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  Die Flut in Pakistan droht die Kriegspläne Washingtons zu untergraben 

Eric S. Margolis

Das Jahrhunderthochwasser, das große Teile von Pakistans landwirtschaftlichen Flächen überschwemmt hat, ist der letzte Schlag gegen die zunehmend mit Problemen belastete Politik Washingtons in – wie es jetzt bezeichnet wird – „Afpak.“

Die noch immer steigenden Fluten haben bisher 20 Millionen Pakistaner betroffen. Über 1.500 Menschen sind ums Leben gekommen, 800.000 Häuser wurden zerstört. Die Regierung Pakistans berichtet, dass 10% seiner 180 Millionen Einwohner jetzt Not leiden und 20% des pakistanischen Territoriums von den schmutzigen verseuchten Fluten überschwemmt ist. Zwei weitere Wellen von Monsunüberschwemmungen sind unterwegs. 

Mein Freund und Afghanistanexperte Arnaud de Borchgrave bezeichnet es treffend als eine biblische Katastrophe. Jetzt kommen bereits zunehmend Berichte von Cholera, die durch das verseuchte Wasser verursacht wird, das die Flüchtlinge trinken. 

Washington, das zunehmend besorgt ist hinsichtlich Pakistans Stabilität und Loyalität, stellte eilig $ 1,5 Milliarden an Hilfsmitteln zur Verfügung. Andere Länder habe auch bescheidene Hilfe versprochen, insgesamt so um die $ 230 Millionen.

Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein für Pakistan, eines der ärmsten Länder der Erde, und mit 175 Millionen Einwohnern das sechstgrößte Land nach Einwohnern gerechnet. Im Vergleich bekam das durch das Erdbeben verwüstete Haiti über $ 1 Milliarde an Hilfe. Israel bekommt über $ 3,2 Milliarden jährlich vom Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Krieg der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Afghanistan kostet mindestens $ 17 Milliarden monatlich.

Pakistan taumelte bereits vor den Überschwemmungen am Abgrund des Bankrotts. Frühere Regierungen hatten die Staatskasse geplündert. Islamabad wurde am Leben gehalten durch fortlaufende Geldinjektionen aus Washington und von durch die Vereinigten Staaten von Amerika kontrollierten Finanzinstitutionen wie Weltbank und Internationaler Währungsfonds.

Das Militär, Pakistans Schattenregierung, war mehr oder weniger von den Vereinigten Staaten von Amerika gemietet für $ 1,5 Milliarden im Jahr, plus aller geheimen Zuwendungen von der CIA und anderen Geheimdiensten. Ohne die Hilfe Washingtons würde das überschuldete Pakistan wahrscheinlich in kurzer Zeit zusammenkrachen.

Die Situation wird dadurch verschlimmert, dass Islamabads wichtige Einkommensquelle Baumwolle durch die Überschwemmungen schwer in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Wichtige Ernten von Nahrungsmitteln wurden zerstört, was bedeutet, dass Pakistan in den kommenden zwölf Monaten eine Notversorgung mit Nahrungsmitteln brauchen wird.

Die Pakistan verwüstenden Monsunüberschwemmungen hätten für Washington zu keiner ungünstigeren Zeit kommen können. Der von den Vereinigten Staaten von Amerika gegen Afghanistan geführte Krieg steckt bestenfalls in einer Pattsituation, während die Taliban und ihre Verbündeten an Stärke gewinnen.

In einem der schlimmsten Alpträume des Pentagons hat es eine in Lumpen gekleidete Macht von leicht bewaffneten paschtunischen Bauern und Teilzeitkämpfern (laut Washingtonsprech „Terroristen“) geschafft, 105.000 schwer bewaffnete, verschwenderisch ausgestattete Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika und der NATO zum Stillstand zu bringen und hat die Armeen des Westens sogar in die Defensive getrieben.

Im Basar wird bereits geflüstert, dass die westlichen Mächte in Afghanistan eine Niederlage erleiden könnten. Die New York Times brachte heute „exklusiv“ auf der Titelseite eine Geschichte, wie die CIA und der pakistanische Geheimdienst den höheren Talibanfunktionär Abdul Ghani Baradar im vergangenen Januar verhaftet haben, um geheime Friedensgespräche zwischen den Taliban, Pakistan und der Regierung Karzai in Kabul zu unterbinden.

Was die New York Times da „exklusiv” berichtete, war übrigens schon vor Monaten in dieser Kolumne zu lesen. Washington und seine Verbündeten haben sich bemüht, die Afghanen davon abzuhalten, selbst ein Ende für diesen neun Jahre dauernden Konflikt zu finden.

Jetzt gewährt Russland, die ehemalige Okkupationsmacht, den westlichen Mächten zunehmend militärische und logistische Hilfe in Afghanistan, ebenfalls der noch immer mächtigen afghanischen kommunistischen Partei. Das ist nichts neues.

Die Vereinigten Staaten von Amerika und die NATO könnten ihre Okkupation Afghanistans nicht fortsetzen ohne die pakistanischen Häfen, Nachschublager, Luftwaffenbasen, Straßen, Geheimdienste und die 140.000 gemieteten pakistanischen Soldaten.

