. Jedenfalls ist es ihm mit seinen nuklearen Warnrufen vor dem Iran gelungen, die Forderung nach einem lebensfähigen Palästinenserstaat an den Rand zu schieben. Niemand in der UNO beachtete das traurige Gezwitscher der Palästinenser.

Nicht gesagt wurde, dass Israels Drohungen, den Iran anzugreifen und seine Forderungen, die Vereinigten Staaten von Amerika sollten einen Blitzkrieg gegen den Iran führen, eindeutig gegen die Charta der UNO und Internationales Recht verstoßen. Die Behauptungen des Iran, der Westen und Israel führten gegen ihn einen Wirtschafts- und Computerkrieg und ermordeten seine Wissenschafter, wurden mit einem Achselzucken abgetan.

Wenige schienen Russlands zunehmend energische Äußerungen zu bemerken, dass eine Attacke der Vereinigten Staaten von Amerika/Israels gegen Iran oder Syrien „Konsequenzen“ haben werde. Diejenigen, die sich Sorgen machen in Hinblick auf einen möglichen Dritten Weltkrieg, täten gut daran, darüber nachzudenken.

Wieder einmal wurde schmerzhaft klar, dass der UN-Sicherheitsrat ein unfaires veraltetes Relikt des Zweiten Weltkriegs ist, das erweitert gehört und demokratischer gestaltet – und in ein neutrales Land verlegt werden muss. Die Sieger des Zweiten Weltkriegs treffen die wirklichen Entscheidungen. Der Rest ist Posieren und Gerede – und verrückter Verkehr in New York. 

     
  erschienen am 29. September 2012 auf > www.ericmargolis.com > Artikel  
  Archiv > Artikel von Eric Margolis auf antikrieg.com  
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