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  Lächeln auf dem Gesicht des Tigers

John Pilger 

Um 7.30 am Morgen des 3. Juni starb ein sieben Monate altes Baby in der Intensivstation des European Gaza Hospital im Gazastreifen. Sein Name war Zein Ad-Din Mohammed Zu´rob, er litt an einer Lungeninfektion, die behandelbar war.

Da ihnen die grundlegende Ausstattung vorenthalten worden war, konnten die Ärzte in Gaza gar nichts machen. Wochen lang hatten die Eltern des Kindes versucht, eine Genehmigung von den Israelis zu bekommen, das Kind in ein Krankenhaus nach Jerusalem zu bringen, wo es hätte gerettet werden können. Wie vielen verzweifelten kranken Menschen, die um solche Genehmigungen ansuchen, wurde den Eltern mitgeteilt, sie hätten nie angesucht. Sogar wenn sie zum Grenzübergang Erez mit einem israelischen Dokument in ihren Händen gekommen wären, hätten sie leicht zurückgewiesen werden können, wenn sie sich geweigert hätten, den Forderungen der Beamten nachzugeben, für sie zu spionieren oder in der einen oder anderen Weise zu kollaborieren.

„Ist es wirklich eine verantwortungslose Übertreibung,“ fragte Richard Falk, UNO-Sonderbotschafter für Menschenrechtsangelegenheiten in den besetzten palästinensischen Territorien und emeritierter Professor für Internationales Recht an der Princeton-Universität, selbst ein Jude, „die Behandlung der Palästinenser mit der kollektiven Grausamkeit der Nazis zu vergleichen? Ich glaube nicht.“ 

Falk beschrieb Israels Massaker im Dezember und Januar an hunderten von wehrlosen Zivilisten in Gaza, viele von ihnen Kinder. Reporter bezeichneten das als „Krieg“. Seither ist wieder der Normalzustand in Gaza eingekehrt. Die meisten Kinder sind unterernährt und krank und fast alle zeigen die Symptome psychiatrischer Störungen, wie schreckliche Alpträume, Depressionen und Bettnässen. Es gibt eine lange Liste von Dingen, deren Einfuhr nach Gaza die israelische Regierung verbietet. Darunter befindet sich auch die Ausrüstung für die Beseitigung von giftigen Überresten der U.S.-Munition Israels, von der angenommen wird, dass sie der Grund für ansteigende Krebsquoten ist. Spielzeuge und Geräte für Spielplätze wie Rutschen und Schaukeln sind auch verboten. Ich sah die Überreste eines Rummelplatzes, durchsiebt mit Kugellöchern, den israelische „Siedler“ für Schießübungen benutzt hatten.

Am Tag nach dem Tod von Baby Zu´rob hielt Präsident Obama seine „historische“ Rede in Kairo, „um der muslimischen Welt die Hand zu reichen,“ wie BBC berichtete. „Gerade wie sie verheerende Auswirkungen auf palästinensische Familien hat,“ sagte Obama, „nützt die anhaltende humanitäre Krise nicht der Sicherheit Israels.“ Das war alles. Die Tötung von 1.300 Menschen in einem Gebiet, das jetzt ein Konzentrationslager ist, war 17 Wörter wert, die der Sorge um die „Sicherheit“ der Killer galten. Das war verständlich. Während des Massakers im Januar berichtete Seymour Hersh, dass „das Obama-Team wissen ließ, es würde nichts gegen die Ergänzung von ‚intelligenten Bomben’ und weiterer Hi-Tech-Munition unternehmen, die bereits nach Israel geliefert wurden“ – für den Einsatz gegen Gaza. 

Einziger Kritikpunkt Obamas an Israel war, dass „die Vereinigten Staaten nicht die Legitimität weiterer israelischer Siedlungen akzeptieren ... Es ist Zeit, dass diese Siedlungen eingestellt werden.“ Diese Festungen auf palästinensischem Land, bewohnt von religiösen Fanatikern aus Amerika und anderswo, wurden vom UN-Sicherheitsrat und vom Internationalen Gerichtshof für illegal erklärt. Demonstrativ machte Obama keine Erwähnung von den Siedlungen, die bereits die okkupierten Gebiete durchziehen und einen unabhängigen Palästinenserstaat unmöglich machen, was ihr Zweck ist.

