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  Die UNO und der Überfall auf Libyen  

Jörg v. Paleske

Libyen wird derzeit von verschiedenen Staaten und von der Nato massiv und mit schweren Waffen angegriffen. Die Behauptung, diese Gewaltmaßnahmen seien gerechtfertigt, weil es einen Beschluß des Sicherheitsrates gäbe, der dies gestatte, ist frei erfunden.

Einen solchen Beschluß gibt nicht. Dies folgt aus der UNO-Charta - http://www.unric.org/de/charta.

A) Es wurde auf dieser Seite schon aufgezeigt (siehe 19.03.2011 - "Unsere kriegsgeilen Medien..."), daß nur bei Bedrohung des "Weltfriedens" (das ist ein zumindest grenzüberschreitender Krieg) und  zugleich  bei Bedrohung der "internationalen Sicherheit" Gewaltanwendung durch die UNO möglich ist. Diese Voraussetzungen liegen beim libyschen Bürgerkrieg definitiv nicht vor (Argument auch das Wort "Staat" in Art. 2 Abs. 5).  

Die derzeitige Gewaltanwendung durch die Nato ist deshalb selbst ein Angriff auf den "Weltfrieden" und eine Bedrohung der "internationalen Sicherheit". Daß nur Beschlüsse des Sicherheitsrates Rechtskraft haben, welche die Charta einhalten, wird bestätigt durch Art. 2 Abs. 5. Dieser lautet: "5. Alle Mitglieder leisten den Vereinten Nationen jeglichen Beistand bei jeder Maßnahme, welche die Organisation im Einklang mit dieser Charta ergreift; sie leisten einem Staat, gegen den die Organisation Vorbeugungs- oder Zwangsmaßnahmen ergreift, keinen Beistand."

B) Besonders gravierend ist, daß der angebliche Gewaltanwendungsbeschluß des Sicherheitsrates NICHT mit der erforderlichen Stimmenmehrheit erfolgte. Denn gemäß Art. 27 Abs. 3 der Charta bedurfte es für dieser Beschluß (der eine sog. "sonstige Frage" betrifft - s. u.) der ausnahmslosen Zustimmung zumindest ALLER STÄNDIGEN MITGLIEDER des Sicherheitsrates. Wortlaut des Art. 27 (Hervorh. Von mir):

"Artikel 27

(1) Jedes Mitglied des Sicherheitsrats hat eine Stimme.

(2) Beschlüsse des Sicherheitsrats über Verfahrensfragen bedürfen der Zustimmung von neun Mitgliedern.

(3) Beschlüsse des Sicherheitsrats über alle sonstigen Fragen bedürfen der ZUSTIMMUNG von neun Mitgliedern einschließlich SÄMTLICHER STÄNDIGEN MITGLIEDER ... "

Ständige Mitglieder sind folgende Staaten: USA, VR China, Rußland, Frankreich, Großbritannien. Da Rußland und China  n i c h t  zugestimmt hatten, ist der Beschluß auch nicht mit der erforderlichen Stimmenzahl angenommen worden, sondern gescheitert.

Daß China und Rußland nicht explizit  d a g e g e n  ("Veto") gestimmt hatten, ist dabei unbeachtlich. Denn das war auch gar nicht erforderlich!

Ergebnis: Der Sicherheitsrat hat damit KEINEN Beschluß betr. Das "Flugverbot" betr. Libyen gefaßt, sondern dieser Beschluß scheiterte an der fehlenden Zustimmung von zwei Veto-Mächten (Rußland und China)!

C) Eine Ausführung von UNO-Gewalt-Beschlüssen durch Militärbündnisse - wie jetzt durch die Nato - oder etwaige andere Organisationen verstößt ebenfalls grundsätzlich gegen die UN-Charta. Dies ergibt sich aus  Artikel 48 Abs. 1 (Hervorhebung von mir):

"(1) Die Maßnahmen, die für die Durchführung der Beschlüsse des Sicherheitsrats zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich sind, werden je nach dem Ermessen des Sicherheitsrats von allen oder von einigen MITGLIEDERN der Vereinten Nationen getroffen." 

