Jacob G. Hornberger

Bei der vor kurzem erfolgten Verurteilung von Walter Kendall Myers und seiner Gemahlin Gwendolyn gab U.S.-Bezirksrichter Reggie Walton bekannt, er sei „perplex“ ob der Behauptung der Myers, sie hätten nicht die Absicht gehabt, die Vereinigten Staaten von Amerika zu schädigen, als sie geheime Dokumente an Kuba weitergaben. Er sagte dem Paar, sie verdienten eine harte Bestrafung für den Verrat, den sie gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika begangen hatten. 

Wie ich in einem Artikel im vergangenen November schrieb, bekannten sich Myers, der für das Außenministerium arbeitete, und seine Frau schuldig, seit rund 30 Jahren für Kuba zu spionieren. Entsprechend einer Vereinbarung im Strafprozess verurteilte Walton den Mann zu lebenslänglichem Gefängnis ohne die Möglichkeit der bedingten Entlassung und die Frau zu sieben Jahren Gefängnis.

Ohne Zweifel hat der gute Richter die gleiche geistige Verfassung, die leider so viele Amerikaner heimsucht – eine, die die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und unser Land in einen Topf wirft. Für diese Leute ist das alles ein großes unbestimmtes Ganzes. Wenn du geheime Information aus den Akten der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika enthüllst, dass heißt das in ihren Hirnen zwangsläufig, ganz automatisch, dass du dein Land verrätst.

Diese Einstellung kommt gerade wieder einmal zu Tage anlässlich der Offenlegung dieser geheimen Dokumente aus dem Pentagon in WikiLeaks. Leute wie Walton sagen, dass durch die Veröffentlichung geheimer Dokumente, die der Regierung gehören, WikiLeaks die Vereinigten Staaten von Amerika geschädigt hat.

Ein anderes Beispiel war die Weitergabe der Pentagon-Papiere durch Daniel Ellsberg, den ehemaligen Angestellten im Pentagon, an die New York Times. Präsident Nixon vertrat den Standpunkt, Ellsberg habe sein Land verraten durch die Enthüllung geheimer Dokumente, die das Pentagon in Verlegenheit brachten. Ich möchte wissen, ob Walton, der vom republikanischen Präsidenten George W. Bush auf seinen Posten berufen wurde, sich unter denen befindet, die glauben, dass Ellsberg sein Land verraten hat, indem er die Lügen und Fälschungen des Pentagon den Menschen in Amerika enthüllte.   

In Wirklichkeit sind die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und unser Land zwei getrennte und verschiedene Gebilde. Dieses Phänomen wird in der Tat bestätigt durch den Katalog der Grundrechte, der ausdrücklich das Land vor der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika schützt.  

Was Walton offenbar im Urteil zu erwähnen vermied und was die Regierung offensichtlich durch die Vermeidung einer Verhandlung hintanhalten wollte, war die Natur der Information, die die Myers Kuba zukommen ließen. Offensichtlich war für Walton und die Funktionäre der Vereinigten Staaten von Amerika die Natur der Information irrelevant. Alles was zählte war, dass es sich um Information handelte, die die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika geheim halten wollte. Das genügte, um aus den Myers schlechte Menschen – Verbrecher – zu machen, Menschen, die ihr Land verraten haben.

Myers selbst machte eine deutliche Äußerung in seiner zehn Minuten langen Erklärung vor dem Richter, eine Äußerung, die den Richter wohl noch perplexer gemacht haben muss. Myers sagte, „die Menschen in Kuba fühlen sich bedroht“ und „sie haben gute Gründe, sich bedroht zu fühlen“ – von der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika.

Es ist ganz und gar unmöglich, dass die Informationen, die die Myers an Kuba weitergaben, mit kubanischen Plänen zu tun hatten, die Vereinigten Staaten von Amerika anzugreifen, zu erobern oder zu okkupieren, aus dem einfachen Grund, dass Kuba niemals solche Pläne hatte.

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Es ist die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die seit 50 Jahren eine obsessive Kampagne gegen die kubanische Regierung und die Menschen in Kuba betreibt, einschließlich eines brutalen wirtschaftlichen Embargos, das die Lebensadern der Kubaner abgedrückt hat, Mordversuchen, Invasionsversuchen, Putschversuchen, und wer weiß, was sonst noch?

Mit anderen Worten, es ist die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika, die einen unmoralischen aggressiven Krieg gegen ein unabhängiges, souveränes Regime geführt hat, ausschließlich um die Regierung Castros zu entmachten und sie durch ein pro-U.S.-Regime zu ersetzen, wie sie es in Iran, Irak, Guatemala, Afghanistan und vielen anderen Ländern gemacht hat.

Warum die Feindseligkeit gegen Fidel Castro? Nein, die beruht nicht darauf, dass er ein Sozialist ist. Immerhin glaubt der normale Beamte der Vereinigten Staaten von Amerika – vielleicht sogar Richter Walton selbst – an die gleichen sozialistischen Programme, die Castro befürwortet, wie soziale Sicherheit, Medicare, Medicaid, öffentliche Schulen, Sozialhilfe für die Armen, Einkommensbesteuerung und so weiter.

Nein, der Grund, aus dem sie Castro hassten, seit er 1959 an die Macht kam – der Anlass für ihre Jahrzehnte lange Besessenheit gegenüber Kuba – ist, dass Castro sich geweigert hat, vor dem Imperium der Vereinigten Staaten von Amerika auf die Knie zu fallen. Er weigerte sich, Kuba zu einem Vasallenstaat des Imperiums der Vereinigten Staaten von Amerika zu machen, wie es sein Vorgänger Batista gemacht hat. Das ist es, was Castro und den kubanischen Menschen die anhaltende Feindschaft des Imperiums der Vereinigten Staaten von Amerika eingetragen hat.

Es ging also nicht darum, dass die Myers Castros sozialistische Philosophie teilen, das tun auch die meisten anderen Beamten der Vereinigten Staaten von Amerika. Ihr Verbrechen bestand darin, dass sie ihrem Gewissen folgten, indem sie enthüllten, was Informationen sein mussten über das nie endende, besessene Streben der Regierung der Vereinigten Saaten von Amerika nach einem Regimewechsel in Kuba.

In den Hirnen der Funktionäre der Vereinigten Staaten von Amerika spielt das alles offensichtlich keine Rolle. Alles, was das Imperium der Vereinigten Staaten von Amerika macht, hat automatisch als gut angesehen zu werden, und jeder, der Informationen über die Angriffskriege, Folterungen, geheimen Gefängnisse, Verletzungen der Menschenrechte, Vergewaltigungen, Embargos, Sanktionen, Invasionen, Morde und Okkupationen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika enthüllt, ist automatisch als schlecht zu betrachten.

Die Myers wären besser davon gekommen, hätten sie ihre Informationen an die New York Times weitergegeben anstatt an Kuba. Zumindest könnten dann die Menschen in Amerika, und nicht nur die kubanischen Beamten, die die Informationen erhalten haben, sehen, was ihre Regierung betrieben hat.