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  Krieg gegen den Iran – ein Kinderspiel

Philip Giraldi

Jeder, der sich Sorgen macht, dass ein weiterer Krieg im Mittleren Osten endgültig zugrunde richten könnte, was von der Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika noch übrig ist, und uns wahrscheinlich noch mehr von unseren Freiheiten wegnehmen wird, sollte beunruhigt sein ob der vielen Aufrufe zum Krieg gegen den Iran. Niemand glaubt, dass der Iran etwas anderes ist als ein Land, das einen kleinen Schritt davon entfernt ist, eine totale religiöse Diktatur zu werden, aber das Land verfügt über eine kleine Wirtschaft, ein kleines Verteidigungsbudget, und, so weit das die Geheimdienste der Welt herausfinden können, weder Atomwaffen noch ein Programm, um solche zu entwickeln. Den iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad als neuen Hitler hinzustellen und das Regime als „islamofaschistisch“ zu bezeichnen ist bequem, trifft aber kaum die Realität der komplexen politischen Interaktion, die im heutigen Iran stattfindet. Ironischerweise beruht die Abneigung gegen Teheran nicht so sehr darauf, was es tut, sondern was die Regierung dort tun könnte, schwerlich ein geeigneter Vorwand, um einen Krieg zu beginnen und ein Maßstab, an dem viele Länder scheitern würden.   

Im Kongress wird gerade eine Resolution (HR 1553) behandelt, die einen Angriff Israels gegen den Iran befürworten würde, das als Stellvertreter den Krieg beginnen würde, in den die Vereinigten Staaten von Amerika fast unmittelbar hineingezogen würden, sobald Teheran zurückschlägt. Die Resolution sieht ausdrücklich die Rückendeckung der Vereinigten Staaten von Amerika für eine Bombardierung des Iran durch Israel vor, indem sie feststellt, dass der Kongress Israel dabei unterstützt, „alle notwendigen Mittel einzusetzen ... einschließlich des Gebrauchs militärischer Kräfte.“ Die Resolution ist nicht bindend, aber sie schillert in ihrer Geringschätzung der möglichen negativen Konsequenzen, die sich ergeben würden für hunderttausende, die zur Zeit als militärisches und diplomatisches Personal der Vereinigten Staaten von Amerika in der Region tätig sind. Sogar das Pentagon ist gegen jede israelische Aktion gegen den Iran, da es weiß, dass diese sofortige Vergeltungsmaßnahmen gegen die Kräfte der Vereinigten Staaten von Amerika in Irak und auch in Afghanistan zur Folge hätte. Die Resolution ist nicht zufällig zur gleichen Zeit aufgetaucht, in der größere Artikel der führenden Neokonservativen Reuel Marc Gerecht und Bill Kristol militärische Schritte fordern. Beide, Gerecht und Kristol behaupten steif und fest, dass Handeln seitens Israels oder der Vereinigten Staaten von Amerika besser wäre als Nichtstun, und beide spielen die Fähigkeit des Iran zu effektiven Gegenangriffen herunter. Man denke daran, dass beide, Gerecht und Kristol, in der Vergangenheit dramatisch geirrt haben, besonders in ihrer Beurteilung der Entwicklungen im Irak.

Kristol ist ein Angeber, ein außenpolitischer Möchtegern, der die Politik in sein Strauss´sches Weltbild verpackt. Gerecht, der ziemlich viel über den Iran und dessen Innenpolitik weiß, ist der gefährlichere von den beiden, weil er sein Wissen einsetzen kann und dieses in den Artikel einstreut, um glaubwürdig zu erscheinen. Aber wie so oft bei den Neokonservativen basiert das Denken auf falschen Annahmen, optimistischen Einschätzungen und Gedankenakrobatik darüber, was alles geschehen könnte. Man erinnere sich nur an die neokonservativen Vorhersagen eines „Kinderspiels“ im Irak, eines Krieges, in den noch immer zehntausende Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika verwickelt sind und in dem fast jeden Tag Amerikaner ums Leben kommen.  

Seinen Artikel unter der Überschrift „Sollte Israel den Iran bombardieren? – Besser sicher als traurig“ beginnt Gerecht mit drei Absätzen, in denen er ausführt, was passieren könnte, wenn der Iran angegriffen wird, etwa Angriffe auf Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika, Ölpreisschock, weltweite terroristische Angriffe, Aufstand in der muslimischen Welt, sowie eine besondere Eile des Iran, eine Atomwaffe zu entwickeln, um sich selbst zu verteidigen. Er kommt allerdings zum Schluss, dass „diese Ängste weitestgehend übertrieben sind.“