Ausführen dürfen Beschlüsse also nur 'Mitgliedsstaaten'. Die Nato ist kein 'Mitgliedsstaat'!

Also ist auch die derzeitige Ausführung der Gewaltmaßnahmen rechtswidrig!

Dem steht auch nicht entgegen, daß es in Art. 48 Abs. 2 heißt:

"(2) Diese Beschlüsse werden von den Mitgliedern der Vereinten Nationen unmittelbar sowie durch Maßnahmen in den geeigneten internationalen Einrichtungen durchgeführt, deren Mitglieder sie sind."

Denn hier handelt es sich um Maßnahmen "in (!) den geeigneten internationalen Einrichtungen". D.h. dass diejenigen internationalen Einrichtungen, denen Libyen angehört, Maßnahme gegen Libyen als dortiges Mitglied ergreifen können. Wäre also Libyen Mitglied der Nato, könne z. B. seine Mitgliedschaft für ruhend erklärt werden o.ä.

Die Bestimmung des Art. 48 Abs. 2 besagt aber gerade  nicht, daß die "geeigneten internationalen Einrichtungen" nun nach  außen   gegen z. B. Libyen handeln dürfen.  Die Formulierung heißt "in den geeigneten internationalen Einrichtungen" und eben nicht "durch die geeigneten internationalen Einrichtungen"!

Es verbleibt vielmehr dabei, daß "Maßnahmen" ausschließlich "von ... MITGLIEDERN der Vereinten Nationen getroffen" (Art.48 Abs. 2) werden können. Die Einschaltung der Nato in die militärischen Angriffe auf Libyen stellt demnach einen weiteren gravierenden Bruch der UNO-Charta dar.

D) Hinzukommt auch noch folgendes: Artikel 46 lautet:

"Die Pläne für die Anwendung von Waffengewalt werden vom Sicherheitsrat mit Unterstützung des Generalstabsausschusses aufgestellt."

Die Tomahawk-Angriffe und die vielen sonstigen Bombardements sind NICHT in "Pläne(n) für die Anwendung von Waffengewalt  ... vom Sicherheitsrat ... aufgestellt (worden)" (Wortlaut des Art. 48).  Denn solche Pläne kamen im Sicherheitsrat nie zur Abstimmung!

Lediglich sich in Libyen vom Boden erhebende Flugzeuge durften zur Landung gezwungen - notfalls: abgeschossen - werden ("Flugverbot"). MEHR NICHT!

E) Ergebnis:

Der beantragte Beschluß über das Flugverbot für libysche Flugzeuge im eigenen Luftraum konnte mangels Bedrohung des "Weltfriedens" gar nicht wirksam getroffen werden, da ihm der Wortlaut der UNO-Charta entgegenstand (oben "A").

Als dieser Beschluß dennoch zur Abstimmung kam, scheiterte er, da er nicht alle Veto-Mächte zustimmten (oben "B") .

Ein solcher Gewaltanwendungs-Beschluß - wäre er ergangen - dürfte keinesfalls durch die Nato ausgeführt werden (oben "C").

Der beantragte Beschluß über das Flugverbot für libysche Flugzeuge im eigenen Luftraum ist mangels der erforderlichen Stimmenmehrheit gescheitert.

Die derzeitige Anwendung von Waffengewalt durch die Nato und durch verschiedene Länder wäre nur rechtens, wenn es hierüber eine entsprechende Beschlußfassung des Sicherheitsrates in Form von "Plänen" (Art. 48) gegeben hätte. Diese gibt es aber nicht (oben "D").

Der militärische Überfall auf Libyen stellt eine Verhöhnung und Entmachtung der Vereinten Nationen dar, wie sie gravierender kaum denkbar ist.

 
     
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