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  Die Psychopathen der Macht zücken die Psychiatrie-Karte        

Chris Floyd  

Hier zwei Geschichten von entgegengesetzten Seiten des Erdballs, beide über die Methoden der Machthaber gegenüber denen, die ihre Weisheit in Frage stellen:

Geistige Gesundheit eines Soldaten im Fall WikiLeaks in Frage gestellt (AP)

China beschuldigt, eine Frau wegen Provokation von Funktionären in psychiatrisches Krankenhaus zu sperren (Guardian)

Bei dem in Frage gestellten Soldaten handelt es sich natürlich um Bradley Manning, den jungen Soldaten, der beschuldigt wird, das Video der amerikanischen Helikopter weitergegeben zu haben, die Zivilisten im Irak abknallen, und der verdächtigt wird, an der Weitergabe tausender geheimer Kriegsdokumente an WikiLeaks beteiligt zu sein. 

Manning wurde von Freunden (und dem falschen Freund, der ihn an die Behörden verraten hat) bezüglich der Motive für seine Handlungen zitiert. Er sagte ganz offen, dass er den Menschen in Amerika die wahre Natur der abscheulichen Operationen im Antiterrorkrieg zeigen wollte, die rund um den Globus von ihrer Regierung ausgeführt werden – „unglaubliche Sachen, entsetzliche Sachen.“ Einer seiner wahren Freunde sagte: „Er wollte das Richtige tun.“ In Hinblick auf die Schlächterei vom Helikopter aus sagte der Freund, der mit Manning in Kontakt gewesen war: „Er wollte damit nicht nur ein Strohfeuer entzünden ... Er wollte, dass Leute zur Verantwortung gezogen werden und wollte, dass das nicht mehr passierte.“

Diese Motive sind völlig klar, nachvollziehbar und eindeutig gesund. In der Tat weisen Mannigs Aktionen auf einen viel gesünderen und stabileren geistigen Zustand hin als die der kranken Hirne, die die Kriegsmaschinerie betreiben, die gezwungenermaßen fortlaufend die Realität in einer extrem pathologischen Weise verzerren, um – anderen und wahrscheinlich auch sich selbst gegenüber – ihre eigene mörderische, brutale Verkommenheit zu rechtfertigen.

Nichtsdestoweniger ist es Bradley Manning, der untersucht werden muss, um herauszufinden, ob er geistig „labil“ ist. Ganz klar, so ist es: er muss verrückt sein. Wie sonst würde jemand – überhaupt ein Amerikaner (noch dazu ein richtiger Amerikaner, nicht einer von denen mit, Sie wissen schon, seltsamen Namen oder dunkler Haut), und gerade ein Soldat – die Autorität herausfordern und die wohlmeinenden Führer vor den Kopf stoßen, die uns beschützen und die für uns sorgen? Für diese pathetischen Schufte, die von den Pathologien der Macht heimgesucht werden, machen Mannings Handlungen – mutig, nobel, human – buchstäblich keinen Sinn. Daher muss er geistig krank sein.

Natürlich sind hier auch einige praktische Überlegungen im Spiel. Könnte man Manning zum kriminell Geisteskranken erklären, könnte er gleich unbegrenzt eingesperrt werden – es bedürfte also keines umständlichen Gerichtsverfahrens, das noch weitere peinliche Überraschungen für unsere imperialen Denker mit sich bringen könnte.

In jedem Fall ist es gut für die Ankläger – oder sollen wir sagen, die Verfolger – Bradley Mannings, die „Option Klapsmühle” bei der Hand zu haben in dem umfassenden Arsenal der „legalen” Waffen, die sie gegen den jungen Mann zum Einsatz bringen. Auch wenn es zu einem gerichtlichen Verfahren kommt, werden diese Geschichten über Mannings „wackelige psychische Gesundheit” dazu beitragen, alle ungehörigen Aussagen zu neutralisieren, die er im Gerichtssaal machen wird. Regierungsvertreter werden bei neuen Enthüllungen mit den Achseln zucken: „Gut, was erwarten Sie denn? Er ist verrückt, nicht wahr? Er wird alles behaupten.“ Und die Massenmedien werden mitzucken. 