2001 drohten die Vereinigten Staaten von Amerika Pakistan laut seinem ehemaligen starken Mann General Pervez Musharraf mit einem totalen Krieg, wenn es sich nicht an dem Kampf gegen die Taliban beteiligte und einer umfassenden Kontrolle durch die Vereinigten Staaten von Amerika zustimmte. Das Zuckerbrot: bis zu $ 15 Milliarden an Hilfe.

Es war das klassische Mafi-Angebot: „Blei oder Gold.“

Die katastrophalen Überschwemmungen in Pakistan haben jetzt dazu geführt, dass die Regierung von Präsident Asif Ali Zardari in Islamabad isoliert und von der Öffentlichkeit verachtet ist. Die Reaktion der Regierung auf das Hochwasser war kläglich und unbeholfen. Die meisten Rettungsoperationen wurden vom Militär durchgeführt, das noch immer beliebt ist. Man erwarte Anschuldigungen, dass Hilfsgelder von korrupten Regierungsvertretern gestohlen werden.  

Vor kurzem zwang Washington die Regierung Zardari, mit der militärischen Tradition zu brechen und die Dienstverträge mit dem mächtigen Generalstabschef der bewaffneten Kräfte General Ashfak Kayani und dem Geheimdienstchef Lt.General Shuja Pasha, die hoch in der Gunst der Vereinigten Staaten von Amerika stehen, um unvorhergesehene weitere drei Jahre zu verlängern. Das hat zu Unruhen in den höheren militärischen Rängen geführt, da keine Beförderungen stattfinden, und zu Unbehagen unter den Demokraten, die befürchten, dass die Vereinigten Staaten von Amerika die Absicht haben, eine neue Militätdiktatur in Pakistan an die Macht zu bringen.

Präsident Zardari machte während des Hochwassers eine schlecht angesetzte Reise ins Vereinigte Königreich und erinnerte somit die Pakistanis, dass er dort noch immer ein luxuriöses Landhaus besitzt, das er mit Geldern erworben hat, von denen Schweizer Staatsanwälte behaupteten, es handle sich um massive Schmiergelder aus der Zeit, in der seine verstorbene Frau Benazir Bhutto an der Macht war. Vor ihrem Tod sagte mir diese, das Landhaus sei mit legitimen Mitteln der Familie gekauft worden. Zardari gehört auch ein Chateau aus dem 16. Jahrhundert in der Normandie. Das Pro-Kopf-Einkommen in Pakistan beträgt nur $ 1.000 jährlich – soviel kostet eine Reinigung der Fenster von Zardaris englischem Landhaus.

Die Pakistanis waren wütend über Zardari, der es sich in Europa gut gehen ließ, während über ein Drittel des Landes im Wasser versank. Das pakistanische Parlament hat Zardari, dessen Beliebtheit im Minusbereich liegt, einen Großteil seiner wichtigen Machtbefugnisse aberkannt und sie dem freundlichen, aber schwachen Premierminister Yousaf Raz Gilani übertragen, einem weiteren gefügigen Verbündeten der Vereinigten Staaten von Amerika. 

Washington versprach einiges mehr an Hilfe, aber seine vordringliche Sorge war nicht himanitärer, sondern politischer Natur: dass islamische Hilfsorganisationen und andere muslimische Gruppierungen, die gegen den von den Vereinigten Staaten von Amerika geführten Krieg in Afghanistan waren, effiziente Hilfe zur Verfügung stellten, während die Anstrengungen des korrupten von den Vereinigten Staaten von Amerika unterstützten Regimes daneben gingen.

Diese Sorge scheint allerdings übertrieben zu sein, da 95% der Pakistanis ohnehin die Vereinigten Staaten von Amerika hassen und sie als noch größeren Feind betrachten als Indien. Islamische Gruppierungen, einige davon militant, haben effiziente humanitäre Hilfe in vielen Ländern organisiert, deren von den Vereinigten Staaten von Amerika gestützten autoritären Regierungen so gut wie nichts für ihre Einwohner tun. Das ist der hauptsächliche Grund, warum von den Vereinigten Staaten von Amerika und deren Alliierten als „Terroristen“ bezeichnete Gruppen so beliebt sind – wie etwa Hamas in Palästina, Hezbullah in Libanon und die militanten islamischen Parteien in Pakistan.

Ein weiteres blaues Auge also für Washington. Wenn Washington nicht weiterhin Milliarden nach Pakistan hineinpumpt, kann der Krieg gegen Afghanistan nicht fortgesetzt werden. Aber wie wird sich das verwüstete Pakistan je leisten können, alle die Straßen neu zu bauen, die Dämme, Bewässerungskanäle, Brücken, Fabriken und Häuser, die durch das Hochwasser zerstört worden sind? Oder seine Bevölkerung zu ernähren?

Jeder erinnert sich daran, wie die Katastrophe von New Orleans die Luft aus dem arroganten Präsidenten George W. Bush heraus gelassen hat. Zardari und seine Leute scheinen als nächste an der Reihe zu sein für die göttliche Vergeltung. 

Tragisch ist nur, dass das arme Pakistan den Preis zahlen muss.

 
     
  erschienen am 23. August 2010 auf > HUFFINGTON POST > Artikel und > ericmargolis.com > Artikel  
     
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