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TALIBAN-TERROR Eric S. Margolis Die abgeklärten Franzosen und Engländer, die Geschichte gelernt haben und Bücher lesen, blicken mit ironischer Verwunderung und einigem Bedauern auf die Amerikaner, die jetzt in eine neue Runde von Taliban-Terror verstrickt sind. Vor etwa zehn Tagen kam ein Haufen leicht bewaffneter Paschtunen mit Motorrädern und Leichttransportern von der Region Malakand herunter und stolzierte in Buner herum, nur 100 km von Islamabad, der Hauptstadt Pakistans entfernt. In Washington brach Hysterie aus. Die Taliban kommen. Die Taliban kommen! Hillary Clinton, die sich noch immer durch die Außenpolitik beißt, warnte, die ungepflegten Taliban-Stammesleute stellten eine globale Bedrohung dar. Gehorsam befolgten die pakistanischen Generale die Befehle Washingtons und griffen die Bösewichter in Buner an, die gegen die amerikanische Weltordnung verstoßen hatten. Über hundert Menschen wurden getötet, fast alle unschuldige Zivilisten, und tausende flüchteten vor den Bomben und Kanonen der Regierung. Es wäre gescheiter gewesen, hätte die geängstigte Frau Clinton die Seite 30 meines Buches Krieg auf dem Dach der Welt gelesen. Im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts ... traten zwei farbenprächtige Persönlichkeiten hervor aus den unwirtlichen Bergen der nordwestlichen Grenze. Der erste war ein feuriger heiliger Mann mit einem wundervollen Namen: der Fakir von Ipi. Der alte Fakir führte die Paschtunenstämme gegen die Ungläubigen und kam bis auf Turbanlänge an die Übernahme Peshawars von den Briten heran, die eine Dekade damit verbrachten, den schwer fassbaren Fakir durch die Berge Waziristans zu jagen. Dann kam eine furchteinflößende Gestalt, der Verrückte Mullah (so taufte ihn die britische Presse), der an der Spitze von 20.000 wilden Reitern vom Malakand-Pass herunterkam, um die gottlose Stadt Peshawar (der Hauptsitz des britischen Imperialismus) dem Schwert zu opfern. Wie Frau Clinton waren auch die guten christlichen Damen der britischen Besatzung von Peshawar in Angst und Schrecken versetzt. Geschrei erhob sich, dass der verrückte Mullah und seine verruchten Muslims Peshawar niederbrennen und die christlichen Damen entführen wollten, um mit deren weißen Leibern unaussprechliche islamische Scheußlichkeiten zu betreiben. Viel hat sich nicht geändert ein Jahrhundert später jagen wieder westliche imperialistische Kräfte renitente paschtunische Stammesleute an der nordwestlichen Grenze. Heutzutage werden diese von westlichen Medien und Politikern als Terroristen bezeichnet. In den 1980er Jahren wurden sie und ihre Väter als Freiheitskämpfer bejubelt, die gegen die sowjetische Besetzung Afghanistans kämpften. Paschtunische (auch bekannt als pathanische) Grenzstämme von den westlichen Medien allesamt fälschlich als Taliban bezeichnet haben wieder zu den Waffen gegriffen, weil sie von den Vereinigten Staaten von Amerika mit Predator-Drohnen bombardiert und von der pakistanischen Armee angegriffen werden, die die Vereinigten Staaten von Amerika für US$ 1,5 Milliarden im Jahr (das ist die offizielle Angabe, in Wirklichkeit ist es viel mehr) gemietet haben, um ihren sich ausweitenden Krieg in Afghanistan zu unterstützen. Die Zahl der Opfer unter der paschtunischen Zivilbevölkerung in Pentagonsprech Kollateralschaden genannt steigt immer schneller. Der Hauptgrund für die steigende Rebellion in Pakistans nordwestlicher Grenzprovinz (NWFP) ist der Krieg der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Afghanistan, der sich schnell nach Pakistan ausweitet. Die meisten Pakistanis sehen die afghanischen Taliban und ihre eigenen rebellischen Paschtunen als Helden, die gegen die Herrschaft des Westens kämpfen, und verachten ihre isolierten Führer in Islamabad, die für den Yankee-Dollar arbeiten. 