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  Auf Marx und Lenin zurückgekommen

Paul Craig Roberts

“Kapital ist tote Arbeit, die wie ein Vampir nur davon lebt, lebende Arbeit auszusaugen, und umso besser lebt, je mehr Arbeit sie aussaugt.” – Karl Marx

Wenn Karl Marx und Wladimir Iljitsch Lenin heute lebten, wären sie sicher führende Anwärter auf den Nobelpreis für Wirtschaft.

Marx sagte die wachsende Not der arbeitenden Menschen voraus und Lenin sah die Unterordnung der Produktion von Gütern unter die Anhäufung von Profiten des Finanzkapitals voraus, die auf dem Kauf und Verkauf von Papierwerten beruhen. Ihre Voraussagen sind den „Risikomodellen“ weit überlegen, für die der Nobelpreis vergeben wurde und haben mehr mit dem Geld zu tun als die Vorhersagen von Zentralbankchefs, U.S.-Finanzministern und Nobel-Ökonomen wie Paul Krugman, die glauben, dass die Wirtschaftskrise mit mehr Krediten und mehr Schulden zu lösen ist. 

In diesem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gab es keinen Anstieg der realen Einkommen der arbeitenden Amerikaner. Es gab einen deutlichen Verfall ihres Vermögens. Im 21. Jahrhundert erlebten die Amerikaner zwei gravierende Börsenkrisen und die Entwertung ihres Immobilienbesitzes. 

Einige Studien sind zum Ergebnis gekommen, dass die realen Einkommen der Amerikaner, mit Ausnahme der Finanzoligarchie der Superreichen, unter denen der 1980er und sogar der 1970er Jahre liegen. Ich habe diese Studien über Familieneinkommen nicht danach untersucht, ob sie durch den Anstieg der Scheidungen und den größeren Anteil von Alleinerzieherhaushalten beeinflusst sind. Jedenfalls ist es ganz klar, dass in den letzten zehn Jahren das Einkommen der Haushalte zurückgegangen ist.  

Der Hauptgrund für diesen Abstieg ist die Auslagerung von hochwertigen U.S.-Arbeitsplätzen. Sowohl Arbeitsplätze in der Produktion als auch professionelle Dienstleistungen wie Softwareprogrammierung und Informationstechnologie wurden in Länder mit zahlreichen und billigen Arbeitskräften verlegt.

Die Ausradierung von Mittelklasse-Arbeitsplätzen wurde verschleiert durch den Anstieg bei Konsumkrediten. Als die Einkommen der Amerikaner zu wachsen aufhörten, wuchsen die Konsumkredite, um an die Stelle des Ansteigens der Einkommen zu treten und die Nachfrage der Konsumenten steigen zu lassen. Im Gegensatz zum Einkommenswachstum bei den Konsumenten infolge von Produktionswachstum gibt es eine Grenze bei der Expansion der Schulden. Wenn diese Grenze erreicht wird, hört die Wirtschaft zu wachsen auf.  

Die Verarmung der arbeitenden Menschen war nicht das Ergebnis von schlimmeren Krisen durch die Überproduktion von Gütern und Dienstleistungen, sondern der Macht des Finanzkapitals, die Produktion für die heimischen Märkte in fremde Länder zu verlagern. Der Druck der Wall Street, einschließlich der durch Übernahmen ausgeübte Druck zwang amerikanische Hersteller, „die Einkommen der Shareholder (Aktienbesitzer) zu steigern.“ Das wurde durch den Ersatz amerikanischer Arbeitskräfte durch billige ausländische Arbeit erreicht.

Firmen verlegten oder verlagerten ihre Produktionsstätten ins Ausland und trennten dadurch die Einkommen der Amerikaner von der Produktion der Güter, die sie konsumieren. Der nächste Schritt in diesem Prozess nützte die Vorteile des Hochgeschwindigkeits-Internets, um professionelle Dienstleistungen etwa im Softwarebereich ins Ausland zu verlagern. Der dritte Schritt brachte die Ersetzung der verbleibenden heimischen Arbeitskräfte durch ausländische Arbeitskräfte, die auf der Basis von H-1B, L-1 und anderen Arbeitsvisas um ein Drittel der Löhne arbeiten.

Dieser Prozess der Zerstörung der Arbeitsaussichten der Amerikaner wurde abgedeckt von „Freier Markt“-Wirtschaftswissenschaftlern, die von solchen Firmen Subventionen bekamen als Gegenleistung für Propaganda, die Amerikaner würden von einer „Neuen Wirtschaft“ auf der Grundlage von finanziellen Dienstleistungen profitieren, und durch Lockvögel im Bildungsgeschäft, die Arbeitsvisas für Ausländer mit der Lüge rechtfertigten, dass Amerika zu wenige Ingenieure und Wissenschaftler hervorbringe. 

In Marx´s Tagen war Religion das Opium der Massen. Heute sind es die Medien. Sehen wir uns die Medienberichterstattung an, die es der Finanzoligarchie ermöglicht, die Menschen zu täuschen.

Die Finanzoligarchie veranstaltet einen Medienrummel um eine Erholung, während in Amerika Arbeitslosigkeit und Zwangsräumungen ansteigen. Der Schwindel verdankt seine Glaubwürdigkeit den hohen Stellen, von denen er kommt, den Problemen bei der statististischen Erfassung der Arbeitsplätze, die die Zahl der Arbeitsplätze zu hoch angibt und das Abtauchen aller amerikanischen Arbeitslosen, die länger als ein Jahr ohne Arbeitsplatz sind, in die Versenkung.

