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  Erdrückende Schulden - eine griechische Tragödie

Der Wiederaufbau der Wirtschaft des Landes bei gleichzeitiger Verhinderung der Ausbreitung der Seuche in der EU wird eine herkulische Anstrengung erfordern 

Eric Margolis

Der fünfte Auftrag des griechischen Sagenhelden Herkules bestand in der Reinigung der Ställe des Augias, die dreißig Jahre nicht mehr ausgemistet worden waren. Er löste diese Aufgabe, indem er zwei Flüsse umleitete und zog dann weiter, um die Olympischen Spiele zu gründen.

Die heutigen Finanzen Griechenlands sind auch so ein Augiasstall. Es besteht Gefahr, dass dadurch eine Finanzkrise ausgelöst wird, die fast gleich gefährlich ist wie der Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008.

Der neue sozialistische griechische Ministerpräsident George Papandreou wird Stärke und Verstand des Herkules brauchen, um die griechische Wirtschaft wieder auf die Beine zu bringen und zu verhindern, dass ihre Krise auf andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union überschlägt.

Griechenland ist reich an Menschen, aber arm an Regierung. Die Griechen sind ein sehr kluges, zähes, hart arbeitendes Volk. Wenn Griechen sich anderswo niederlassen, tun sie sich hervor. 

Aber daheim, in der Wiege der Demokratie, standen die Griechen lange unter dem Fluch korrupter Regierungen, politischer Stammeskämpfe, gegenseitiger Verdächtigungen und zwielichtiger Finanzen. Das selbe trifft auch auf einige Länder auf dem Balkan und, bis vor kurzem, auf Irland zu.

Viele Europäer meinten, Griechenland hätte nie in die EU oder später in die Eurozone aufgenommen werden sollen. Bulgarien, Rumänien und der griechische Teil Zyperns waren in ähnlicher Weise noch nicht so weit. Es stellt sich heraus, dass Griechenland die Kriterien für die Aufnahme in die EU durch die Fälschung seiner Bücher erfüllte.

Griechenlands abwechselnd konservative und sozialistische Regierungen sind verantwortlich für seine Dritte-Welt-Finanzsituation. Ein Drittel der griechischen Werktätigen sind von der Regierung angestellt. Widerspenstige Gewerkschaften der öffentlich Bediensteten drohen mit lähmenden Streiks und Unruhen, wenn sie nicht mit 61-63 Jahren mit vollen Bezügen in Pension gehen können und großzügige Gehälter und lange Urlaubszeiten bekommen.

Lustigerweise geben die Hälfte der griechischen Steuerzahler Einkommen unter 12.000 Euros (ca. $17.100 Cdn) an und zahlen keine Steuer. Griechische Geschäfte sind Meister in der Steuervermeidung. Die Korruption blüht uneingeschränkt.

Wie U.S.-Präsident Barack Obama erbte Premierminister Papandreou einen gewaltigen finanziellen Sauhaufen von der vorhergehenden konservativen Regierung. Diese Piraten der Ägäis hatten behauptet, Griechenlands Defizit betrage nur 3,7% des BNP und entspreche daher den Regeln der EU. 

Die Zahlen waren betrügerisch. Das wirkliche Budgetdefizit Griechenlands betrug mindestens 12,7%. Athen hat Milliarden in Anleihen aufgenommen, die es nicht zurückzahlen kann.

Mit Abscheu erfahren wir auch, dass Goldman Sachs (um alle Karten aufzudecken – auch ich bin ein ehemaliger Kunde) laut Berichten Griechenland geholfen hat, seine Schulden in undurchsichtigen Derivaten zu verstecken. Wall Street verursachte also nicht nur die derzeitige Finanzkrise, die New Yorker Geldverleiher exportierten ihre bösartige Chemie auch rund um den Erdball.

Europas schwache finanzielle Geschwister – Portugal, Italien, Irland und Spanien (bekannt unter der häßlichen Abkürzung PIIGS) – riskieren eine Ansteckung durch die Krise Griechenlands. Ihre Schulden sind viel zu hoch und das finanzielle Berichtswesen höchst unzuverlässig. Auch für das Vereinigte Königreich, einen weiteren bedeutenden finanziellen Übeltäter, zeichnet sich sein eigener Tag der Abrechnung drohend ab. 

Inzwischen hatte Papandreou die Hybris (ein gutes griechisches Wort, das ähnliches bedeutet wie Chutzpe) zu verlangen, die EU solle Athens Schulden bezahlen.

Die griechischen Götter zerstören diejenigen, die der Hybris verfallen.

Die Großkopferten der EU Deutschland und Frankreich werden Griechenland retten müssen. Ihre Wähler sind allerdings ähnlich wie die Amerikaner empört über die steigende Staatsverschuldung.

Umfragen zeigen, dass 70% der sparsamen Deutschen und viele Franzosen gegen die Rettung der verschwenderischen Griechen sind. Kanzlerin Angela Merkel fragte richtig, warum die Deutschen, die erst mit 67 Jahren in Pension gehen können, die griechischen Arbeiter freikaufen sollen, damit diese mit 61 in Pension gehen können.

Russlands Ministerpräsident Vladimir Putin bemerkte mit einem Blinken in seinen eiskalten Augen, dass Amerika nicht besser ist als Griechenland bei der Bewältigung seines finanziellen Schlamassels. In beiden Fällen ließ eine angeblich konservative Regierung massiven finanziellen Betrug zu und hinterließ einen Augiasstall an Schulden.

Putins Kommentar ist interessant. Russland hat die viertgrößten Geldreserven der Welt. Es wäre vorstellbar, dass Moskau Griechenland rettet und auf diese Weise seinen Einfluss auf dem Balkan wieder herstellt. Das wäre ein wirklich strategischer Streich.

Am Ende werden Frankreich und Deutschland ihre Nasen zuhalten und irgendwie für Griechenlands Schulden-Olymp gerade stehen müssen, auch wenn das gegen die Bestimmungen der EU ist – oder riskieren, dass sich die finanzielle Seuche ausbreitet. Die Krise schadet dem Euro und unterminiert die ganze Europäische Union.

Wenn die Krise Italien, Spanien und andere mediterrane Bösewichter befällt, wird´s brenzlig. Viele Europäer wollen, dass die unartigen Griechen aus der Eurozone und vielleicht auch aus der EU hinausgeworfen werden. Weitere Delinquenten könnten folgen.

 
     
  erschienen am 21. Februar 2010 in der TORONTO SUN > http://www.torontosun.com/comment/columnists/eric_margolis/2010/02/19/12948126.html  
     
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