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  Die Vereinigten Staaten von Amerika: der unredliche Vermittler

Ungeachtet der hoch gesteckten Hoffnungen hat Barack Obama, der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Israel nicht dazu gebracht, die Errichtung von Siedlungen einzustellen

Avi Shlaim

Der israelisch-palästinensische Konflikt ist ein Schwerpunkt der amerikanischen Diplomatie seit 1967 und zugleich der Schauplatz anhaltenden Misslingens.

Es gibt viele Gründe dafür, dass Amerika beim Aushandeln eines Friedens zwischen Israel und den Palästinensern versagt, der grundlegendste ist aber, dass es ein unredlicher Vermittler ist. Als Resultat seiner augenscheinlichen Parteilichkeit gegenüber Israel hat Amerika jede Glaubwürdigkeit in den Augen nicht nur der Palästinenser, sondern auch der arabischen und muslimischen Welt verloren.

Der so genannte Friedensprozess war wohl ein Prozess, aber ohne Frieden. Friedensgespräche, die nirgends hin führen, geben Israel gerade den Deckmantel, den es braucht, um seine expansionistische Agenda in der West Bank zu verfolgen.

Das machtmäßige Missverhältnis zwischen Israel und den Palästinensern ist so groß, dass nur eine dritte Partei die Kluft überbrücken kann. Mit einfachen Worten ausgedrückt heißt das, dass Israel gedrängt werden muss, die Okkupation zu beenden und die Entstehung eines unabhängigen Palästinenserstaates auf der West Bank und im Gazastreifen zuzulassen.

In der Theorie hat Amerika sich in diesem Konflikt zu einer Zwei-Staaten-Lösung verpflichtet, hat aber in der Praxis sehr wenig unternommen, um Israel zu einer derartigen Lösung zu bewegen. Das liegt nicht daran, dass Amerika nicht über Möglichkeiten verfügen würde, Druck auf Israel auszuüben. Im Gegenteil, Israel ist entscheidend und nahezu ausschließlich abhängig von Amerikas militärischer, diplomatischer und finanzieller Unterstützung.

Amerikas finanzielle Unterstützung macht drei Milliarden Dollars im Jahr aus. Hier wäre der Hebel anzusetzen. Das wirkliche Problem ist, dass die amerikanischen Führer entweder unfähig oder nicht gewillt sind, diesen Hebel anzusetzen, um eine gerechte Lösung für diesen tragischen Konflikt voranzutreiben.

Der deprimierendste Aspekt dieser Situation liegt darin, dass ungeachtet seiner erwiesenen Unfähigkeit, Fortschritte bei den Anliegen der Palästinenser zu erreichen, Amerika sich weiterhin an seine Monopolstellung in dem Friedensprozess klammert. In der Folge des Krieges im Juni 1967 maßte sich Amerika ein fast ausschließliches Monopol über die Diplomatie rund um den arabisch-israelischen Konflikt an.

Während des Kalten Krieges war es das oberste Ziel der amerikanischen Diplomatie, die Sowjetunion, den Alliierten der radikalen arabischen Staaten, vom Friedensprozess im Mittleren Osten auszuschließen. Nach dem Ende des Kalten Krieges fuhr Amerika fort, Russland, die Europäische Union und die Vereinten Nationen an den Rand zu drängen. Die UNO hat sowohl die Autorität als auch die Pflicht, diesen Konflikt zu regeln, weil er eine Bedrohung von internationalem Frieden und Sicherheit darstellt. Die Amerikaner untergruben jedoch ihre Bemühungen und setzten routinemäßig ihr Veto im UN-Sicherheitsrat ein, um Resolutionen zu Fall zu bringen, die kritisch gegenüber Israel waren. 

Die amerikanische Geringschätzung der UNO erreichte eine neue Höhe in den beiden republikanischen Administrationen von George W. Bush. Die Haltung der Neokonservativen wird illustriert durch das folgende Gespräch zwischen einem höheren UNO-Funktionär und einem ehrwürdigen republikanischen Senator. Der Funktionär fragte: „Warum lehnt ihr Amerikaner die UNO so sehr ab? Ist es aus Ignoranz oder aus Gleichgültigkeit?” Und der Senator antwortete angeblich: „Ich weiß es nicht und es ist mir auch egal!”