Obama forderte, dass der „Kreislauf von Argwohn und Zwietracht enden muss.“ Jedes Jahr seit mehr als einer Generation hat die UNO Israel aufgefordert, seine illegale und gewaltsame Okkupation von Palästina nach 1967 zu beenden und für „das Recht des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung“ gestimmt. Jahr für Jahr haben die Regierungen von Israel, der Vereinigten Staaten von Amerika und von einer oder zwei pazifischen Kolonien der Vereinigten Staaten von Amerika gegen diese Resolutionen gestimmt, im vergangenen Jahr auch Robert Mugabes Zimbabwe.

Das ist der wirkliche „Kreislauf“ im Nahen Osten, von dem kaum berichtet wird, dass es sich dabei um die unerbittliche Zurückweisung der rechtsstaatlichen Grundsätze durch Israel und die Vereinigten Staaten von Amerika handelt: Grundsätze, in deren Namen der Zorn Washingtons auf Saddam Hussein niederfuhr, als er in Kuwait einmarschierte, Grundsätze, die, wenn sie eingehalten und geachtet würden, Frieden und Sicherheit für Palästina und Israel bringen würden.

Statt dessen redete Obama in Kairo, als wären seine und die ehemaligen Regierungen im Weißen Haus neutrale, fast göttliche Vermittler des Friedens und nicht raubgierige Unterstützer und Versorger des Invasoren (gemeinsam mit dem Vereinigten Königreich). Diese Orwell´sche Logik bildet die Ausgangsposition für das, was westliche Journalisten als „israelisch – palästinensischen Konflikt“ bezeichnen, über den fast nie nach den Maßstäben von Gesetz, Richtig und Falsch, Recht und Unrecht berichtet wird – Darfur, ja, Zimbabwe, ja, aber Palästina nie. Orwells Geist rührte sich wieder, als Obama „gewalttätige Extremisten in Afghanistan und jetzt Pakistan“ verurteilte, „die entschlossen sind, so viele Amerikaner wie möglich zu töten.“ Die Invasion und die Gemetzel der Vereinigten Staaten von Amerika in diesen Ländern blieben unerwähnt. Auch das ist göttlich.

Natürlich sagte Obama nicht wie George W. Bush, dass „ihr entweder für uns seid oder gegen uns.“ Er lächelte das Lächeln und gab „viele eloquente stimmungsträchtige Sätze und bruchstückhafte Kenntnisse von Koranzitaten“ von sich, wie der amerikanische Experte für Internationales Recht John Whitbeck bemerkte. Darüber hinaus bot Obama keine Änderung, keinen Plan, nur ein „ausgeleiertes moralisch verkommenes amerikanisches Mantra, das im Wesentlichen davon ausgeht, dass nur die Reichen, die Starken, die Unterdrücker und die Verfechter des Unrechts (besonders die Amerikaner und Israelis) das Recht haben, Gewalt zu gebrauchen, während die Armen, die Schwachen, die Unterdrückten und die Opfer von Unterdrückung sich ihrem Schicksal unterwerfen und sich mit den Krümeln zufrieden geben müssen, die die Besseren großzügig von ihrem Tisch fallen lassen.“ Und er bot nicht die leiseste Anerkennung der Tatsache, dass die meisten Opfer des Terrorismus auf der Welt Menschen mit islamischer Religion sind – eines Terrorismus westlichen Ursprungs, der seinen Namen nicht zu nennen wagt.

Mit seinem „Hände reichen“ in Kairo, seiner „Anti - Atomwaffen“-Rede in Berlin wie mit der „Hoffnung“, mit der er sich in seiner Antrittsrede beschäftigte spielt dieser clevere junge Politiker die Rolle, für die er ausgewählt und befördert worden ist. Diese besteht darin, Amerikas Macht ein freundliches, verlockendes, sogar das Gesicht eines Idols zu verleihen, die dann weiter ihr strategisches Ziel der Herrschaft verfolgen kann, ungeachtet der Wünsche des Restes der Menschheit und der Rechte und Leben unserer Kinder.  

 
     
  erschienen auf www.antiwar.com am 12. Juni 2009 > http://original.antiwar.com/pilger/2009/06/11/smile-on-the-face-of-the-tiger/      
     
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