Wie der Guardian berichtet, pflegt auch die chinesische Führung – nach dem Modell der alten Sowjetunion in deren letzten Jahren – den selben Umgang mit Störenfrieden:

Sie schnappten Liao Meizhi an ihrem Geburtstag, zogen sie von der Straße weg in einen schmutzigen blauen Lieferwagen, während andere ihren Ehemann zurückhielten. 

Erst zwei Monate später, nachdem ein Fremder an die Tür geklopft hatte, erfuhr ihre Familie, wohin sie gebracht worden war. Der Mann sagte, er sei gerade aus einem nahe gelegenen psychiatrischen Krankenhaus entlassen worden, und Liao würde dort gegen ihren Willen festgehalten. Ihr Ehemann bleibt dabei, dass sie keine psychiatrischen Probleme hat.

Forscher glauben, dass sie zu der wachsenden Anzahl der Menschen gehört, die fälschlicherweise in psychiatrischen Einrichtungen festgehalten werden, nachdem sie mit lokalen Behörden in Konflikt geraten sind. Ein Aktivist hat eine Datenbank mit über 500 derartigen Fällen zusammengestellt. 

Einige Opfer wurden ein Jahrzehnt lang festgehalten. Diejenigen, die frei kamen, erzählen, dass sie unter Zwang behandelt wurden – mit Elektrokrampf-Therapie und starken antipsychotischen Medikamenten – gegen gesundheitliche Probleme, die sie nie gehabt hatten.

„In den letzten paar Jahren hat man immer mehr Fälle beobachten können, in denen es um Antragsteller und Whistleblowers – ‚die renitente Partie’ – ging, bei denen die Behörden mit anderen Stafmaßnahmen und Sanktionen versucht haben, sie zum Aufgeben zu bewegen und sonst nichts genützt hat,“ sagte Robin Munro, Verfasser von China´s Psychiatric Inquisition (Chinas Psychiatrische Inquisition) und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Londoner Universität. „Zuletzt versuchen sie wirklich, ihnen eine Höllenangst einzujagen, indem sie sie in psychiatrische Krankenhäuser sperren.“

Das hat gewirkt bei Jose Padilla, dem amerikanischen Bürger, der ohne Anklage auf amerikanischem Boden geschnappt und ohne Anklage Jahre lang eingesperrt wurde, in denen er willensbrechenden Foltern ausgesetzt wurde wegen seiner angeblichen terroristischen Aktivitäten. Die Anschuldigungen gegen ihn begannen mit dramatisch verbreiteten Behauptungen über gegen die Vereinigten Staaten von Amerika gerichteten nuklearen Terrorismus und endeten mit der Verurteilung des gebrochenen Mannes wegen der geringfügigeren Delikte der Hilfestellung für ausländische Gruppierungen, die in ausländische Konflikte involviert waren, weit weg von Amerika. Sogar da erklärte die zuständige Richterin, dass „es keine Beweise über Padillas Verbindung zu bestimmten terroristischen Handlungen irgendwo gibt oder dass ihre Handlungen zu Tod oder Verletzungen von irgendjemandem geführt haben“ – als sie dem Folteropfer eine Gefängnisstrafe von 17 Jahren verpasste, wie Winter Patriot berichtet. 

Manning wird vielleicht den extremen Foltern entgehen, denen Padilla unterzogen wurde, er wurde zumindest formell angeklagt und hat Zugang zu Rechtsanwälten – was Padilla jahrelang während seiner Folterung verwehrt worden ist. Aber täuschen Sie sich nicht: die verkommenen Hirne, die unser moralisch krankes Imperium beherrschen, versuchen ihn zu brechen, so oder so – als Exempel für uns alle.  

 
     
  erschienen am 8. September 2010 in EMPIRE BURLESQUE > Artikel  
     
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