Am 2. Oktober berichtete der Statistiker John Williams von shadowstats.com, dass das Büro für Arbeitsmarktstatistik (BLS) eine vorläufige Schätzung der Korrektur seiner jährlichen Prognose für 2009 angekündigt hat. Das BLS hat herausgefunden, dass etwa eine Million Arbeitsplätze zuviel angegeben wurden. John Williams glaubt, dass es zwei Millionen sind. Er berichtet, dass aufgrund „der Geburten-/Sterbestatistik zur Zeit (illusorische) etwa 900.000 Arbeitsplätze im Jahr zusätzlich zu den statistischen erfassten Arbeitsplätzen gerechnet werden.“ 

Die Zahl der nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsplätze steht immer an erster Stelle. Williams glaubt jedenfalls, dass die Haushaltserhebung im Bereich der Arbeitslosigkeit statistisch besser dasteht als die Erhebung der Arbeitsplätze. Das BLS war nie imstande, die Unterschiede in den Ergebnissen der beiden Erhebungen des Arbeitsmarkts zu erklären. Am letzten Freitag betrug die Zahl der verlorenen Arbeitsplätze für den Monat September 263.000. Die Haushaltserhebung allerdings ergab 785.000 verlorene Arbeitsplätze im Monat September.  

Die Arbeitslosenrate von 9,8% wird anhand bestimmter Kriterien gemessen und untertreibt die Arbeitslosigkeit bei weitem. Die zuständigen Regierungsagenturen wissen das und geben eine andere Arbeitslosenquote unter dem Titel U-6 bekannt. Diese steht für die Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika im September 2009 bei 17%. 

Wenn die Langzeitarbeitslosen in die Zahl der Arbeitslosen einbezogen werden, steht die Arbeitslosenrate im September 2009 auf 21,4%.

Die Arbeitslosigkeit amerikanischer Bürger dürfte noch höher sein. Wenn Microsoft oder andere Firmen ein paar tausend amerikanische Arbeiter durch Gastarbeiter mit H-1B Visas ersetzen, berichtet Microsoft keine Verminderung der Zahl der Arbeitsplätze. Dennoch sind tausende Amerikaner ohne Arbeitsplatz. Multipliziert man die Zahl der U.S.-Firmen, die „Body Shops“ benützen, um ihre amerikanischen Arbeitskräfte durch billige Arbeitskräfte Jahr für Jahr zu ersetzen, ergibt auch das hunderttausende arbeitslose Amerikaner, die nicht in der Statistik aufscheinen.

Es liegt auf der Hand, dass mit mehr als einem Fünftel der amerikanischen Arbeitskräfte in der Arbeitslosigkeit und dem Rest versunken in Hypothekar- und Kreditkartenschulden von einer wirtschaftliche Erholung keine Rede sein kann.  

Was passiert, ist dass die Hunderte Milliarden Dollars, die die großen Banken zur Unterstützung bekommen haben und die Billionen Dollars, die der Notenbank zur Verfügung gestellt worden sind, in den Aktienmarkt geflossen sind und dort eine weitere Blase geschaffen haben, weiters in die Akquisition kleinerer Banken durch Banken, „die zu groß sind um pleite gehen zu können.“ Das Ergebnis ist eine höhere Konzentration der Finanzen.

Die Ausweitung der Schulden, auf der diese Blase beruht, hat das Vertauen in den U.S.-Dollar als Reservewährung weiter untergraben. Wenn der Dollar zu rutschen beginnt, werden in Panik geratene Politiker die Zinssätze erhöhen, um die Kreditfähigkeit der U.S.-Staatskasse zu schützen. Wenn der Zinssatz steigt, werden die Reste der U.S.-Wirtschaft baden gehen.

Wenn die Regierung kein Geld zu leihen bekommt, wird sie Geld drucken, um ihre Rechnungen zu bezahlen. Hyperinflation wird über die amerikanische Bevölkerung hereinbrechen. Massive Arbeitslosigkeit und massive Inflation werden die Menschen in Amerika in ein Elend stürzen, das nicht einmal Marx und Lenin vorhersehen konnten.

Inzwischen geben Amerikas Wirtschaftswissenschaftler weiter vor, dass es sich um eine normale Nachkriegs-Rezession handle, die nur eine Aufstockung von Geld und Krediten brauche, um das Wirtschaftswachstum wiederherzustellen.

 
     
  erschienen am 6. Oktober 2009 auf > Foreign Policy Journal > http://www.foreignpolicyjournal.com/2009/10/06/marx-and-lenin-revisited/  
  Paul Craig Roberts war stellvertretender Finanzminister in der Regierung Reagan. Er ist Verfasser von „Supply-Side Revolution: An Insider‘s Account of Policymaking in Washington“ (Revolution der Anbieterseite: Bericht eines Insiders über Politik in Washington), von „Alienation and the Soviet Economy“ (Entfremdung und die sowjetische Wirtschaft) und von „Meltdown: Inside the Soviet Economy“ (Kernschmelze: Innenansicht der sowjetischen Wirtschaft), sowie gemeinsam mit Lawrence M. Stratton von „The Tyranny of Good Intentions: How Prosecutors and Bureaucrats Are Trampling the Constitution in the Name of Justice“ (Tyrannei der guten Absichten: Wie Strafverfolger und Bürokraten die Verfassung im Namen der Gerechtigkeit mit Füßen treten). Er war Co-Redakteur der Kommentarseite des Wall Street Journal und Mitherausgeber der National Review.  
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