Von Barack Obamas Wahl wurde weitgehend erwartet, dass sie zu eine ausgewogeneren Politik im israelisch-palästinensischen Konflikt führen würde. In seiner Rede in Kairo am 4. Juni 2009 sagte Obama, das die Beziehung zu Israel unverbrüchlich ist, aber er brachte auch tiefe Empathie für die Palästinenser zum Ausdruck und wollte, dass kein Zweifel daran bestehen sollte, dass „die Situation des palästinensischen Volkes untragbar ist. Und Amerika wird dem legitimen Streben der Palästinenser nach Würde, Entwicklungsmöglichkeit und einem eigenen Staat nicht den Rücken zuwenden.“ 

Obama ist ein begeisternder Redner. Um eine amerikanische Redewendung zu benützen, hat er zwar seine Rede gehalten, ist aber nicht den Weg gegangen. Die Rhetorik hat sich geändert, aber in der Praxis blieb mehr weiterhin beim Alten als geändert wurde. Parteilichkeit gegenüber Israel bleibt weiterhin auf der Tagesordnung und macht die Möglichkeit einer wirklich ausgewogenen Politik hinfällig.

Um fair gegenüber Obama zu sein - er erkannte von vorneherein, dass die jüdischen Siedlungen in der West Bank das Haupthindernis für den Fortschritt sind. Er gestand praktisch ein, dass es zwar einen Friedensprozess, aber keinen Frieden geben könne, wenn Israel weiterhin die Kolonisierung der West Bank betreibt. Bei seinem ersten Treffen mit Premierminister Binyamin Netanyahu am 18. Mai 1008 forderte Obama eine totale Einstellung der Besiedlung. 

Eine Woche später erklärte Außenministerin Hillary Clinton: „Der Präsident will die Einstellung der Siedlungen sehen. Nicht einiger Siedlungen, nicht der Vorposten, keine Ausnahmen für natürliches Wachstum ... das ist unsere Position ... Und wir haben die Absicht, darauf zu bestehen.“ Die Position war bewundernswert klar, aber sie und der Präsident blieben nicht darauf bestehen. Sie gingen in die Knie.

Die direkten israelisch-palästinensischen Friedensgespräche, die von Außenministerin Clinton am 2. September in Washington begonnen wurden, sind das beste, was nach diesem und weiteren Rückziehern erwartet werden konnte. Aber diese Gespräche sind ein Lehrbeispiel für Vergeblichkeit. 

Ein arabisches Sprichwort besagt, dass etwas, das unehrlich beginnt, unehrlich bleibt. Diese Friedensgespräche begannen in einer unehrlichen Weise, weil sie nicht der grundlegendsten palästinensischen Forderung entgegenkamen: einem totalen Stopp der Siedlungsaktivität.

Alles, worauf Netanyahu sich widerwillig einließ, war ein teilweiser Siedlungsstopp für die Dauer von zehn Monaten. Ausgenommen davon waren 3.000 Wohneinheiten, die bereits genehmigt worden waren sowie Ostjerusalem, das Israel illegal nach dem Sechstageskrieg im Juni 1967 annektiert hatte.

Als der Siedlungsstopp am 27. September ablief, weigerte sich Netanyahu, ihn zu verlängern. Indem er sich vor seiner Verantwortung als Premierminister drückte, forderte er einfach die Siedler auf, sich in Zurückhaltung zu üben. Eine nichtssagendere Äußerung ist kaum vorstellbar. Wie absehbar, wie die israelischen Medien berichtet hatten, sind die Bagger wieder zurück an der Arbeit auf den Baustellen der jüdischen Siedlungen in der Nähe von Nablus, Ramallah und Hebron.

Es lässt sich kein anderer Schluss ziehen: Netanyahu ist kein geeigneter Partner für die Palästinenser auf dem Weg zum Frieden. Landraub und Frieden machen gehen einfach nicht unter einen Hut und Netanyahu hat sich für ersteres entschieden.

Netanyahu ist wie ein Mann, der während er über die Aufteilung einer Pizza verhandelt, fortfährt diese zu verzehren. 

Die Position der Amerikaner ist verzagt und kläglich. Anstatt eine entschlossene Position auf der Seite der Palästinenser einzunehmen und auf der Einhaltung von Prinzipien zu bestehen, pressen sie der schwächeren Seite mehr und mehr Zugeständnisse ab. Unter diesen Umständen sind die Aussichten für ein Friedensabkommen zwischen Israel und der Palästinenserbehörde so gut wie nicht vorhanden.

Da ist kein Licht am Ende des Tunnels, nur weitere illegale Siedlungen und in der Folge mehr Unfrieden, mehr Gewalt, mehr Blutvergießen und letztlich ein neuer Krieg.

 
     
  Erschienen am 21. Oktober 2010 auf Al Jazeera > Artikel  
  Avi Shlaim ist Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Oxford  
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