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Britischer
Premierminister will die Beziehung mit den Vereinigten
Staaten von Amerika neu bewertet haben Eric Margolis Paris Nationen haben keine ständigen Freunde und keine ständigen Feinde. Nur ständige Interessen, lautet der berühmte Ausspruch des britischen Lords Palmerston im 19. Jahrhundert. Im Widerspruch zu Palmerston verkündete Winston Churchill später eine besondere Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, einen unverbrüchlichen Bund der Brüderlichkeit, Loyalität im Krieg und eine Freundschaft, die über die Politik hinaus geht. Dieser transatlantische Mythos hat seitdem beide Nationen nicht mehr losgelassen. Großbritanniens neuer 43 Jahre alter Führer, der Konservative David Cameron, hat festgestellt, er wolle die Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich neu bewertet und pragmatischer gestaltet haben. In einer scharf pointierten Anspielung auf die Ära des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair forderte der neu bestellte konservative Außenminister William Hague, die angloamerikanischen Beziehungen sollten reell sein, nicht sklavisch. Im vergangenen Monat schlug eine parlamentarische Mehrparteienkommission vor, mit dem Gebrauch des Begriffs besondere Beziehung Schluss zu machen und die unausgeglichenen (sprich: einseitigen) Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Vereinigten Königreich neu zu bewerten. Der neue britische Vize-Premierminister, der Liberaldemokrat Nick Clegg, sagte, die Zeit der gedankenlosen Unterordnung unter die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika sei vorbei. Clegg war schon lange gegen die britische Beteiligung an den Kriegen in Afghanistan und Irak und gegen Washingtons einseitige Nahostpolitik. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Barack Obama, der sich mehr für Sachthemen interessiert als für Persönlichkeiten, hat sich auch nicht mehr so sehr an die Churchill´sche Mythologie der ewigen angloamerikanischen Bruderschaft gehalten und auf mehr Pragmatismus in den atlantischen Beziehungen gedrängt. Nachdem Obama sein Amt angetreten hatte, gab er Anweisung, die Büste von Churchill aus dem Oval Office zu entfernen. Premierminister Gordon Brown wurde in Washington eher kühl empfangen. Es war keine Kränkung, wie die britischen Medien heulten. Obamas Aufmerksamkeit war anderswo, nämlich in Afghanistan, im Nahen Osten, Indien und China. Das Vereinigte Königreich fällt aus Washingtons Gunst, da es nicht mehr länger so nützlich ist wie in der Vergangenheit. Camerons neue Regierung muss schnellstmöglich $ 240 Milliarden bei den Ausgaben kürzen, um nicht eine Finanzkrise wie Griechenland zu riskieren. Es wird tiefe Einschnitte bei den Militärausgaben geben, eingeschlossen bei Flugzeugträgern, Unterseebooten, Atomwaffen, Transportflugzeugen und Geld für das Kriegführen in Afghanistan. Die kleine, aber hart kämpfende britische Armee ist zum Elite-Handlanger der imperialen Truppen der Vereinigten Staaten von Amerika im Ausland geworden und spielt die gleiche Rolle, die Nepals grimmige Gurkhas in den Kolonialarmeen des Britischen Reichs gespielt haben. Aber diese Zeiten sind vorbei. Viele Briten, darunter Konservative, waren entsetzt über Tony Blairs Unterwürfigkeit und Speichelleckerei gegenüber Präsident Bush und dessen dreisten Lügen. Stolze Briten schmerzte es zu hören, dass Blair als Bushs Pudel bezeichnet, von den Franzosen und Deutschen als Stiefellecker verspottet und als amerikanischer Schützling gehandelt wurde. Viele Europäer teilten DeGaulles Ansicht, das Vereinigte Königreich sei ein trojanisches Pferd, das die Aufgabe habe, die Einheit Europas zu sabotieren. Das Vereinigte Königreich war in der Tat quasi ein Protektorat der Vereinigten Staaten von Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Vereinigten Staaten von Amerika betreiben in Großbritannien wichtige Luftwaffenstützpunkte mit Atomwaffenlagern und weitreichenden Radaranlagen. Es heißt, dass das britische Atomwaffenarsenal, das mit geheimer Unterstützung der Vereinigten Staaten von Amerika entwickelt wurde, nur mit der Genehmigung Washingtons eingesetzt werden dürfe. Das britische Militär ist abhängig von Informationen der Vereinigten Staaten von Amerika, von Material und technischer Unterstützung. Das Vereinigte Königreich hätte wahrscheinlich den Falklands-Krieg verloren ohne Washingtons geheime Lieferung von hoch entwickelten Sidewinder Luft-Luft-Raketen. Die Welt hat sich geändert. 1904 prophezeite der deutsche Kaiser Wilhelm II., in 50 Jahren werde das mächtige britische Weltreich zwischen den Schwergewichten Amerika und Russland zermalmt. 1914 beherrschte das britische Empire ein Viertel der Erde. Zwei vom Erzimperialisten Winston Churchill befürwortete Weltkriege und der Aufstieg der amerikanischen und sowjetischen Macht machten dem britischen Weltreich, in dem die Sonne nie unterging, den Garaus. Das Ende der imperialen Ära des Vereinigten Königreichs war 1956 gekommen, als der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika Dwight D. Eisenhower Großbritannien (und dessen Verbündeten Frankreich und Israel) befahl, ihren Einmarsch in Ägypten zu beenden oder von Amerika in den Bankrott getrieben zu werden. Großbritannien bleibt eine wichtige Mittelklassemacht. Laut Geopolitiker Zbig Brzezinski bildet Großbritannien für die amerikanische Macht eine Schwelle zum europäischen Kontinent, wie Japan zu Asien. Die neue Koalition Cameron-Clegg wird weiterhin die Vereinigten Staaten von Amerika favorisieren, und nicht die Europäische Union, deren halbherziges Mitglied das Vereinigte Königreich ist. Die Tage, in denen die Beziehung zwischen dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika durch die rosarote Brille von Emotionen und patriotischer Propaganda gesehen wurde, sind allerdings vorbei. Lord Palmerston hatte ganz recht. |
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erschienen am 16. Mai 2010 in der TORONTO SUN > http://www.torontosun.com/comment/columnists/eric_margolis/2010/05/14/13956366.html | ||||||||||||||||||
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