Warum Gerecht glaubt, der iranische Gegenschlag werde nur minimal sein, wird nicht ganz klar, aber er erklärt auf den folgenden sieben Seiten, warum ein Angriff auf den Iran ein positiver Schritt sein könnte. Er vertritt die Auffassung, dass die Bombardierung des Iran „die einzige sinnvolle Maßnahme bleibt, um das iranische Atomprogramm zu verhindern oder ernsthaft zu verzögern ...“ Bombardierung würde auch die „Traumatisierung Teherans“ bewirken. Er führt einen zweiten Grund an für die Durchführung eines Angriffs, sein Argument, dass „der Iran bereits den Terrorismus gegen Israel und die Vereinigten Staaten von Amerika begrüßt habe“ und dass sein Regime das „rücksichtslose Töten“ von Juden unterstützt. Er nimmt an, dass der Iran um jeden Preis eine Atomwaffe bekommen will und diese gegen die Israelis einsetzen würde, „die mit der erbarmungslosen Machtpolitik des Mittleren Ostens leben müssen ...“ oder sie an terroristische Gruppierungen weitergeben würde, um das selbe Ziel zu erreichen. Gerecht empfiehlt, Israel solle den Iran angreifen, um „das System zu erschüttern“ und das Regime „das Gesicht verlieren“ und eine militärische Niederlage erleiden zu lassen, die fatale Folgen für dessen Überlebensfähigkeit haben würde. Er kommt zum Thema zurück, indem er auf seltsame Weise erwähnt, das „die Angst der Amerikaner vor dem iranischen Potential im Irak und in Afghanistan übertrieben worden ist“ und dann scharfe Kritik auffährt gegen „einen hässlichen antiisraelischen Reflex“ bei vielen Europäern, wenn Israel zu tödlicher Gewalt greift, um sich selbst zu verteidigen.  

Gerecht macht zwei Sachen. Zum Ersten ignoriert er völlig die Rolle, die Israel gespielt haben könnte bei der Schaffung seiner misslichen Lage gegenüber dem Iran und seinen Nachbarn. Israel ist für ihn immer das Opfer und nie der Anstifter, was heißt, dass alles, was Israel macht, immer Selbstverteidigung und gerechtfertigt ist. Zum Zweiten geht er davon aus, dass der Iran offenkundig böse ist und immer die verabscheuungswürdigste Option für sein eigenes Verhalten wählen wird, während er gleichzeitig nur von den besten Motiven und den besten Zielen jeder israelischen oder amerikanischen Militäraktion ausgeht. Er ignoriert die Tatsache, dass der Iran kein Atomwaffenprogramm hat und geht davon aus, dass Teheran bereit ist, die enormen Kosten und das Risiko zu tragen, eine Atomwaffe zu entwickeln und gegen Israel einzusetzen oder an Terroristen zu übergeben, obwohl das den nationalen Selbstmord bedeuten würde. Reflexartig beurteilt er jede Gruppierung im Mittleren Osten, die gegen Israel ist, als terroristisch und reiht sie ein unter die Feinde Washingtons wie Israels, egal ob sie tatsächlich Attacken gegen die Vereinigten Staaten von Amerika geführt hat oder nicht. Wenn der Iran auf die Bombardierungen reagiert, schreibt er, ist „es ohne weiteres möglich, dass Khamenei nach einem israelischen Angriff Terrorismus gegen die Vereinigten Staaten von Amerika einsetzt,“ eine asymmetrische Reaktion ausgehend von den vorhandenen Ressourcen, die viele als Selbstverteidigung gegen einen Angreifer betrachten würden, die Gerecht aber als Terrorismus ablehnt. Gerecht lehnt jede gerechtfertigte Kritik an den Aktionen des Staates Israel als antisemitisch oder „hässlich“ ab.

Die Realität sieht so aus, dass ein israelischer Angriff gegen den Iran einen totalen Krieg in der Region auslösen wird, der schnell die Vereinigten Staaten von Amerika mit einbeziehen wird. Er mag die technischen Möglichkeiten des Iran, eine Atomwaffe zu bauen, zunichte machen oder auch nicht, und er würde ganz gewiss diesen Prozess beschleunigen. Er würde nicht die iranische Regierung stürzen und Reformer an die Macht bringen, die Israel und die Vereinigten Staaten von Amerika freudig willkommen heißen. Er würde extrem hässlich werden, würde keinerlei Probleme im Mittleren Osten lösen und zehntausende unschuldige Menschen töten, wenn nicht mehr. Er könnte leicht zum Einsatz von Atomwaffen durch die Vereinigten Staaten von Amerika oder Israel führen. Die Neokonservativen tun sich leicht damit, die möglichen Nachteile nicht ernst zu nehmen, während sie die Vorteile anpreisen, die sie sehen, nämlich Israel dadurch zu schützen, dass das Atomprogramm des Iran beschädigt wird und möglicherweise ein Regimewechsel zustande kommt. Wir haben jedoch in der Vergangenheit schon zu oft gesehen, wie sich die Neokonservativen irren können – man denke nur an das „Kinderspiel“, das der Irak vor sieben Jahren war und noch immer ist. Ein neuer Krieg im Mittleren Osten wäre eine totale Katastrophe für den Iran, für die Vereinigten Staaten von Amerika, und sogar auch für Israel. Er muss um jeden Preis vermieden werden. 

 
     
  Erschienen am 5. August 2010 auf > http://www.antiwar.com > http://original.antiwar.com/giraldi/2010/08/04/a-cakewalk-against-iran/  
     
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