1947 wurde den Paschtunenstämmen der nordwestlichen Grenzprovinz völlige Autonomie garantiert; die pakistanische Armee hatte keinerlei Zutrittsrecht in die paschtunischen Stammesgebiete. Washington hat Islamabad gezwungen, gegen Grundelemente der Verfassung Pakistans durch die Entsendung von Truppen und Kampfflugzeugen in die unabhängige Stammesregion zu verstoßen. Sogar der allerniedrigste Offizier des britischen Imperiums wusste, dass es vermessen sei, die kriegerischen Paschtunen zu provozieren. Gerade das hat Washington gemacht. Nach wie vor haben die paschtunischen Taliban keinen Einfluss außerhalb ihrer nordwestlichen Provinz und haben auch keinerlei Absicht, den Rest Pakistans zu übernehmen. Washingtons ungeschickte Vorgangsweise in Afghanistan und Pakistans ruft allerdings einen heftigeren Sturm herbei: eine nationale Revolution in Pakistan gegen die vom Westen getragene feudale Oligarchie, die das Land seit 1947 beherrscht. Pakistan ist eines der ärmsten Länder der Erde. Die Hälfte der Bewohner kann nicht lesen und schreiben. Die meisten müssen mit durchschnittlich $ 1,13 am Tag auskommen. Die feudale Klasse der Landbesitzer macht ca. 0,5 % der Bevölkerung aus, besitzt aber über 90 % des nationalen Reichtums. Ohne Korruption funktioniert überhaupt nichts. Die Demokratie ist eine Augenauswischerei, das legale System ein grausamer Scherz. Das islamische Recht, wie drakonisch auch immer, bietet die einzige nicht käufliche Rechtssprechung. Wachsende Widerstandsbewegungen in der nordwestlichen Provinz und Baluchistan fordern eine nationale Führung, die die pakistanischen Interessen und nicht die westlichen repräsentiert. Pakistanis werden dadurch gedemütigt, dass sie von den Vereinigten Staaten von Amerika und vom Vereinigten Königreich gezwungen werden, unter dem Vorwand des Kampfes gegen islamischen Terrorismus gegen ihre eigenen Leute Krieg zu führen. Die große Frage in den Hauptstädten des Westens lautet: Sind Pakistans Atomwaffen sicher? Ja. Zur Zeit. Sie werden schwer bewacht von Spezialtruppen der Armee und vom ISI, dem militärischen Geheimdienst. Dabei wird es auch bleiben, wenn sich nicht die Armee in einem Machtkampf aufsplittert. Pakistans Atomwaffen können nicht ohne besondere Sicherheitscodes entsichert werden. Ungeachtet dessen gibt es in Pakistan und in Europa immer mehr Vermutungen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika möglicherweise in Zusammenarbeit mit Indien oder Israel den Versuch unternehmen könnten, Pakistans nukleares Arsenal an sich zu reißen oder zu zerstören. Mein geschätzter Kollege und Experte für die Region, Arnaud de Borchgrave warnt, dass Pakistan zu einem weiteren Iran werden könnte. Da wäre ich mir nicht so sicher. Islamische Parteien haben in Pakistan nie große Unterstützung gefunden. Es gibt im sunnitischen Pakistan im Gegensatz zum schiitischen Iran keine mächtige Geistlichkeit. Pakistan hätte einen langen Weg zu gehen, ehe es eine islamische Republik nach iranischen Vorbild werden könnte. Aber zweifelsohne steuert Pakistan in sehr gefährliche Wasser. Was den Kreuzzug der Vereinigten Staaten von Amerika gegen Afghanistan und die nordwestliche Grenzprovinz betrifft, sollten wir uns die Worte des viktorianischen Dichters des britischen Imperiums Rudyard Kipling vor Augen halten: Asien wird nicht nach den Methoden des Westens zivilisiert werden. Da gibt es zu viel Asien, und das ist zu alt. |
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Paris, 4. Mai 2009, Copyright © 2009 Eric S. Margolis | ||||||||||||||||||
erschienen auf > http://www.ericmargolis.com/ > http://www.ericmargolis.com/political_commentaries/taliban-terror.aspx | ||||||||||||||||||
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